Andreas Babler, neuer Vorsitzender der SPÖ, spricht bei einer Pressekonferenz nach der Neu-Auszählung der Stimmen vom SPÖ-Parteitag im Parlament in Wien. / Photo: DPA (dpa)
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Eine Geschichte von internen Querelen

Pamela Rendi-Wagner hielt als erste Frau in der Geschichte die Zügel der historischen SPÖ in den Händen. Doch die 2018 gewählte Parteichefin war kontinuierlich öffentlichen Angriffen vonseiten ihrer Parteigenossen ausgesetzt, insbesondere durch den Burgenländischen Landeshauptmann Hans-Peter Doskozil. Letzterer forderte schließlich mit einer Mitgliederbefragung die Parteichefin heraus und wurde Erstplatzierter, knapp gefolgt von dem zweiten Bürgermeister einer 17.000-EinwohnerInnen-Stadt, Andreas Babler, einem Mann ohne bestehenden Parteiapparat.

Letzten Samstag kam es sodann im erweiterten Parteivorstand, der an die 600 Personen zählt, zu einer Stichwahl, die nach erster Verlautbarung ebenso Hans-Peter Doskozil gewann. Zwei Tage später wurde dieses Ergebnis widerrufen, weil es zu einem Fehler kam. Seither steht fest: Andreas Babler, der Bürgermeister der Kleinstadt Traiskirchen, wird künftig Österreichs SozialdemokratInnen als Parteivorsitzender anführen.

Opposition echauffiert sich über das interne Wahldebakel

Für die Oppositionsparteien ist das Wahldebakel ein gefundenes Fressen. Sie echauffiert sich über die SPÖ und spricht ihr die Regierungsfähigkeit ab. Wer österreichischen Humor liebt, verfolgt die hämischen Aussagen über die Ereignisse am Tag der Wahl auf Twitter. Der lange an seiner Machtübernahme arbeitende Hans-Peter Doskozil, der gemeinhin (mitunter aufgrund seiner Positionen zu Fragen der Migration) dem rechten Flügel innerhalb der Partei zugerechnet wird, hat indes angekündigt, sich von der Bundespolitik zurückzuziehen, was noch nicht klärt, was mit seinem – auch bundespolitisch aktiven – Kernunterstützungsteam geschehen wird.

Eine wirklich vertane Chance für die SPÖ ist dabei, dass der fulminante Wahlsieg, der Doskozil noch am Samstag zugesprochen wurde, für Andreas Babler nun ausbleiben musste. Der für die Sache brennende und ideologisch klar links-stehende Babler beginnt seine bundespolitische Verantwortung nicht mit dem Elan, den seine feurige Wahlkampfrede zuletzt ausstrahlte.

Der Mann von Unten

Andreas Bablers Lebensgeschichte ist die eines Arbeiterkindes ohne höheren Schulabschluss. Er brennt für die Sache und seine Partei. Hinter ihm scharten sich Intellektuelle, viele Junge, aber auch so manch alte und zwischenzeitlich aus der Partei ausgetretene Mitglieder. Im Zuge der Mitgliederbefragung erhielt die SPÖ einen Zulauf von mehr als 9.000 neuen Mitgliedern, eine beachtliche Zahl im Zeitalter abnehmender Parteizugehörigkeit. Als Bürgermeister eines Industriestädtchens, das – nicht weit von der Grenze zu Ungarn – von den Migrationsbewegungen besonders betroffen war und ein Erstaufnahmezentrum beherbergt, hat er es verstanden, mit menschlichen Tönen Verständnis und Solidarität zu leben und gleichzeitig lokale Wahlen zu gewinnen.

Die bürokratisierte SPÖ hätte unter normalen Umständen nie eine Person seines Profils zum Vorsitzenden der Bundespartei gemacht. Es war den von Hans-Peter Doskozil ausgelösten internen Turbulenzen geschuldet, dass ein Außenseiter des Parteiapparats, der keine etablierte Landes- oder Unterorganisation hinter sich hatte, nun die Parteiführung in den Zügeln zu halten vermag. Entgegen der Prognose von einigen Politologen und teils herablassender Bemerkungen vonseiten der bürgerlichen Presse gelang es ihm, innerhalb der Partei ein Feuer der Begeisterung zu entfachen.

Demokratie von Unten

Nach Bestätigung seiner Wahl machte Babler dann auch klar, dass seine Wahl paradigmatisch für eine neue SPÖ stehen soll. Er will innerparteilich, so seine Ankündigung, „alle Bereiche der SPÖ mit Demokratie durchfluten”. Innerparteilich wird seine Herausforderung neben der bereits gut erprobten Mobilisierung von neuen Menschen in der Einbindung von Teilen des Parteiapparats liegen, um die gesamte Partei hinter sich zu wissen und vor allem Querschüsse wie in den letzten Jahren zu vermeiden.

Abseits der derzeitigen medialen Dauererregung über das Wahldebakel, das manche Oppositionsparteien in die Länge ziehen werden, wird dieses vermutlich bald als Anekdote vergessen werden und es werden jene Inhalte, für die Babler ganz besonders steht, wie etwa der Mindestlohn und kürzere Arbeitszeiten von 32 Wochenstunden, im Zentrum stehen müssen.

Neue Allianzen für ein neues Österreich?

Die Frage, die sich dann bei der nächsten Nationalratswahl stehen wird, ist eine ganz andere. Wird eine erstarkte Sozialdemokratie eine neue Regierung bilden können und dem Rechtsruck, manifestiert in der rechtspopulistischen FPÖ und der sich ihr inhaltlich anbiedernden Regierungspartei ÖVP verhindern können?

Die liberalen NEOS machen derzeit das Gegenteil, denn amikale Beziehungen zur neuen sozialdemokratischen Parteiführung zu signalisieren, was die Kluft in ökonomischen Fragen widerspiegelt. In Frage kämen vor allem die Grünen, aber auch die Kommunistische Partei, die zuletzt nach Wahlsiegen in Graz und Salzburg sowie steigenden Umfragewerten auf Bundesebene eventuell ein Faktor werden könnte.

Rot-dunkelrot-grün also? Primär wird es davon abhängen, inwiefern Babler mit seinem erdigen Auftreten auch den Rechten Wählerstimmen abzweigen kann, indem er einen linkspopulistischen Wahlkampf führt, ohne gleichzeitig den alten Parteiapparat vor den Kopf zu stoßen.

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