US-Präsident Trump (dpa)
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Donald J. Trump entzog sich immer schon einfachen Zuordnungen. Eigentlich hatte es über lange Zeiten fast als ausgemacht gegolten, dass er so gut wie keine Chancen haben werde, die Wahl gegen Hillary Clinton zu gewinnen. In den nationalen Umfragen lag er zumeist deutlich hinter Clinton. Es gab sogar das Gerücht, dass selbst er noch am Wahlabend positiv über seinen Sieg überrascht war. Nach dem Popular Vote hatte Trump eigentlich schon verloren, aber er konnte die Mehrheit der Wahlmännerstimmen auf sich ziehen, und das hatte schließlich gereicht.

In gewisser Hinsicht ist Trump konsequent sich selbst treu geblieben. Dass im Moment die amerikanischen Umfragewerte für ihn gar nicht so negativ sind, kann er sogar so interpretieren, dass sein Politikstil sich auszuzahlen beginnt. Es ist ein Politikstil, mit dem er sich scheinbar auf keine Kompromisse mit den Mainstream-Medien einlässt. Oft respektlos erscheinen seine medialen Botschaften über seine politischen Gegenspieler. Seine Außenpolitik kommt wiederkehrend nationalen amerikanischen Alleingängen gleich. Vielfach irritierend ist seine Ignoranz gegenüber ökologischen Themen. Aber auch wenn ihm in den europäischen und manchen internationalen Medien regelmäßig ein negatives Echo entgegenschlägt, so darf Trump dennoch nicht unterschätzt werden. Obwohl er in seinem politischen Team ein Hire-and-Fire praktiziert, ist davon auszugehen, dass er damit eine Strategie verfolgt - mit einer eigenen Rationalität. Es gibt sicherlich Themen, auf die Trump mit Recht verweist. So ist es für die USA nicht hinnehmbar, dass sich das amerikanische Handelsdefizit gegenüber China immer weiter vergrößert.

Über Twitter und Facebook etablierte er seinen eigenen und kostenlosen Medienkanal, mit dem er amerikanische Wähler und auch den Rest der Welt erreichte und erreicht. Also vielleicht sollte man doch in seinem Buch The-Art-of-the-Deal nachlesen, gemeinsam verfasst mit dem Journalisten Tony Schwartz, und schon erschienen damals 1987 bei Random House. Vielleicht lässt sich Michael Moore auch so interpretieren, dass sogar er, in seinem Trump-kritischen Filmschaffen, dem US-Präsidenten manchmal einen gewissen Unterhaltungswert zuerkennt.

Man kann sich vorstellen, wie Trump die Regie für seine Wiederwahlkampagne aufsetzen wollte. Die ökonomischen Parameter zeigten auf einen soliden Verlauf - mit Wachstum, niedrigen Arbeitslosenzahlen und hohen Aktienkursen. In der Migrationsfrage steuerte Trump einen strengen Kurs. Außenpolitisch ließ er sich auf keinen neuen Krieg ein, und er betonte den Abzug amerikanischer Truppen aus Konfliktgebieten wie Afghanistan und Syrien. Umgekehrt stand im Vorfeld zu den Vorwahlen der Demokraten auch noch kein klarer Favorit fest. Ausgerechnet dann entfaltete sich die Tragödie der Corona-Krise.

Es begann in China. Die ersten Nachrichten über das Coronavirus erschienen wie weit entfernte Meldungen über eine ferne und merkwürdige Krankheit. So beschränkte sich das Virus anfangs tatsächlich nur auf China. Dann sprang es über, arbeitete sich seinen Weg tief nach Europa hinein, und entwickelte sich zu einer weltweiten Pandemie. Die USA wurden vom Virus schwer getroffen. Die amerikanische Wirtschaft brach und bricht ein - mit sich einfaltenden Aktienkursen und hochschnellenden Arbeitslosenzahlen. Analysten gehen davon aus, dass die USA in eine Rezession schlittern werden, und vieles spricht dafür, dass dieser ökonomische Abschwung jetzt noch schwerer sein wird als damals in Folge der Finanzkrise ab 2007. Und wie steht Trump zur Viruskrise? Es lässt sich behaupten, dass er anfangs die Virusbedrohung nicht voll erkannte und daher das Bedrohungspotenzial falsch einschätzte. Jetzt aber inszeniert sich Trump als der Kriegspräsident im Kampf, mehr noch im Krieg gegen das Coronavirus.

„The Atlantic“ schreibt etwa, dass die kollabierende Ökonomie die Wiederwahlchancen von Trump vernichten werde. Aber so einfach ist das gewiss nicht zu formulieren. „Real Clear Politics“ dokumentiert regelmäßig die Stellenbewilligungsratings zu Präsident Trump. Waren seine Popularitätswerte in den Jahren 2017 und 2018 noch sehr weit unten, so hat er danach eine Aufholjagd gestartet. Gerade jetzt, zum Zeitpunkt der Krise, lehnen Trump nur wenig mehr Amerikaner ab, als ihn umgekehrt unterstützten. Das öffentliche Meinungsbild in Amerika ist also tief gespalten, und das in zwei annähernd gleich große Lager - und wiederum genau zum Zeitpunkt dieser schweren Krise. „Wired“ verweist auf dieses Paradoxon. Es hat zum Teil damit zu tun, dass im gegenwärtigen Moment auch so etwas wie ein nationaler Schulterschluss in den USA stattfindet, teilweise ein Rally-Behind-The-Flag-Effekt eintritt. Trump genießt im Moment eine enorme Medienpräsenz. Die Vorwahl bei den Demokraten hingegen, mit dem wahrscheinlichen Sieger Joe Biden, ist medial in den Hintergrund gerückt. „Politico“ bringt es vielleicht auf den Punkt: Trumps Umgang mit der Corona-Krise wird wahrscheinlich darüber entscheiden, ob ihn die amerikanischen Wähler belohnen oder abwählen werden. Es wird darum gehen, wie Amerikas Wähler seinen Umgang mit der Corona-Krise sehen und bewerten - vor allem in den kommenden Monaten Oktober und November.

Wird es schließlich auf einen Trump-Triumph oder eine Trump-Niederlage hinauslaufen? Die laufenden Umfragen sagen uns, dass noch nichts entschieden, noch nichts vorentschieden ist. Es bleibt offen, ob Trump die Wiederwahl im Herbst 2020 gewinnen wird oder nicht. Für die Demokraten wird es nicht leicht werden, ihn zu schlagen. Unmöglich ist es aber nicht. The-Art-of-Defeating-the-Incumbent: Diese politische Kunst und Kür müssen die Demokraten diesmal noch zeigen. Wir werden sehen.

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