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Wer Österreich ein bisschen genauer kennt, weiß, dass die Alpenrepublik mehr als nur Mozart, Skifahren und die UNO-City zu bieten hat. Sie ist auch berühmt für die „österreichische Lösung“.

Wie bekommt man es hin, dass irgendwas passiert, weil etwas geschehen muss, ohne dass man jemanden vor den Kopf stößt und möglichst alle zufrieden stellt? Was für die einen nach der Quadratur des Kreises klingt, ist für die anderen das Wesen der „österreichischen Lösung“.

Das berühmteste Beispiel ist wohl das Kernkraftwerk Zwentendorf im Bundesland Niederösterreich. Allerdings wissen wir, dass Österreich kein AKW in Betrieb hat und dies auch in Zukunft so sein wird - da 1999 das „Bundesverfassungsgesetz für ein atomfreies Österreich“ verankert wurde.

Man hatte eben das Kraftwerk zuerst gebaut und erst nach Fertigstellung eine Volksabstimmung über dessen Nutzung abgehalten. So kam es, dass man heute gefahrlos ein 1:1 Atomkraftwerks-Modell besuchen kann. Ist auch etwas Schönes.

Die „österreichische Lösung“ zieht sich wie ein roter Faden durch die Geschichte und macht daher auch vor dem Handling der Corona-Krise nicht halt.

Die Strategie der Ankündigungen

Ein wesentlicher Teil des rot-weiß-roten Corona-Fadens sind die unzähligen Pressekonferenzen, die zumeist nur eines beinhalten: die Ankündigung. Was nichts ausmacht, geht es doch weniger um konkrete Information als um Medienpräsenz und Verbreitung des wohligen Gefühls, dass die Regierung auch in Zeiten des Unwohlseins stets für alle Österreicherinnen und Österreicher da ist.

Am 11. März 2020 wurde beispielsweise angekündigt, dass die Schulen ab nächster Woche geschlossen werden. Nicht alle auf einmal, versteht sich, sondern gestaffelt. Ab Montag, 16. März, galt der Unterricht für Schüler ab 14 Jahren und ab Mittwoch, 18. März, auch für alle anderen als vorübergehend eingestellt. Es wäre nicht Österreich, hätten alle Schultypen zeitgleich ihre Pforten geschlossen.

Der Passierschein A38 als Vorbild?

Was haben wir nicht alle mitgelitten, als Asterix und Obelix als eine von zwölf Aufgaben den Passierschein A38 aus dem „Haus, das Verrückte macht“ besorgen mussten.

Die österreichische Regierung soll gerüchteweise dermaßen von dieser Herausforderung angetan gewesen sein, dass sie die während und nach dem Lockdown gelangweilte Bevölkerung vor eine ähnliche Aufgabe stellte und noch immer stellt: um nämlich irgendeine Art der finanziellen Unterstützung zu bekommen, wenn man mit Umsatzeinbußen oder gar -ausfällen im eigenen Betrieb konfrontiert war oder ist.

Diese Art der Bespaßung wird von der Wirtschaftskammer betrieben, der gesetzlichen Interessensvertretung der Wirtschaftstreibenden. Das klingt besonders schön und soll sich harmonisch zum Corona-Überlebens-Slogan „Koste es, was es wolle“ gesellen.

Während Asterix und Obelix das System mit der Einführung des fiktiven „Passierschein A 39, wie er im neuen Rundschreiben B 65 festgelegt ist“ überlisten konnten, stehen die Betroffenen in Österreich vor dem Dschungel aus Härtefall-Fonds Phase 1, Härtefall-Fonds Phase 2 sowie demCorona-Hilfspaket und versuchen (oft erfolglos), die ihnen zustehenden Früchte zu ernten.

Der Präsident dieser Wirtschaftskammer ist ein gewisser Harald Mahrer. In Österreich ist er besonders dafür bekannt, dass er dank seiner schier unzähligen Posten - er ist nebenbei auch noch Präsident des Wirtschaftsbundes der ÖVP, Mitglied des Präsidiums der Österreichischen Sporthilfe, Obmann der Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft (SVA), Präsident des Wirtschaftsforschungsinstituts (WIFO) und Präsident der Österreichischen Nationalbank - Chuck Norris als Tausendsassa für Alles abgelöst hat. Das tut der Witzekultur gut.

In dieser Ersatz-Norris-Funktion und natürlich aufgrund seiner Expertise wissen die Bürger von ihm: „Das Beste, das wir für unser Land tun können, ist Geld ausgeben."

Ebenfalls schön an der österreichischen Lösung orientieren sich die Mietverträge in dieser heiklen Phase. Da ist es nämlich so, dass

- man Zwangsräumungen eigentlich nicht, aber unter Umständen doch durchführen darf,

- befristete Mietverträge verlängert werden können, aber nicht müssen.

Mit dem Babyelefanten zurück in die „neue Normalität“

Berühmt wurden in Österreich die Babyelefanten, die jedem Bürger Indikator für das Halten des neuen Abstands sein sollen. Diese sind, wie wir unlängst erfahren mussten, leider nicht allen und vor allem nicht dem Kanzler zugänglich. Vielleicht haben die klugen Babyelefanten aber auch die Flucht angetreten und wollten den Chef der„Angstmacher“ partout nicht ins Kleinwalsertal begleiten. So wurde der Kanzler wieder einmal Opfer! Ein Opfer der drängelnden Bevölkerung, der unachtsamen Journalisten und der fehlenden Elefanten.

Dank der neuen Normalität dürfen Gastronomiebetriebe seit dem 15. Mai wieder geöffnet sein. Dabei gilt, dass maximal vier Personen zuzüglich ihrer (in der Anzahl nicht beschränkten) minderjährigen Kinder an einem Tisch sitzen dürfen. Diese vier Personen müssen nicht aus dem gleichen Haushalt stammen und auch wird kein Nachweis verlangt, wenn es doch mehr sind. Warum genau die Betriebe von 6:00 bis ausgerechnet 23:00 Uhr geöffnet haben dürfen, ist nicht geklärt. Ebenso wenig, wie (berufstätige) Eltern damit umgehen sollen, wenn Kinder seit dem 18. Mai im Schichtbetrieb zur Schule gehen.

Trotz der österreichischen Lösung werden es alle schon irgendwie schaffen.

Kommen Sie gut durch diese herausfordernde Zeit!

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