Coronavirus verunsichert die Weltwirtschaft (dpa)
Folgen

Die Ausbreitung des neuartigen Coronavirus zwingt Unternehmen rund um den Globus zum Handeln. Teils wirkt sich die Epidemie bereits jetzt auf Geschäfte aus. Der Lufthansa-Konzern hat ein Programm zur Kostensenkung gestartet. Geplante Neueinstellungen werden überprüft, ausgesetzt oder auf einen späteren Zeitpunkt verschoben. Darüber hinaus sollen die Mitarbeiter zu unbezahltem Urlaub und geringeren Arbeitsvolumen in Teilzeit bewegt werden. Die Lufthansa Group hat bis Ende März sämtliche Passagierflüge zum chinesischen Festland gestrichen. Auch für Verbindungen nach Hongkong kündigte der Konzern wegen der schwachen Nachfrage weitere Streichungen an. Die weltgrößte Tourismusmesse ITB (4. bis 8. März) verschärft auf Anweisung der Gesundheitsbehörden die Vorgaben. Aussteller, die innerhalb der vergangenen 14 Tage in den jeweiligen Risikogebieten in China, Iran, Italien oder Südkorea waren, Kontakt zu einer infizierten Person hatten oder Anzeichen typischer Symptome wie Fieber, Husten oder Atembeschwerden haben, erhalten keinen Zutritt zum Messegelände. Alle Aussteller müssten eine Erklärung ausfüllen als Voraussetzung für den Zugang. Wer zur Risikogruppe gehöre oder sich weigere, die Erklärung auszufüllen, erhalte keinen Zutritt.

Spirituosenkonzern Verluste in Millionenhöhe

Spirituosenkonzern wie Smirnoff Wodka, Zacapa Rum, Johnnie Walker Whisky rechnen mit erheblichen Auswirkungen auf das laufende Geschäft. Der organische Nettoumsatz im Geschäftsjahr 2019/20 (bis Ende Juni) dürfte wegen des Virus zwischen 225 und 325 Millionen Pfund (268,68 bis 388,08 Mio Euro) geringer ausfallen, Viele Bars und Restaurants in China seien geschlossen, was zu einem erheblichen Einbruch im Geschäft führe. Andere Spirituosenhersteller wie Pernod Ricard und Remy Cointreau hatten ihre Prognosen bereits gekürzt.

Der französische Lebensmittelkonzern Danone stutzt seine Jahresziele für 2020. Bisher war das Management für das laufende Jahr von einem flächenbereinigten Umsatzwachstum von 4 bis 5 Prozent ausgegangen. Nun sollen es 2 bis 4 Prozent werden. In China hat die Ausbreitung des neuartigen Virus bereits auf die Umsätze im Wassergeschäft sowie im Geschäft mit Babynahrung gedrückt.

Strenge Sicherheitsmaßnahmen verursachen zusätzliche Kosten

Die Veranstalter der Reifenmesse Tire Technology Expo in Hannover haben strenge Sicherheitsmaßnahmen ergriffen. Besucher oder Mitarbeiter, die in die Halle wollten, müssten schriftlich bestätigen, in den 17 Tagen vor ihrer Ankunft nicht in China gewesen zu sein. Auch müssten sie bestätigen, keine Grippe oder Lungenentzündung zu haben und kein Träger des neuen Coronavirus zu sein. Beim Einlass werde bei jedem Besucher per elektronischem Screening zudem die Temperatur gemessen.

Hafenwirtschaft blickt in ein ungewisse Zukunft

Die Folgen der Coronavirus-Epidemie dürften sich in absehbarer Zeit auch in den Häfen von Wilhelmshaven und Bremerhaven bemerkbar machen. Zwar seien die konkreten Auswirkungen auf den Seehandel mit China noch unklar. Aber sicher sei, dass es sie geben werde, hieß es bei Bremenports.

Im JadeWeserPort in Wilhelmshaven ist nach Angaben des Terminalbetreibers Eurogate derzeit noch nichts zu spüren. Aber mit Blick auf gestrichene Schiffsabfahrten in Asien sei das wohl nur eine Frage der Zeit. Die Ausbreitung des neuen Coronavirus Sars-CoV-2 bringt die Lieferketten durcheinander und bremst die internationale Schifffahrt.

Die genauen Auswirkungen seien jedoch noch offen und würden teilweise durch die ohnehin üblichen Ferien zum chinesischen Neujahrsfest überdeckt, hieß es am Mittwoch beim Verband Deutscher Reeder (VDR) in Hamburg. Es sei jedoch festzustellen, dass die Charterraten für Massengutschiffe teilweise um 30 bis 40 Prozent oder noch mehr zurückgegangen seien, je nach Schiff, Ladung und Fahrtgebiet. Das liege an verminderten Rohstoff-Importen durch China: Da die Fabriken zeitweise kaum produzierten, benötigten sie auch weniger Rohstoffe. Bisher keine „auffällige Nachfrageverstärkungen“ im Lebensmittelhandel

Die Angst vor dem neuartigen Coronavirus hat bisher in Deutschland nach Angaben großer Lebensmittelhändler noch nicht zu auffälligen Hamsterkäufen geführt. Eine Rewe-Sprecherin sagte der Deutschen Presse-Agentur, weder bei Rewe noch bei der konzerneigenen Discounterkette Penny seien bisher „auffällige Nachfrageverstärkungen“ festzustellen. Auch ein Sprecher der SB-Warenhauskette Real sagte: „Wir spüren absolut noch gar nichts.“ Der Bergbaukonzern blickt angesichts der Ausbreitung des neuartigen Coronavirus vorsichtig in die Zukunft. „Wir schauen uns die Auswirkungen des Coronavirus genau an und haben uns auf kurzfristige Beeinflussungen wie etwa Probleme bei Lieferketten vorbereitet“, sagte Unternehmenschef Jean-Sebastien Jacques. Momentan erreichten die Produkte die Kunden. Allerdings könnte die aktuelle Lage zu großen, kurzfristigen Unsicherheiten führen.

Konjunkturprognose für China und die Weltwirtschaft gesenkt

Der Internationale Währungsfonds (IWF) senkte bereits seine Konjunkturprognose für China und die Weltwirtschaft. Die globale Wirtschaft werde voraussichtlich um 0,1 Prozentpunkte weniger wachsen als bisher angenommen. IWF-Chefin Kristalina Georgiewa räumte ein, es gebe noch große Unsicherheiten. „Viele Szenarien können sich abspielen, je nachdem, wie schnell das Virus eingedämmt wird und wie schnell sich die chinesischen und anderen betroffenen Volkswirtschaften wieder normalisieren.“ Nach Einschätzung von Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer dürfte das Virus die Industrierezession in Deutschland um ein paar Monate verlängern. Das erste Quartal werde in China schlecht ausfallen. „Es ist gut möglich, dass dies das deutsche Bruttoinlandsprodukt im ersten Quartal wegen sinkender Exporte und fehlender Zulieferungen schrumpfen lässt.“ KfW-Chefvolkswirtin Fritzi Köhler-Geib rechnet damit, dass sich die wirtschaftliche Stagnation in Deutschland zunächst fortsetzt. Sollte die Corona-Epidemie länger andauern und auch andere Weltregionen stärker in Mitleidenschaft ziehen, würden allerdings gravierende Auswirkungen unter anderem auf den Außenhandel wahrscheinlicher. „Die Situation in Italien macht mir deshalb Sorgen.“

Die deutsche Wirtschaft warnte vor den Folgen der Coronavirus-Krise in Italien. „Die rasche Ausbreitung des Virus insbesondere im Norden trifft das Wirtschaftszentrum Italiens und sorgt aktuell für zusätzliche Verunsicherung der deutschen Exportwirtschaft“, sagte Volker Treier, Außenwirtschaftschef des Deutschen Industrie- und Handelskammertags (DIHK).

Finanzhilfen in Milliardenhöhe für Hongkongs Bürger

Hongkongs Regierung hat den Bürgern der chinesischen Sonderverwaltungszone wegen der anhaltenden Konjunkturschwäche Finanzhilfen in Milliardenhöhe zugesagt. Erwachsene mit festem Wohnsitz in Hongkong sollen 10.000 Hongkong-Dollar (etwa 1180 Euro) erhalten, teilte die Regierung der Metropole am Mittwoch mit. Hongkongs Wirtschaft leidet seit Monaten unter den Auswirkungen politischer Proteste sowie des Coronavirus-Ausbruchs.

Finanzsekretär Paul Chan sagte in einer Rede, dass „entscheidende Maßnahmen“ ergriffen werden müssten, die wirtschaftlichen Probleme der Stadt anzugehen. Die Finanzhilfen aus dem milliardenschweren Budget der Stadt sollen die Bürger entlasten und gleichzeitig den Konsum in Hongkong ankurbeln. Insgesamt sollen aus dem Haushalt von 120 Milliarden Hongkong-Dollar (etwa 14,16 Milliarden Euro) 71 Milliarden Hongkong-Dollar für rund sieben Millionen Menschen bereitgestellt werden. Chan rechnet durch die Maßnahme mit einem höheren Defizit. „Obwohl im Haushalt für das nächste Jahr ein rekordverdächtiges Defizit vorgesehen ist, glaube ich, dass wir nur mit einem solchen Haushalt unserer Gemeinde und den lokalen Unternehmen helfen können, ihre Schwierigkeiten zu überstehen“, sagte Chan.

Oxford Economics rechnet mit globalem Wachstumseinbruch

In einem Interview mit dem Guardian warnte das Beratungsunternehmen Oxford Economics vor einem globalen Wachstumseinbruch. Sollte sich das Virus weltweit weiter ausbreiten, könnte das ein Einbruch des Wirtschaftswachstums nach sich ziehen.

Laut Oxford Economics wird Chinas Brutto-Inlands-Produkt (BIP) von 6 Prozent im letzten Jahr auf 5,4 Prozent im Jahr 2020 fallen. Wenn sich das Virus aber über Asien hinaus zu einer globalen Pandemie entwickelt, würde das weltweite BIP 2020 nach bisherigen Einschätzungen um 0,5 Prozent sinken.


dpa