Mehrere Fernsehbildschirme zeigen Nachrichten in einem dunklen Studio an (Getty Images)
Folgen

Die langjährigen Spannungen zwischen dem Westen und Russland traten mit der russischen Invasion in der Ukraine in eine neue Phase. Die augenscheinlich wachsende Wahrscheinlichkeit, dass Russland wohl nicht in der erhofften Zeit die angestrebte Besetzung der Ukraine abschließen kann, führt zu einer intensivierten Unterstützung des Westens für die Ukraine. Neben den beschlossenen Wirtschafts- und Militärhilfen für die Ukraine unterstreicht die Schließung des europäischen Flugraums für Russland und der Rauswurf ausgewählter russischer Banken aus dem SWIFT-Zahlungssystem, über das der internationale Geldtransfer abgewickelt wird, dass in diesem Krieg inzwischen alle Optionen auf dem Tisch liegen. Ebenso ist in diesem Zusammenhang bemerkenswert, dass globale Social-Media-Unternehmen Maßnahmen eingeleitet haben, um der unterstellten bzw. mutmaßlichen Desinformationspolitik Russlands Einhalt zu gebieten. Die von EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen verkündeten Verbote von Russia Today und Sputnik in der EU sind konkrete Widerspiegelungen der auch gegen Medien ausgesprochenen harten Sanktionen. Auch ist es offensichtlich, dass sowohl die Nato als auch die USA im Rahmen ihres STRATCOM-Konzepts die Russland unterstellte hybride Kriegsführung schon längst auch selbst immer häufiger auf die Tagesordnung setzen.

Kriegskonzepte im Wandel: Hybride Kriegsführung

Im aktuellen Krieg zwischen Russland und der Ukraine ist die so genannte hybride Kriegsführung, die im Rahmen einer ganzheitlichen Strategie neben den militärischen Mitteln politische und wirtschaftliche Ressourcen sowie informationelle und technologische Möglichkeiten vereint, um das anvisierte Ziel zu erreichen, besonders eindrucksvoll zu beobachten. Nicht ohne Grund betonte in diesem Zusammenhang der Hohe Repräsentant der Europäischen Union Josep Borrell kürzlich, Russland sei nicht nur physisch in die Ukraine einmarschiert, sondern versuche auch, mit „vergifteten Botschaften“ und Fake News die Gemütslage der Menschen zu manipulieren. Borrells Ankündigung, neben offiziellen Kanälen wie Russia Today und Sputnik auch die von Russland im Cyberspace produzierten Bedrohungen zu beseitigen und darüber hinaus Unwägbarkeiten im Informationsbereich zu beenden, unterstreicht deutlich die Dimensionen hybrider Kriegsführung im aktuellen Konflikt. Plattformen wie die 2015 ins Leben gerufene „EU vs. Desinformation“ verfolgen das Ziel, die Desinformationspolitik gegenüber europäischen Ländern, insbesondere auch der Ukraine, zu neutralisieren, und zeigen, wie ernst die Bedrohung in diesem Bereich genommen wird.

Der Kampf Russlands und der Ukraine im Cyberspace

Ein von westlichen Quellen immer wieder erhobener Vorwurf ist, Russland verbreite über TikTok manipulative Videos, um den Krieg gegen die Ukraine um eine psychologische Dimension zu erweitern. Auch gibt es Vorwürfe, Russland versuche, die Invasion der Ukraine mittels Troll-Armeen und Bot-Konten verbreiteten Nachrichten über einen angeblichen Völkermord in der von Separatisten beanspruchten Ost-Ukraine zu legitimieren. Neben klassischen und modernen Instrumenten kamen in den letzten Tagen auch Cyberangriffe zum Zug, um den Kriegsverlauf zu beeinflussen. Belarus beispielsweise, das Russlands Invasion in der Ukraine auch physisch unterstützt, richtet sich mit der Hackergruppe UNC1151 gegen die Ukraine und verantwortete zahlreiche Cyberangriffe. Gruppen wie Free Civilian, Cooming Project, Ransomware und CyberGhost unterstützen Russland in den sozialen Medien und versuchen, Russlands Position im Krieg mit der Verbreitung von antiwestlichen Inhalten zu legitimieren.

Dass die Ukraine in diesen Tagen, in denen sie auch eine „Cyber-Mobilmachung“ ausgerufen hat, Unterstützung von der Europäischen Union in puncto Humankapital, Ausbau der technischen Kapazitäten und Aufbau eines Teams von eigenen Hackern erhalten hat, ist eine wichtige Entwicklung im Hinblick auf den Verlauf des Konflikts. In diesem Sinne zielen im Kampf gegen Russland die von der Ukraine gebildeten Cyber-Armeen (IT Army of Ukraine) mit Cyberangriffen auf russische staatliche Institutionen sowie weltbekannte Unternehmen wie Gazprom, Lukoil und Yandex, sodass sich die Ukraine nicht mehr nur verteidigt, sondern im Gegenteil in diesem Bereich aktiv eine Strategie verfolgt, die als Cyber-Offensive bezeichnet werden kann.

Zu diesem Zeitpunkt steht schon fest, dass der aktuelle Cyberkrieg nicht auf Staaten und nichtstaatliche Akteure beschränkt bleibt, sondern ebenso anonyme Cybergruppen in den Prozess eingreifen. Eines der wichtigsten Beispiele in dieser Hinsicht ist die Erklärung der weltberühmten Aktivistengruppe Anonymous, wonach sie die Datenbank der Website des russischen Verteidigungsministeriums infiltriert habe. Ebenso ist zu konstatieren, dass die Zahl der in sozialen Medien organisierten Cyber-Armeen, insbesondere auf Twitter, Telegram und Onion, von Tag zu Tag zunimmt und sich die Schwerpunkte der Auseinandersetzung verlagert haben. Die Unterstützung für die Ukraine durch Gruppen wie AgainstTheWest, Belarusian Cyber ​​​​Partisans, Anonymous, GhostSec, IT Army of Ukraine und Kelvin Security Hacking Team macht die Ukraine im Krieg um Informationen stark.

Nachdem die Spannungen zwischen den beiden Ländern in eine kriegerische Auseinandersetzung eskaliert sind, zeigt die Ausweitung auf die Felder Wirtschaft und Cyberspace als zusätzliche Fronten neben der militärischen Auseinandersetzung der ganzen Welt, dass sich der Charakter der Kriegsführung verändert hat und die hybride Kriegsführung nunmehr ein wichtiges Konzept darstellt. Es reicht nicht mehr aus, einen Krieg nur mit klassischen Mitteln zu führen, und entsprechend spielen hochentwickelte Informationstechnologien eine entscheidende Rolle bei der künftigen Kriegsführung, wie aktuell im Krieg zwischen Russland und der Ukraine deutlich wird. Diese Entwicklung macht es für jedes Land unabdingbar, seine Cyber- und Weltraumsicherheit in die jeweilige nationale Sicherheitsstrategie zu integrieren. Tatsächlich verfolgen Länder wie Israel, China, Russland, Iran, die Türkei und die Vereinigten Arabischen Emirate und ebenso die europäischen Staaten die Entwicklungen im Cyberspace und überarbeiten Tag für Tag ihre Verteidigungskonzepte.

Meinungsbeiträge geben die Ansichten des jeweiligen Autors und nicht die der Redaktion wieder. Für Anfragen wenden Sie sich bitte an: meinung@trtdeutsch.com