CDU-Pressekonferenz nach der Bundestagswahl in Berlin (Reuters)
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Dramatische Stimmenverluste für die Unionsparteien

Der große Verlierer dieser Bundestagswahl ist die CDU/CSU, die seit 16 Jahren in einer großen Koalition mit der SPD dieses Land regiert und das schlechteste Ergebnis ihrer Geschichte eingefahren hat. Armin Laschet ist es nicht gelungen, die Wähler davon zu überzeugen, dass die Unionsparteien Deutschland erfolgreich in die Zukunft führen können, was sich in Verlusten von fast 9 Prozent widerspiegelt. Er galt für einige in der Union von Anfang an als zu farblos und ohne Charisma, weshalb diese eher den bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder als Kanzlerkandidaten favorisiert hatten. Nach einer aktuellen Forsa-Umfrage im Auftrag von RTL und n-tv fordern 62 Prozent der Deutschen den Rücktritt von Laschet, und 53 Prozent der Befragten halten ihn für den falschen Kanzlerkandidaten der CDU/CSU.

Laschet sieht Auftrag zur Regierungsbildung bei Unionsparteien

Der nordrhein-westfälische Ministerpräsident hatte sich bekanntlich im Kampf um den CDU-Parteivorsitz durchgesetzt. Laschet beanspruchte zwar am Wahlabend im Konrad-Adenauer-Haus in Berlin die Bildung einer Regierung für sich, aber es wird auch auf die Entscheidung seiner möglichen Koalitionspartner ankommen. Es gibt zwar kein Gesetz, das einer zweitplatzierten Partei die Bildung einer Regierung verbietet. Aber es wäre in der Geschichte der Bundesrepublik nicht das erste Mal, wenn eine zweitplatzierte Partei die Regierung stellen würde. Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU) hatte vor der Wahl auf die Möglichkeit hingewiesen, auch als zweitplatzierte Partei eine Regierung bilden zu können, was CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt ablehnte.

Jamaika oder Ampelkoalition?

Es ist nicht ausgeschlossen, dass die CDU/CSU mit FDP und Grünen eine Jamaikakoalition bildet, aber auch eine Ampel-Koalition aus SPD, Grünen und FDP wäre möglich. Die dramatischen Stimmenverluste für die CDU/CSU könnten für Laschet unangenehme Folgen haben, denn bei einem Gang in die Opposition würde eine Diskussion über die personelle Neuausrichtung der Unionsparteispitze in Gang kommen. Bereits jetzt hat sich Widerstand gegen Laschet formiert, und die Werteunion forderte den Rücktritt des CDU-Vorsitzenden und den von CSU-Chef Söder. In Bayern erreichte die CSU bei den Zweitstimmen 31,7 Prozent, ihr zweitschlechtestes Wahlergebnis seit 1949.

Cleverer Wahlkampf der SPD führt zum Sieg

Das Kopf-an-Kopf-Rennen am Sonntagabend entschied die SPD für sich, zum einen, weil die Sozialdemokraten von der Schwäche des Unionskanzlerkandidaten Laschet profitieren konnten, aber auch weil im Wahlkampfteam von Scholz einiges richtig gemacht wurde. Trotz der schweren Vorwürfe gegen Scholz im Zusammenhang mit Cum-Ex-Skandal, Wirecard, Warburg-Bank oder den Durchsuchungen der Staatsanwaltschaft im Bundesfinanzministerium konnte die SPD in der Wählergunst um 5,5 Prozent zulegen. Norbert Walter-Borjans und Saskia Esken, die beiden SPD-Parteivorsitzenden, hielten sich in den letzten Monaten geschickt zurück, demonstrierten Einigkeit nach außen hin und stärkten dem Kanzlerkandidaten der Sozialdemokraten den Rücken.

SPD-Doppelspitze: Klimaziel kein Widerspruch zu wirtschaftlicher Stabilität und sozialer Gerechtigkeit

Es bleibt abzuwarten, wie sich die Parteilinke der SPD verhält und welche Forderungen sie in möglichen Koalitionsverhandlungen stellen wird. Steuererhöhungen für Unternehmen, die den Wirtschaftsstandort Deutschland weniger attraktiv machen, würde die FDP blockieren, eine Abkehr von den vorgegebenen Klimazielen könnte die Grünen auf die Barrikaden bringen. Aber die SPD-Doppelspitze hatte bereits vor der Wahl angekündigt, der Klimaschutz stehe in keinem Widerspruch zu wirtschaftlicher Stabilität und sozialer Gerechtigkeit.

Die Zeit der großen Volksparteien ist vorbei

Trotz dieses Erfolgs der SPD befindet sich die bundesdeutsche Parteienlandschaft insgesamt seit Jahren in einem Wandel, denn die einstigen Volksparteien CDU/CSU und SPD erreichen immer weniger Menschen. Genau genommen hat jeweils ein Viertel der Wähler in Deutschland sein Kreuzchen bei diesen Parteien gemacht. Klarer Gewinner der Wahlen sind die Grünen unter Spitzenkandidatin Annalena Baerbock, die sich mehr Stimmen erhofft hatten und in Meinungsumfragen zeitweilig als zukünftige Kanzlerin betrachtet wurde. Einige Auftritte im Fernsehen und Aussagen in Interviews ließen Zweifel an der Kompetenz Baerbocks aufkommen. Ein weiterer Gewinner ist die FDP unter Parteichef Christian Lindner mit 11,5 Prozent Stimmenanteil. Beide Parteien sind mit ihren Wahlergebnissen zu Königsmachern avanciert und können sich aussuchen, ob sie mit SPD oder CDU die Regierung stellen wollen.

Linkspartei verliert mit unklarem Lösungskonzept

Ein weiterer Verlierer dieser Bundestagswahl ist die Linkspartei. Nach vorläufigen Ergebnissen ist sie zwar mit 4,9 Prozent an der Fünf-Prozent-Hürde gescheitert, konnte dafür aber drei Direktmandate holen und zieht damit in Fraktionsstärke in den Bundestag einzieht. Gegenüber der letzten Wahl 2017 ist dies ein Verlust von 4,3 Prozent. Der ehemaligen ostdeutschen Regionalpartei ist es nicht gelungen, klare Lösungskonzepte für die Probleme in Deutschland zu liefern. Mit wirtschaftsfeindlichen Forderungen, dem Ansinnen nach sozialer Gerechtigkeit, das nicht finanzierbar, ist und realitätsfernen außenpolitischen Aussagen wie der Auflösung der NATO wurden potenzielle Wähler eher abgeschreckt. Das Gespenst einer rot-rot-grünen Koalition, das in den letzten Monaten umging und bei der deutschen Wirtschaft für Anspannung sorgte, ist nach dem jetzigen Wahlausgang verflogen, da es auch rein rechnerisch keine Mehrheit für eine solche Koalition gibt.

Erneuter Wahlerfolg der AfD in Ostdeutschland deutet auf Ost-West-Gefälle hin

Die offen ausländerfeindliche Partei Alternative für Deutschland (AfD) fuhr mit 10,3 Prozent gegenüber 12,6 Prozent bei der letzten Wahl ein Minus von 2,3 Prozent ein. Sie gilt als Sammelbecken für Rassisten und Rechtsextremisten und holte bei dieser Bundestagswahl in Thüringen und Sachsen die meisten Stimmen. Im Westen der Republik gab es überall ein Minus und einstellige Werte, in Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern lag die AfD auf Platz zwei, was auf ein Ost-West-Gefälle hindeutet.

Mehrere Optionen zur Regierungsbildung

Wer in Deutschland für die nächsten vier Jahre die Regierung stellen wird, hängt von zahlreichen Faktoren ab. Neben den genannten Optionen eines Jamaika-Bündnisses oder einer Ampelkoalition ist auch eine Neuauflage der großen Koalition möglich, aber angesichts der letzten 16 Jahre der Ära Merkel und der Aussagen der Parteispitzen von CDU/CSU und SPD weniger wahrscheinlich. Armin Laschet hat der CDU/CSU die größte Wahlniederlage ihrer Geschichte beschert, und es wäre folgerichtig, wenn er daraus die Konsequenzen zieht und den CDU-Vorsitz einem anderen Kandidaten überlässt. Olaf Scholz hat den Sozialdemokraten einen hauchdünnen Wahlsieg beschert, der seiner Partei die Bildung einer Koalitionsregierung unter seiner Führung ermöglicht.

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