Dienstadresse des Bundesamts für Verfassungsschutz in Wien (dpa)
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Ein mutmaßlicher Foltergeneral aus Syrien lebt offenbar seit Jahren unbehelligt in Österreich. Khalid al-Halabi war Leiter der „Zweigstelle 335“ in Rakka. Davor war er in Damaskus für die Abwehr ausländischer Spione zuständig. Laut Recherchen von „Spiegel“ und „Der Standard“ habe Österreich vor sechs Jahren Halabi ins Land geschmuggelt - auf Bitten des israelischen Geheimdienstes Mossad, der ihn als Informant gewonnen habe.

Auch Wiener Staatsanwälte ermitteln inzwischen gegen den mutmaßlichen Folterer aus den Reihen des Sicherheitsapparats von Syriens Machthaber Assad. Mit im Fokus stehen auch österreichischen Agenten, die ihn geholt und möglicherweise auch vor Strafverfolgung geschützt hatten.

Wertvolle Quelle mit Insiderinformationen aus dem Staatsapparat

Laut österreichischen Akten hätten die Israelis 2015 mit Khalid al-Halabi einen „hochrangigen syrischen Nachrichtendienstoffizier“ als Quelle gewonnen. Die Agenten beider Länder hätten eine streng geheime Kooperation vereinbart - die Operation „White Milk“. Grund dafür: Der Ex-General solle „wesentliche Informationen bezüglich des syrischen Nachrichtendienstapparats verfügen“.

Halabi hatte sich zunächst nach Frankreich abgesetzt. Dort habe es Probleme mit der französische Asylbehörde gegeben. Die Behörden hätten den Verdacht geäußert, Halabi könnte für schwere Menschenrechtsverletzungen in Syrien verantwortlich sein. Sein Asylantrag in Frankreich sollte deshalb abgelehnt werden.

Aus diesem Grund habe der Mossad den Ex-General nach Österreich bringen wollen. Die offizielle Lesart lautete aber, es gebe „Kommunikationsproblemen“ mit dem Inlandsnachrichtendienst. Israel habe den Überläufer Halabi schützen wollen. Immerhin habe der Mann interne Kenntnisse über „höchste Staatsgeheimnisse“ verfügt.

Verfassungsschutz zahlte Miete, Halabi spendete an Caritas

Mossad-Agenten hätten das „Paket“ Hakabi heimlich in einem Auto von Frankreich zum Grenzübergang Walserberg bei Salzburg gebracht. Das österreichische Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) habe ihn dem Bericht zufolge heimlich ins Land geschmuggelt und zu seiner Asylanhörung begleitet. Laut Protokoll behauptete Halabi, er habe Syrien verlassen müssen. Er habe sich weder auf die Seite des Assad-Regimes noch auf die der bewaffneten Opposition schlagen wollen. „In beiden Fällen müsste ich töten“ und er habe kein Blut an den Händen haben wollen, gab er zu Protokoll.

Für die erste Zeit habe Halabi in Wien-Favoriten in der Wohnung des Schwiegervaters eines BVT-Beamten gewohnt. Später habe er eine geräumige 111-Quadratmeter-Wohnung bezogen. Laut „Spiegel“ wurde die Miete von knapp 1000 Euro von einem Konto bei der Raiffeisenbank beglichen. Das Konto sei von einem Verfassungsschützer unter dem Tarnnamen Alexander L. angelegt worden. Laut Bericht soll der Mossad dem BVT regelmäßig 5000 Euro in bar übergeben haben.

Die österreichischen Beamten besorgten Halabi zudem ein Handy, einen TV-Anschluss und einen Internetzugang. Das tägliche Leben wurden von österreichischen Verfassungsschützern organisiert. Sogar die Caritas habe Halabi mit finanziellen Zuwendungen bedacht. Mal habe er 200 Euro pro Monat gespendet, mal 320 Euro.

WKStA will nun auch gegen Verfassungsschützer ermitteln

Als 2018 Frankreich Halabi zur verdeckten Fahndung ausschreiben ließ, herrschte Alarmstimmung im österreichischen Sicherheitsapparat. Europol habe diesbezüglich ein Schreiben an alle Mitgliedstaaten und nach Wien verschickt. Die Franzosen machten Halabi für Folter mit Elektroschocks und andere Misshandlungen in Rakka verantwortlich.

Inzwischen habe die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft gegen mehrere Mitarbeiter des BVT ein Verfahren wegen Amtsmissbrauch eingeleitet. Den Verfassungsschützern wird vorgeworfen, sie hätten den mutmaßlichen Foltergeneral illegal ins Land geschleust und seinen Aufenthalt vor der Justiz verheimlicht.

Erst im Oktober 2018 hätten die Geheimdienstler die geheime Kooperation mit Israel aufgekündigt. Laut Spiegel-Recherchen lebt Halabi weiterhin in Wien. Die Anschuldigungen wegen Misshandlungen streite er vehement ab. Sein Gewissen sei rein.

Auch nach mehr als fünf Jahren hat die Wiener Staatsanwaltschaft keine Anklage erhoben. Begründung: Das Verfahren sei bedingt durch den Auslandsbezug und die schwierige Erreichbarkeit relevanter Zeugen „durchaus komplex“, wie es vonseiten der Behörde heißt. Laut Spiegel-Bericht ist Halabi inzwischen lediglich der Asylstatus entzogen worden.

TRT Deutsch