Der Screenshot vom niederländischen Fernsehen zeigt holländische UN-Soldaten in Potočari, Bosnien-Herzegowina, vor Hunderten von muslimischen Zivilisten, die aus dem nahegelegenen Srebrenica vor serbischem Terror geflüchtet waren. (dpa)
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Als sich die Präsidenten von Serbien, Kroatien und Bosnien-Herzegowina im November 1995 in der US-Luftwaffenbasis Dayton (US-Bundesstaat Ohio) einfanden, unterwarfen sie sich ungewöhnlichen Regeln. Wie bei einer Papstwahl sollten Slobodan Milošević, Franjo Tudjman und AlijaIzetbegović, nahezu abgeschottet von der Außenwelt und unter amerikanischer Vermittlung so lange miteinander verhandeln, bis eine Friedenslösung für den seit mehr als drei Jahren tobenden blutigen Krieg in Bosnien gefunden war.

Fast 100.000 Menschen starben bei Kämpfen und bei Massakern an unbewaffneten Zivilisten. Hunderttausende wurden vertrieben, Städte grausam von Artillerie und Scharfschützen belagert, ganze Landstriche verwüstet, Dörfer mutwillig niedergebrannt. Die meisten Opfer waren bosnische Muslime. Miloševićund Tudjman hatten sich darauf verständigt, Bosnien untereinander aufzuteilen. Die Siedlungsgebiete der ethnischen Serben und Kroaten sollten an das jeweilige „Mutterland“ angeschlossen werden. Serbien beanspruchte und annektierte aber auch Gebiete, in denen wenige oder keine Serben lebten, um ein gebietsmäßig kohärentes „Groß-Serbien“ herzustellen. Die Nicht-Serben wurden vertrieben oder systematisch ermordet.

Im Herbst 1995 hatte sich jedoch die strategische Lage gewendet. Militärische Erfolge der Kroaten und Bosnier setzten den serbischen Para-Staat in Bosnien unter Druck. Die Nato-Artillerie hatte den serbischen Belagerungsring um Sarajevo nach mehr als drei Jahren gesprengt. Dies trug dazu bei, dass die drei Präsidenten in Dayton ihre vorläufige Unterschrift unter das Friedensabkommen setzten. Formell unterzeichneten sie es dann am 14. Dezember in Paris.

Der Kern des Abkommens: Bosnien-Herzegowina blieb als Ganzes erhalten, allerdings als eher schwacher Gesamtstaat. Zwei Landeshälften – sogenannte „Entitäten“ – wurden geschaffen: die Föderation BiH, hauptsächlich bewohnt von muslimischen Bosniern und Kroaten, und die Serbenrepublik (Republika Srpska), hauptsächlich bewohnt von Serben. Die internationale Gemeinschaft stellte eine Nato-geführte Schutztruppe, um die militärische Befriedung abzusichern, und einen sogenannten Hohen Repräsentanten. Dieser konnte in die Politik eingreifen, wenn die lokalen Politiker gegen Geist und Buchstaben des Dayton-Abkommens verstießen.

In der bosnischen Stadt Srebrenica ereignete sich während des Bosnien-Kriegs der größte Völkermord in Europa seit dem Zweiten Weltkrieg. Mehr als 8000 muslimische Jungen und Männer wurden dort im Juli 1995 von serbischen Truppen skrupellos massakriert, Frauen wurden systematisch vergewaltigt. Heute noch werden Überreste der ermordeten Bosniaken in Massengräbern gefunden. Durch aufwändige DNA-Analysen werden sie den Opfern zugeordnet und beigesetzt.


dpa