26.09.2022, Italien, Rom: Giorgia Meloni, Vorsitzende der rechtsradikalen Partei Fratelli d'Italia (Brüder Italiens), hält ein Schild mit der Aufschrift „Grazie Italia“ („Danke Italien“) während einer Pressekonferenz in der Wahlkampfzentrale ihrer Partei. (dpa)
Folgen

Am 25. September 2022 fanden in Italien nationale Parlamentswahlen statt, und das Ergebnis ist ein deutlicher Rechtsruck. Mit 26 % der Stimmen stärkste Partei wurde der „postfaschistische“ „Fratelli d’Italia“ mit Spitzenkandidatin Giorgia Meloni. Ihre rechten Verbündeten erhielten: „Lega“ 8,8 % und „Forza Italia“ 8,1 %. Auf den sozialdemokratischen „Partito Democratico“ entfielen 19 % der Stimmen, auf die populistische „Fünf-Sterne-Bewegung“ 15,4 % und die zentristische „Italia Viva“ erhielt 7,8 %. Obwohl der Rechtsblock zusammen nur etwa 43 % der Stimmen generierte, sichert ihm Italiens Wahlrecht eine deutliche absolute Mehrheit sowohl im Abgeordnetenhaus als auch im Senat zu. Mit 64 % war die Wahlbeteiligung aber deutlich niedrig. Auf Ebene der EU wurde diese Wahl natürlich in besonderer Weise wahrgenommen.

Wer ist Georgia Meloni?

Sie hat die besten Karten in der Hand, Italiens erste Frau im Amt des Regierungschefs einer nationalen Regierung zu werden. Familienbiographisch sieht sie sich in einem politischen Wechselfeld, bezeichnete ihren Vater als Kommunisten, während ihre Mutter ursprünglich im neofaschistischen „Movimento Sociale Italiano / MSI“, später aber auch in der Nachfolgeorganisation „Alleanza Nazionale“ tätig war. Auch heißt es, Melonis Mutter habe Liebesromane geschrieben. Meloni durchlief verschiedene journalistische und politische Stationen, war schließlich 2012 an der Gründung der Partei „Fratelli d’Italia (FdI)“ beteiligt.

International fiel Georgia Meloni sehr kritisch mit ihren Kommentaren zum italienischen faschistischen Diktator Benito Mussolini auf, der Italien mit eiserner Hand von 1922 bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges regierte. So behauptete Meloni als 19-Jährige in einem Interview für den französischen Nachrichtensender „Soir 3“, dass „Mussolini ein guter Politiker“ gewesen sei, „der beste der letzten 50 Jahre“. Zehn Jahre später erklärte sie in einem Interview mit Sabelli Fioretti, sie habe zum Faschismus ein „unbeschwertes“ Verhältnis und sehe diesen als Teil der italienischen Geschichte. Zu Mussolini führte sie darin aus, dass er „einige Fehler“ gemacht habe, etwa die Rassengesetze, den Kriegseintritt und die Errichtung eines autoritären Systems. Historisch habe er aber auch viel geschaffen, was ihn jedoch „nicht rette(n)“ würde. Außerdem bestünden „Werte wie Freiheit und Bürgerrechte“, die mehr wert seien als die Trockenlegung der Pontinischen Sümpfe. Der politische Umgang mit dem historischen Faschismus ist in Italien ein besonders sensibles Thema.

Mit solchen öffentlich geäußerten Positionen sorgte Georgia Meloni für Irritationen im Konzert der Europäischen Union. Könnte sie mit Viktor Orbán in Ungarn und der Regierungspartei „Recht und Gerechtigkeit“ (PiS) in Polen eine EU-kritische Allianz aufbauen und formen und damit sogar „qualitative Mehrheiten“ in Entscheidungsprozessen der EU blockieren? Öffentlich verteidigte sie Orbán gegen Kritik durch die EU-Kommission, und erklärte, die ost-mitteleuropäischen Länder benötigten aufgrund ihrer Erfahrungen mit der sowjetischen Vergangenheit besondere Hilfestellungen. Auch die französische Rechtsaußen-Partei „Rassemblement National“ erhofft sich durch Georgia Meloni und ihre „Fratelli d’Italia“ einen gewissen Auftrieb, wie der französische RM-Chef Jean-Paul Garraud zum Ausdruck brachte: „Das ist eine positive Perspektive. Die allgemeinen Aussichten sind günstig, weil wir viele gemeinsame Ideen haben, vor allem in Bezug auf die Entwicklung von Europa. Es gibt Nuancen, aber die Hauptsache ist da. Dies kann ein gemeinsames Fundament bilden, auf dem wir etwas noch Wichtigeres aufbauen können.“

Risse in Italiens Rechtsallianz

Gleichwohl darf das Konfliktpotenzial innerhalb von Italiens neuer Rechtsallianz nicht unterschätzt werden. Silvio Berlusconis „Forza Italia“ wird vielfach als Partei mit konservativer Ausrichtung beschrieben und gehört im Europaparlament der Fraktion der „Europäischen Volkspartei (Christdemokraten)“ an. Matteo Salvini steht mit seiner „Lega“ deutlich rechter und rechtspopulistischer, ist auch im Europaparlament in der Rechtsfraktion „Identität und Demokratie Partei“ verankert, die in ihrer Ausrichtung umschrieben wird mit Begriffen wie „EU-Skepsis“, „Rechtsextremismus“, „Rechtspopulismus“ und „Nationalismus“ oder sich einfach auch als „europafeindliche Fraktion“ kategorisieren lässt. In einem pubertären Akt politischer Inszenierung posierte Salvini einst am Roten Platz in Moskau mit einem T-Shirt mit einem großen Bild von Putin, Präsidenten von Russland. In Polen hat man das nicht vergessen. An Salvini kleben deshalb kritische Begriffe wie „einstiger Putin-Freund“, die er nicht mehr reinwaschen kann.

„Fratelli d’Italia“ gehört im europäischen Parlament der Fraktion „Partei Europäische Konservative und Reformer“ an. Diese Fraktion positioniert sich teilweise deutlich russlandkritisch und damit gegen den Präsidenten Russlands, Vladimir Putin. Außenpolitisch gilt Georgia Meloni als pro-atlantisch und unterstützt die Ukraine im Konflikt gegen Putins Krieg. Genau da zeichnet sich bereits ein deutliches Spannungsfeld gegenüber dem Verbündeten Salvini und seiner „Lega“ ab. Es gibt Gerüchte, dass Meloni Salvini nicht erneut zum Innenminister einer nationalen Regierung machen möchte.

Ausblick auf Europa

Wie in verschiedenen Analysen unterstrichen wird, ist der Rechtspopulismus in der Mitte von Europa angekommen, und Rechtspopulisten sind in verschiedenen europäischen Regierungen vertreten. Ein Anti-Reflex gegen Rechtspopulismus wird nicht mehr immer funktionieren. Man geht davon aus, dass Italiens Präsident Sergio Mattarella Georgia Meloni den Auftrag zur Regierungsbildung erteilen wird, und das Ergebnis wird eine Rechtskoalition aus „Fratelli d’Italia“, „Lega“ und „Forza Italia“ sein. Damit würde erstmals in Europa die nationale Regierung eines größeren EU-Mitgliedslandes eine rechtspopulistische Persönlichkeit in der Verantwortung eines Regierungschefs haben. Damit wird Europas Rechtspopulismus auch neu dimensioniert.

Die entscheidende Frage jedoch ist: Wie wird sich Georgia Meloni gegenüber der EU verhalten? Italien hat ein essenzielles Interesse daran, finanzielle Förderungen seitens der EU in Milliardenhöhe auch weiterhin zu erhalten. Mattarella entstammt einer „linkskatholischen Familie“ und ist Repräsentant der sozialdemokratischen „Partito Democratico“. Im politischen Machtpoker wird Mattarella versuchen, einen mäßigenden Einfluss zur Geltung zu bringen, im Sinne einer Fortsetzung einzelner Parameter in der Außenpolitik und Europapolitik Italiens. Georgia Meloni steht hier vor der Wahl einer politischen Entscheidung, und sie kann einem Pragmatismus den Vorzug geben. Noch ist Meloni aber eine „Black Box“, und sie darf gewiss nicht unterschätzt werden. Es geht auch um die Zukunft der EU.

Meinungsbeiträge geben die Ansichten des jeweiligen Autors und nicht die der Redaktion wieder. Für Anfragen wenden Sie sich bitte an: meinung@trtdeutsch.com