Coronavirus: Folgen für die deutsche Wirtschaft
Das Coronavirus breitet sich immer schneller in der zweitgrößten Volkswirtschaft der Welt aus. Die Folgen treffen nicht nur die chinesische, sondern auch die deutsche Wirtschaft. Verluste können Ökonomen derzeit nicht beziffern.
Coronavirus (DPA)

Das neuartige Coronavirus breitet sich in China weiter aus - und belastet zunehmend auch die Wirtschaft. Die Folgen spüren auch deutsche Firmen. Die Epidemie habe „eine enorme wirtschaftliche Tragweite“, gerade für die deutschen Autobauer, erklärt Autoexperte Ferdinand Dudenhöffer. Nach seiner Schätzung steht China für ein Drittel ihrer Verkäufe und Umsätze. Zwar sind BMW, Daimler und Volkswagen im Gegensatz zu Konkurrenten wie Renault und PSA nicht selbst direkt in Hubei aktiv. Doch Produktionseinschränkungen bei Zulieferern wirken sich aufgrund eng verzahnter Lieferketten schnell aus. Außerdem sind viele Beschäftigte in ganz China derzeit in verlängerten Neujahrsferien, auf Anordnung der Behörden oder aus Vorsicht ihres Arbeitgebers.

Deutsche Automobilindustrie stark betroffen

So bleiben die 33 Werke von Volkswagen und seinen Joint Ventures in China noch bis zum Wochenende geschlossen, rund 3500 Mitarbeiter in der Hauptstadt Peking arbeiten zudem bis zum 17. Februar von Zuhause aus. Inländische wie internationale Dienstreisen seien „bis auf weiteres“ gestrichen, erklärt VW. Geplante Auslieferungen seien aber nicht gefährdet. Bei Daimler soll der Großteil der chinesischen Produktion nach Konzernangaben am kommenden Montag wieder anlaufen. In der Verwaltung wird demnach „entsprechend den Anweisungen der Provinz- und Stadtbehörden“ gearbeitet, dabei setze das Unternehmen aber „verstärkt auf flexible Arbeitsmethoden, insbesondere Homeoffice“. Auch bei BMW starten die Produktion in Shenyang sowie die Büroarbeit im Vertrieb voraussichtlich am Montag wieder. Vertriebler arbeiten demnach zwischenzeitlich von Zuhause aus. „Angesichts der Reiseeinschränkungen in China sind bis auf Weiteres nur zwingend notwendige Dienstreisen von und nach China anzutreten“, erklärt BMW. Die Versorgungssicherheit sei derzeit aber nicht gefährdet.

Zulieferstopp verzögert Produktion „Da sowohl die chinesischen Behörden als auch unsere Kunden vor Ort die Schließung ihrer Werke verlängert haben“, macht auch der bayerische Zulieferer Webasto in China Zwangspause. „Der Start unserer Produktion wird sich voraussichtlich auf den 9. Februar 2020 verschieben“, teilt das Unternehmen mit. „Auswirkungen auf die globalen automobilen Lieferketten“ seien nicht auszuschließen. Einen möglichen finanziellen Schaden kann Webasto nicht beziffern, da die Entwicklung in China noch unklar sei. Die Firma gehört zu denjenigen, die in Wuhan selbst produzieren. Es gilt ein Reisestopp von und nach China, rund 3500 Mitarbeiter sind dort beschäftigt. Etwa 1000 Beschäftigte der Stockdorfer Zentrale sitzen indes im Homeoffice, da es unter ihnen mittlerweile acht bestätigte Corona-Infektionen gibt und der Firmensitz bis auf eine Notbesetzung von etwa 20 Mitarbeitern noch bis einschließlich 11.Februar geschlossen bleibt.

Geschäftreisen vorerst gestrichen

Der Zulieferer Continental erlaubt Geschäftsreisen von und nach China nur „eingeschränkt“ und fordert Mitarbeiter, die in den vergangenen zwei Wochen dort waren, zur Heimarbeit auf. Für die knapp 25 000 Mitarbeiter an rund 50 chinesischen Standorten ändert sich vorerst aber nichts. Bosch hält seine chinesischen Standorte „derzeit gemäß den Regierungsanordnungen geschlossen“, das gelte je nach Region bis zum 13. Februar. Doch „die meisten Standorte bereiten sich bereits darauf vor, die Produktion in den nächsten Tagen zu starten“, erklärt Bosch. Es sei noch zu früh, um sich zu Auswirkungen auf das Geschäft zu äußern.

„Mit der weiteren Ausbreitung des Coronavirus innerhalb Chinas und darüber hinaus in Asien werden auch die wirtschaftlichen Kosten zunehmen“, sagt DIW-Präsident Marcel Fratzscher. Zwar lassen sich die konjunkturellen Folgen nach Ansicht von Ökonomen derzeit nicht beziffern. Doch dürften sie heftiger ausfallen als bei der Infektionskrankheit Sars vor 17 Jahren, die ebenfalls in China ausgebrochen war.

China wichtiger Exportmarkt für „Made in Germany“

Die wirtschaftliche Bedeutung des Landes ist seitdem immens gewachsen. Die mittlerweile zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt ist ein wichtiger Exportmarkt für „Made in Germany“. Zugleich produzieren deutsche Industriefirmen dort, Hersteller beziehen Teile aus dem Land für ihre Produktion. „Was in China heute passiert, hat größere Bedeutung für die Welt als früher“, fasst Ökonom Holger Schmieding, Chefvolkswirt der Berenberg Bank zusammen.

Mittlerweile gehen der Commerzbank zufolge gut 7 Prozent der deutschen Ausfuhren in das Land - hauptsächlich Autos und Autoteile sowie Maschinen. Allein die deutschen Autobauer machen Fratzscher zufolge ein Drittel ihrer Gewinne in China. Umgekehrt importiert Deutschland insbesondere Datenverarbeitungsgeräte sowie elektrische Ausrüstungen. Nach Einschätzung des Ifo-Konjunkturexperten Timo Wollmershäuser habe Sars China damals etwa ein Prozent Wachstum des Bruttoinlandsprodukts gekostet. In den deutschen Zahlen habe sich das praktisch nicht niedergeschlagen. „Seitdem ist die wirtschaftliche Bedeutung des Landes gewachsen, die Infektionszahlen sind höher und die chinesische Regierung reagiert härter.“ Stillstand hat Konsequenzen für die Weltwirtschaft

Das Virus trifft die chinesische Wirtschaft – wie auch die Weltwirtschaft insgesamt – ausgerechnet in einer Schwächephase. „Je länger der Ausnahmezustand – sprich: das Reiseverbot in China – anhält und je weiter sich das Virus ausbreitet, desto gravierender werden die wirtschaftlichen Auswirkungen auf die Weltwirtschaft sein“, analysieren Volkswirte der Commerzbank. Keine guten Perspektiven also für die exportorientierte deutsche Wirtschaft.

Ähnlich sieht das der Außenhandelsverband BGA. „Sollte sich die Lage weiter zuspitzen, wird dies auch negative Konsequenzen nicht mehr nur für die chinesische Wirtschaft, sondern den Welthandel haben“, sagt BGA-Präsident Holger Bingmann. „Die Unterbrechung von Flugverbindungen, die Schließung von Betrieben oder auch das Ausbleiben von Touristen zeigen schon jetzt Wirkung.“ Ein längerer Stillstand könnte vor allem Lieferketten in der Chemie, im Fahrzeugbau, in der Textilbranche und der Elektronik unterbrechen, warnen Ökonomen der Allianz. Hersteller auch in Deutschland bekämen benötigte Teile nicht mehr, sie müssten Alternativen finden oder ihre Produktion herunterfahren.

Spediteure klagen über erschwerte Bedingungen bei der Zollabfertigung

Bislang scheinen sich die Folgen in Grenzen zu halten. Wegen der Feiertage rund um das chinesische Neujahrsfest - in diesem Jahr am 25. Januar - war die Produktion ohnehin eingeschränkt. „Der aktuelle Ausbruch des Coronavirus hat zum jetzigen Zeitpunkt nur regional begrenzte Auswirkungen auf den Geschäftsbetrieb von DB Schenker“, sagt beispielsweise eine Sprecherin der Deutschen Bahn. Spediteure beklagen aber, dass durch die Maßnahmen der chinesischen Behörden Zollabfertigungen länger dauerten. Zudem entfielen Frachtkapazitäten in Passagierflugzeugen, weil zahlreiche Airlines China vorerst nicht mehr anfliegen. Derzeit könnten Spediteure dies unter anderem durch Umbuchungen noch teilweise ausgleichen, allerdings zu höheren Frachtkosten für den Verlader, erklärt der Bundesverband Spedition und Logistik. Aus Sicht von DIW-Präsident Fratzscher ist die größte wirtschaftliche Sorge „die Panikmache, die wir in Einzelfällen auch in Europa sehen“. Die Angst vor dem Unbekannten führe bei Konsumenten und Unternehmen - vor allem in China, aber auch global - zu übertrieben starken Reaktionen. Allerdings komme das Coronavirus auch zu einem denkbar ungünstigen Zeitpunkt, „da die Risiken in der Weltwirtschaft durch Handelskonflikte, Brexit, schwache Banken und geopolitische Konflikte ohnehin schon ungewöhnlich hoch sind“.

Agenturen