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Als neuer Parteichef der CDU gilt Armin Laschet als Favorit zum Kanzlerkandidaten. Auch innerhalb der türkischen Einwanderergesellschaft in Deutschland ist der rheinländische Politiker sehr beliebt.

Vertrauenserweckend und bescheiden

Armin Laschet, der gebürtige Aachener, der seit 1979 der Christlich Demokratischen Union (CDU) angehört, hat es geschafft: Mit 521 Stimmen setzte sich der Rheinländer im zweiten Wahlgang auf dem erstmals digital stattfindenden Parteitag der CDU in Berlin gegen seinen Konkurrenten Friedrich Merz durch. Mit einer bewegenden Rede konnte der gelernte Jurist und Journalist die Mehrheit der 1.001 Delegierten offenbar von sich überzeugen. Der 59-jährige Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen legte in seiner emotional gehaltenen Rede einen seiner wichtigsten Trümpfe auf den Tisch und zeigte, dass er ein zusammenführender Mensch ist, der weder polarisiert noch populistisch argumentiert. Die Stärke Armin Laschets besteht darin, dass er mit beiden Beinen fest auf dem Boden steht und kein Träumer ist. Laschet wirkte während seines Auftritts bescheiden, realistisch, natürlich und vor allem vertrauensvoll. Und Vertrauen ist in diesem harten Politikbetrieb eine der wichtigsten Währungen. Besonders zum Abschluss seiner Rede sorgte Laschet für Gänsehaut: Er hielt die Erkennungsmarke seines Vaters Heinz, der Bergarbeiter war, vor die Kamera: „Sag den Leuten, sie können dir vertrauen!“ Dieser Satz ließ nicht nur den Delegierten, sondern sicherlich auch dem Fernsehpublikum einen Schauer über den Rücken laufen. Auch an einer anderen Stelle, als er von seinem Vater berichtete, verdiente sich der Ministerpräsident Anerkennung: „Mein Vater war Bergmann. Er hat immer gesagt: ‚Wenn du unter Tage bist, ist es egal, wo dein Kollege herkommt. Entscheidend ist, kannst du dich auf ihn verlassen?‘“ Damit drückte Laschet aus, dass nicht die Religion oder die ethnische, kulturelle oder soziale Herkunft über einen Menschen entscheidet. Dieser Satz war – ganz offen gesagt – staatsmännisch. Bereits in seinem Amt als Familien- und Integrationsminister des Landes Nordrhein Westfalen zwischen 2005 und 2010 lernten die Menschen Armin Laschet als konstruktiven und einenden Menschen kennen und schätzen. Er war im Team von Jürgen Rüttgers, als die CDU im Mai 2005 mit der FDP eine Koalition bildete und so die SPD nach 39 Jahren ununterbrochener Regierungsverantwortung in Nordrhein-Westfalen in die Opposition schickte. Als die Landes-CDU im Mai 2017 die Wahlen in dem bevölkerungsreichsten Bundesland gewann, übernahm Laschet dort das Amt des Ministerpräsidenten. Das neue Amt gibt Laschet nun einen weiteren Schub innerhalb seiner Partei.

Teamplayer

Laschet verkörpert als liberaler Politiker und gläubiger Katholik eine „Position der Mitte“ in seiner Partei. Er gilt zudem als Versöhner und Brückenbauer, der verschiedene, auch gegensätzliche Positionen zusammenbringen kann. Außerdem hat er mit Innenminister Herbert Reul (CDU) einen „harten Hund“ an seiner Seite, der aufgrund seines konsequenten Vorgehens gegen so genannte Clans sowie Extremisten innerhalb mancher Behörden geschätzt wird. Die Düsseldorfer Koalition mit der FDP verläuft lautlos und harmonisch.

Empathie mit der türkischstämmigen Gesellschaft

Vor allem in der türkischstämmigen Community genießt der neue CDU-Parteivorsitzende hohes Ansehen für seinen beharrlichen Einsatz für Verschiedenheit, Pluralität, Teilhabe und Chancengleichheit. Die Wertschätzung für kulturelle und religiöse Vielfalt sowie gegenseitiges Vertrauen, worauf Laschet in seiner bewegenden Parteitagsrede hinwies, lassen auch die türkischstämmigen Menschen in Deutschland nicht unberührt. Er ist jemand, der seine Schützlinge fördert: In der Amtszeit von Laschet machten so manche türkischstämmige Frauen Karriere. Laschet ließ es sich nicht nehmen, den Muslimen stets zu ihren religiösen Festen zu gratulieren. Er teilte den Schmerz mit Mevlüde und Durmuş Genç, den Angehörigen der Opfer des Brandanschlags von Solingen. Und er wies Sympathisanten der PKK in die Schranken und bezeichnete die PKK als das, was sie ist: eine Terrororganisation.

Der behutsame, konstruktive und kooperative Politikstil von Armin Laschet in Bezug auf die deutsch-türkischen Beziehungen und die Partizipation sowie Integration der türkeistämmigen Menschen in Deutschland lässt auf eine positive Zukunft hoffen.

Transatlantiker Merz gilt als Polarisierer

Viele türkische Zeitungen und Kolumnisten aus Deutschland freuen sich über die Wahl Laschets, da sie in ihm einen versöhnenden und empathischen Politiker erkennen. Dem CDU-Chef und Ministerpräsidenten wird überdies zugetraut, neben der CDU auch das gesamte Land erfolgreich zu führen. Nicht wenigen Menschen innerhalb der türkeistämmigen Einwanderergesellschaft in Deutschland fiel ein Stein vom Herzen, als sie hörten, dass Friedrich Merz nicht zum Parteivorsitzenden gewählt wurde. Der Transatlantiker Merz galt vielen Leuten als Polarisierer. Schon vor Jahren machte er sich in den Reihen der Einwanderer in Deutschland keine Freunde, als er über die so genannte Leitkultur in Deutschland schwadronierte und den „Ausländern“ mangelnde Anpassung attestierte. Seine Aussagen in Bezug auf Flüchtlinge und Sozialhilfeempfänger brachten dem Wirtschaftslobbyisten und ehemaligen BlackRock-Aufsichtsrat ebenfalls wenig Sympathien ein. Nicht zuletzt seine Aussagen zu Homosexualität sorgten im September 2020 für erhebliche Kritik. Dass Merz für viele als jemand gilt, der politisch rechts der Mitte steht und dem zugetraut wird, Stimmen für die CDU von AfD-Wählern zurückzugewinnen, sagt ein Übriges. Genau deshalb sind in der türkisch-deutschen Community viele Menschen beruhigt, dass sich Armin Laschet gegen seinen Kontrahenten durchsetzen konnte.

Laschet: Kanzler einer schwarz-grünen Regierung?

Die SPD, die noch bis vor wenigen Jahren innerhalb der türkischen Community in Deutschland ein traditionell hohes Ansehen genoss, wird es in den kommenden Bundestagswahlen schwer haben, falls die Union sich nach den Landtagswahlen in Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg für Armin Laschet als Kanzlerkandidaten entscheiden sollte. CSU-Chef Markus Söder, der sich ebenso wie Laschet eine Kanzlerkandidatur vorstellen kann, wäre wahrscheinlich nicht nur unter türkischstämmigen Wählern in Deutschland eher zweite Wahl, sondern auch unter den Unions-Anhängern außerhalb Bayerns umstritten. Laschet steht für die Fortführung des Politikstils von Angela Merkel. Er gilt darüber hinaus als offen für eine schwarz-grüne Regierung. Umfragen sehen derzeit eine deutliche Mehrheit für Schwarz-Grün. Armin Laschet gehörte bereits vor Jahrzehnten zum Kreis der Teilnehmer von Abgeordneten von CDU und Grünen, die im italienischen Restaurant „Sassella“ im Bonner Stadtteil Kessenich sehr früh über schwarz-grüne Konstellationen diskutierten. Wer weiß: Vielleicht wird Laschet nach der Bundestagswahl Ende September wirklich der erste Bundeskanzler einer schwarz-grünen Regierung in der Geschichte Deutschlands.

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