06.10.2021, Berlin: Eine Ampel vor dem Reichstagsgebäude leuchtet in einer Langzeitbelichtung in allen drei Phasen, wobei sich der Straßenverkehr als Leuchtspuren abzeichnet. (dpa)
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Die Koalitionsverhandlungen, die am Donnerstag, den 21. Oktober begonnen haben, werden voraussichtlich in den nächsten Wochen fortgesetzt, bis vermutlich einer Ampel-Koalition aus SPD, Grünen und FDP nichts mehr im Wege steht. Eine Ampel-Koalition gab es zwar bereits einige Male auf Landesebene, ging aber meistens früher als geplant zu Ende. So stellen die aktuellen Bemühungen von SPD, Grünen und FDP ein erstmaliges Experiment auf Bundesebene dar, dessen Chancen auf erfolgreiche Koalitionsbildung aber als relativ gut eingeschätzt werden.

Allein aufgrund der Tatsache, dass die Unionsparteien derzeit interne Schwierigkeiten zu bewältigen haben, scheint es unwahrscheinlich, dass es doch noch zu einer Jamaika-Alternative kommt. Zwar gab es Kritik seitens einiger Unionsmitglieder bezüglich des kürzlich veröffentlichten Ampel-Sondierungspapiers. Doch äußerten sich Friedrich Merz und Armin Laschet zunächst positiv darüber, wobei Letzterem zufolge das Sondierungspapier „in Ordnung“ sei. Einige Tage später jedoch kritisierte Laschet, bezüglich des Themas Außenpolitik sei kein Interesse im Ampel-Bündnis vorhanden. Laschet zufolge habe die Union ein „Modernisierungsprogramm“ im Rahmen eines Jamaika-Bündnisses angeboten, das „auch im Bundesrat stabile Mehrheiten“ hätte haben können. Die Ampel-Parteien scheinen aber aktuell das konkrete Ziel zu verfolgen, bis Anfang Dezember im Bundestag den SPD-Kanzlerkandidaten Olaf Scholz als nächsten Bundeskanzler zu wählen.

In den 22 Arbeitsgruppen, an denen bis zu 300 Politikerinnen und Politiker teilnehmen, wird es sicherlich zu ausführlichen Verhandlungen kommen. Zwar werden laut Sondierungspapier Themen wie Aufweichung der Schuldenbremse und Steuererhöhungen nicht Basis der kommenden Koalitionsregierung sein, was letztendlich zugunsten der FDP zu sprechen scheint. Doch stellt sich weiterhin die wichtige Frage, wie es gleichzeitig mit der Finanzierung all jener beabsichtigten Investitionen aussehen wird. Diesbezüglich kann es in den kommenden Wochen zu detaillierten Verhandlungen kommen. Dieses Thema wird sicherlich auch zusammen mit der medial und politisch aktuellen Frage aufgegriffen, ob sich FDP-Chef Christian Lindner oder Grünen-Co-Chef Robert Habeck als Bundesfinanzminister durchsetzen kann.

Zudem könnten weiter Unstimmigkeiten im Hinblick auf die bereits fertiggestellte Pipeline Nord Stream 2 entstehen, da Grünen-Co-Chefin Annalena Baerbock ihrer kritischen Haltung gegenüber dem abgeschlossenen Projekt kürzlich erneut Ausdruck verlieh. Baerbock äußerte die Meinung, man solle zunächst keine Betriebserlaubnis für die Pipeline erteilen, da ansonsten ein Verstoß gegen EU-Recht drohe. Während Grüne und FDP dem deutsch-russischen Projekt ohnehin kritisch gegenüberstanden, wird das Projekt von der SPD unterstützt. Sowohl SPD als auch Union hatten in den letzten Jahren trotz Kritik seitens der US-Regierung am Projekt festgehalten. In Anbetracht aktueller Entwicklungen könnte somit diese Thematik auch innerhalb der nächsten Bundesregierung zu unterschiedlichen Positionen führen.

Es steht zu erwarten, dass SPD und Grüne im Gegensatz zur FDP bei mehreren Punkten näher beieinander liegen werden. Die derzeit motivierenden Aussagen, es seien viele „Schnittmengen“ zwischen allen drei Parteien vorhanden, werden die Verhandlungen aber nicht leichter machen. Vor allem aus Sicht der FDP könnten während der Koalitionsverhandlungen noch einige Themenpunkte konkret zu klären sein. Gleichzeitig könnte die FDP auch der Kritik ausgesetzt werden, keinem eventuellen „Linksruck“ innerhalb einer Ampel-Regierung zuzustimmen. Ob sich die Verhandlungen, die schließlich eine Herausforderung für alle drei Parteien darstellen, zu einem Balanceakt entwickeln werden, bleibt abzuwarten.

Im Allgemeinen scheint es aber derzeit, dass alle drei Parteien ein deutliches Interesse an einem Ampel-Bündnis aufweisen und sich dahingehend auch bemühen. Doch welche diesbezüglichen Zugeständnisse tatsächlich und in welchem Ausmaß gemacht werden können, wird sich erst in den nächsten Wochen herauskristallisieren. Ungeachtet schwieriger Themen wie Migration, Steuerpolitik oder Klimaschutz, bei denen sich die Parteien voneinander unterscheiden, sollten die Diskussionen sowohl innerhalb der Arbeitskreise als auch medial nicht auf Personalfragen reduziert werden. Zwar waren Personen bei den Bundestagswahlen und den anschließenden Koalitionsverhandlungen schon immer von großer Bedeutung. Dennoch sollte nicht außer Acht gelassen werden, dass sich zum ersten Mal auf Bundesebene drei Koalitionspartner verständigen müssen. Dies dürfte sich auch bei der Ressortverteilung bemerkbar machen. Interessant zu beobachten wird sein, welche der drei Parteien die bessere Strategie und – in Anbetracht der Meinungsunterschiede während der Verhandlungen – das bessere Verhandlungsgeschick aufweisen wird.

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