19.02.2021, Hessen, Hanau: Ein Plakat „#say their names“ wird auf der Kundgebung zum Gedenken an den rassistischen Anschlag in Hanau hochgehalten. / Photo: DPA (dpa)
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Vier Jahre nach dem rassistischen Anschlag von Hanau hat die Antidiskriminierungsbeauftragte des Bundes, Ferda Ataman, den deutschen Staat massiv für seinen Umgang mit Hinterbliebenen und Betroffenen kritisiert. Ataman sagte den Tageszeitungen der Funke Mediengruppe (Sonntagsausgaben): „Staat und Behörden in unserem Land haben die Pflicht, nach einem Anschlag wie in Hanau Konsequenzen zu ziehen, damit sich solche Taten nicht wiederholen. Leider muss man sagen: Deutschland hat darin bisher versagt.“

„Auch vier Jahre nach dem Terroranschlag fühlen sich viele Betroffene und Angehörige von Staat und Behörden alleingelassen“, sagte Ataman. Sie verwies darauf, dass sich der hessische Innenminister noch immer nicht für die „dokumentierten Fehler der Polizei“ entschuldigt und es weiterhin kein offizielles Mahnmal für die Opfer auf dem zentralen Marktplatz von Hanau gebe.Noch immer würden Angehörige vom Vater des Täters drangsaliert.

Am 19. Februar 2020 hatte der 43-jährige Tobias R. in Hanau neun Menschen mit Migrationshintergrund, seine Mutter und sich selbst getötet. Am Montag soll in einer Gedenkstunde auf dem Hauptfriedhof der Stadt an die Opfer erinnert werden.

Ataman: Muslime und Geflüchtete nicht zu „Sündenböcken“ erklären

Mit Blick auf die politischen Folgen des Attentats kritisierte Ataman insbesondere die FDP-Bundestagsfraktion scharf dafür, dass sie aus ihrer Sicht das Demokratiefördergesetz verschleppe. „Es ist ein Armutszeugnis, dass die FDP es blockiert und als angeblich linkes Ideologieprojekt verhetzt“, sagte Ataman. Die Verzögerung sei ein „beschämendes Signal an Millionen von Menschen, die sich in Deutschland gegen Extremismus engagieren“.

Ataman warnte davor, Geflüchtete und Muslime zu „Sündenböcken“ zu erklären und so Rassismus zu befeuern. „Man kann kritische Migrationsdebatten führen, ohne Muslime und Migranten zu Sündenböcken für die Probleme im Land zu erklären. Trotzdem geschieht genau das immer wieder.“

Menschen mit Migrationsgeschichte würden auch nach dem Anschlag von Hanau noch „öffentlich stigmatisiert“, sagte Ataman. Das müsse ein Ende haben. Weiter sagte sie: „Migration und Vielfalt gehören zu Deutschland wie die Bratwurst und Schrebergärten.“

Ein Untersuchungsausschuss hatte Ende 2023 den staatlichen Behörden mehrere Versäumnisse attestiert. „Sowohl vor als auch nach der Tat sind von Behörden Fehler gemacht worden, die durch den Untersuchungsausschuss aufgeklärt werden konnten“, hieß es im Abschlussbericht.

„An einigen Stellen besteht Grund zu der Annahme, dass ein anderes Handeln der zuständigen Behörden, das Durchführen der Tat erschwert hätte. Dies gilt für die Erteilung der Waffenbesitzkarte, die Erreichbarkeit des Notrufs, die Verschlussverhältnisse des Notausgangs und den Umgang mit den Angehörigen der Opfer“, folgerten die Experten.

TRT Deutsch und Agenturen