27.05.2021, Kanada, Kamloops: Eine Gedenktafel ist außerhalb der ehemaligen Kamloops Indian Residential School zu sehen. Überreste von 215 Kindern kanadischer Ureinwohner sind jüngst auf dem Grundstück einer sogenannten Residential School entdeckt worden. Sie seien bei Radar-Untersuchungen des Grundstücks in der Nähe der Stadt Kamloops im Westen Kanadas gefunden worden. (dpa)
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Auf dem Gelände eines ehemaligen Internats für Kinder von Ureinwohnern in Kanada sind die sterblichen Überreste von 215 Kindern gefunden worden. Die Überreste seien mit einem speziellen Sonargerät entdeckt worden, hieß es aus der indigenen Gemeinschaft Tk'emlups te Secwepemc am Donnerstagabend. Einige der toten Kinder seien zum Zeitpunkt ihres Todes erst drei Jahre alt gewesen, sagte die Leiterin der indigenen Gemeinschaft, Rosanne Casimir. Das katholische Heim nahe der Kleinstadt Kamloops war vor über hundert Jahren eröffnet worden, um Kinder von Ureinwohnern zwangsweise in die Gesellschaft der europäischen Einwanderer zu assimilieren.

Der Tod der Kinder sei von der damaligen Schulleitung nie dokumentiert worden, obwohl ihr Verschwinden von Mitgliedern der Gemeinde gemeldet worden wäre. Wie die Kinder ums Leben kamen, ist noch unklar. Die Gemeinde will nun mit Gerichtsmedizinern und Museen in der Gegend zusammenarbeiten, um die Umstände aufzuklären. Die vorläufigen Ergebnisse sollen noch im Juni in einem Untersuchungsbericht veröffentlicht werden.

Die kanadische Ministerin für die Beziehungen zu indigenen Einwohnern, Carolyn Bennett, erklärte bei Twitter: „Es bricht mir das Herz für die Familien und Gemeinden, die von dieser tragischen Nachricht betroffen sind.“

Das ehemalige Internat, das von einer Sozialeinrichtung der katholischen Kirche im Auftrag der kanadischen Regierung betrieben wurde, war eine von 139 solcher Einrichtungen, die gegen Ende des 19. Jahrhunderts in Kanada errichtet worden waren. Es wurde 1890 eröffnet und hatte in den 1950er Jahren bis zu 500 Schüler. Erst 1969 wurde das Internat geschlossen.

Nach Angaben der indigenen Gemeinde beschwerte sich der Schulleiter des Heims in Kamloops im Jahr 1910 darüber, dass die Regierung nicht genug Geld zur Verfügung stelle, um „die Schüler angemessen zu ernähren“.

In Kanada waren ab 1874 rund 150.000 Kinder von Indianern, Mestizen und Inuit von ihren Familien und ihrer Kultur getrennt und unter Zwang in kirchliche Heime gesteckt worden, um sie so zur Anpassung an die weiße Mehrheitsgesellschaft zu zwingen. Viele von ihnen wurden Berichten zufolge in den Heimen misshandelt oder sexuell missbraucht. Mindestens 3200 Kinder starben, die meisten an Tuberkulose.

Viele indigene Gemeinschaften machen die Heime, die ganze Generationen geprägt haben, für heutige soziale Probleme wie Alkoholismus, häusliche Gewalt und erhöhte Selbstmordraten verantwortlich. Ottawa entschuldigte sich im Jahr 2008 offiziell bei den Überlebenden der Internate. Trotzdem gibt es immer noch Diskriminierung und Ungleichheit. Eine Untersuchungskommission im Jahr 2015 stellte fest, dass die indigene Gemeinschaft Opfer eines „kulturellen Genozids“ gewesen sei.

AFP