Beate Küpper während des Interviews mit TRT Deutsch (Screenshot aus Video-Interview)
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von Emre Bölükbaşı Beate Küpper ist Mitautorin der „Mitte-Studie“, deren jüngste Ausgabe den Titel „Die geforderte Mitte“ trägt und rechtsextreme sowie demokratiegefährdende Einstellungen in Deutschland untersucht. Durch die Ergebnisse sorgte die Studie zuletzt für viel Gesprächsstoff.

Im Interview mit TRT Deutsch teilt Küpper, die aktuell als Professorin für Soziale Arbeit in Gruppen und Konfliktsituationen an der Hochschule Niederrhein tätig ist, die aktuelle Entwicklung des Rechtsextremismus in Deutschland mit.
In Ihrer Studie halten Sie fest, dass kein anderes europäisches Land in den letzten Jahren so viel rechtsextreme Gewalt erlebt hat wie Deutschland. Wie beeinflussen Anschläge wie z.B. die in Hanau, wie Rechtsextremismus wahrgenommen wird?
Durch diese Anschläge ist natürlich nochmal das Gefühl der Unsicherheit gestiegen. Aber was wir beobachten können ist, dass in der Breite der Bevölkerung 70 Prozent den Rechtsextremismus als Bedrohung für das Land wahrnehmen und einschätzen. Nicht zuletzt gab es ja in den letzten Jahren nicht nur die Attentate, sondern damit begleitend auch eine höhere Aufmerksamkeit der Sicherheitsbehörden. Auch die Medien haben viel über Rechtsextremismus berichtet. Von daher ist da eine größere Sensibilität entstanden.

In ihrer Studie sprechen Sie von „rechtspopulistischen wie menschenfeindlichen Netzwerken“, die es auch in Sicherheitsorganen gebe. Inwiefern ebnen diese Netzwerke Rechtsextremisten den Weg?

Das Aufdecken solcher Netzwerke, unter anderem in den Sicherheitsorganen aber auch in der Bevölkerung, verdeutlicht, wie verankert rechtsextreme Einstellungsmuster und auch die Bereitschaft zum Handeln durchaus sind. Und das gibt eine Signalwirkung. Was wir in der Studie feststellen können ist, dass auf der einen Seite hart rechtsextreme Einstellungen gesunken sind. Aber: Wir sehen Einsickerungen rechtsextremer Ideologiefragmente bis weit in die Mitte der Bevölkerung. Das spiegelt sich in diesen Netzwerken wider, die auch bei den Sicherheitsorganen zu finden sind, die nicht unbedingt einer harten rechtsextremen Szene zuzuordnen sind. Aber man sieht, wie solche Ideologiefragmente inzwischen durchaus salonfähig sind, eben bis hinein in die Sicherheitsorgane.

In der Studie halten sie fest, dass Rechtsextremismus in Regionen mit einem geringen Ausländeranteil stärker verbreitet ist. Kann man sagen, dass der mangelnde Kontakt mit Menschen mit Migrationshintergrund Vorurteile schürt?

Die Vorurteilsforschung zeigt schon seit fast 60, 70 Jahren, dass gerade der Kontakt ein wichtiger Faktor ist, um Vorurteile zu reduzieren. Denn durch den Kontakt werden Menschen zu „Du und Ich“. Mein Wissen und meine Erfahrung basieren nicht nur auf „hören-sagen“ und auf alten Mythen und Stereotypen. Damit wird auch derjenige, den ich vorher vielleicht als „fremd“ wahrnehme, nicht mehr zum „Fremden“. Fremd ist mir nur derjenige, den ich nicht kenne. Da wo wenig Menschen aus anderen Ländern leben, wo also wenig Möglichkeit zum Kontakt im Alltag besteht, da sind die Vorurteile besonders hoch und damit ist der Rechtsextremismus besonders hoch. Es wird begründet, „Fremdenfeindlichkeit gibt es wegen der Ausländer“ – nein, weil es zu wenig Ausländer gibt. Weil Ausländer dann als Ausländer wahrgenommen werden und nicht mehr als Teil der Gesellschaft.

Die Kollegen haben nicht nur den statistischen Ausländeranteil im Kreis miterfasst. Sondern sie haben auch den Anteil der Wählerstimmen der AfD bei den letzten Wahlen mit eingerechnet. Sie können zeigen, dass der Erfolg der AfD in einer Region nochmal wichtiger ist als der Anteil von Ausländern. Daraus interpretieren wir, dass es der AfD gerade in Regionen, wo wenig Menschen mit ausländischem Background leben, besonders leicht gelingt, zu mobilisieren. So mobilisiert der Rechtspopulismus: Er mobilisiert über Bedrohungen, knüpft an an vorhandene, schlummernde Ressentiments und heizt sie an. Und das gelingt da besonders gut, wo wenig Möglichkeiten für echte Alltagserfahrungen sind.

Laut Ihrer Studie wird Zuwanderung heute nur noch von etwa jedem Vierten als Bedrohung wahrgenommen. Wie begründen Sie diese Entwicklung?

Da können wir durchaus sehen, dass Themen Konjunkturen haben und auch propagandistisch weiterverarbeitet werden. Bei der vergangenen Mitte-Studie von vor zwei Jahren wirkte noch stark die Fluchtbewegung aus den Jahren 2015 – 2016 nach. Wir können das sowohl in den Zahlen der Polizeistatistik sehen, als auch des Verfassungsschutzes. Die hohen Zahlen der Anschläge beispielsweise gegen Unterkünfte von Geflüchteten, die hohe Anzahl rassistischer Übergriffe gegen Menschen, die als geflüchtet oder migriert gelesen werden – das ist nach wie vor hoch. Aber die öffentliche Debatte um das Thema ist zurückgegangen. Wir haben im letzten Jahr über Corona geredet und nicht mehr über Migration oder Flucht. Im Moment gelingt es auch der rechtspopulistischen Propaganda nicht, das Thema Zuwanderung nochmal hochzuheizen.

TRT Deutsch