DGB-Chefin fordert „in der Breite spürbare“ Entlastungen
Angesichts steigender Energiepreise fordert DGB-Chefin Fahimi „spürbare“ Entlastungen – nicht nur für Geringverdiener. Nötig sei „eine genauere Debatte“ darüber, wer wie stark entlastet werden sollte.
16.08.2022, Berlin: Yasmin Fahimi, Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) aufgenommen bei einem dpa-Interview. (DPA)

DGB-Chefin Yasmin Fahimi hat die Bundesregierung zu spürbaren Entlastungen nicht nur für sozial Bedürftige aufgefordert. „Entlastungsmaßnahmen müssen auch in der Breite spürbar sei“, sagte die Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbundes der Deutschen Presse-Agentur in Berlin. „Klar, die Bundesregierung kann nicht eine große Käseglocke über uns stülpen“, sagte Fahimi. Es gebe auch eine große Bereitschaft zur Solidarität. „Aber es gibt zunehmend Verärgerung darüber, dass in der Krise Verzicht immer von denen am meisten abverlangt wird, die am wenigsten haben“, sagte Fahimi. „Deshalb muss die Regierung eine kluge Gesamtlösung anbieten.“ Die Gasumlage bezeichnete Fahimi als in der Sache richtig. Sie belaste einen Durchschnittshaushalt aber vier Mal mehr, als es die EEG-Umlage zuletzt getan habe. „Es ist daher richtig, gleichzeitig die Mehrwertsteuer auf Gas zu senken“, sagte Fahimi. Dies hatte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) angekündigt. Fahimi meinte: „Aber warum wird nicht auch endlich die Stromsteuer auf das europäisch zulässige Mindestmaß gesenkt?“ Wer soll wie stark entlastet werden? Insgesamt bleibe der Druck zur Entlastung bei den Energiekosten hoch. „Und zwar nicht nur für einige wenige Bedarfsgruppen, sondern tatsächlich auch in der Breite“, sagte Fahimi. Nötig sei daher „eine genauere Debatte“ darüber, wer wie stark entlastet werde. „Diejenigen, die ihre Rechnungen nicht bezahlen können, also insbesondere Transferleistungsempfängerinnen und -empfänger, müssen eine vollständige Entlastung erfahren.“ Schwierig sei die Lage aber auch für Menschen mit niedrigen Jahreseinkommen oder kleinen Renten. „Die haben auch keine Reserven und bei denen geht es auch nicht allein darum, an dem einen oder anderen Urlaub zu sparen“, sagte die DGB-Chefin. „Auch wenn wir nicht jede Belastung zu 100 Prozent abfangen können, müssen wir diesen Menschen ein Signal geben, dass wir sie auffangen und dass es auch für sie wieder Planbarkeit gibt.“ Dabei gehe es nicht allein um die Strom- und Gasrechnung für dieses Jahr. Deutschlands oberste Gewerkschafterin sagte: „Sondern was ist mit der Perspektive 2023, 2024? Kann ich überhaupt noch irgendetwas planen wie Urlaub oder irgendwelche Anschaffungen? Oder muss ich das alles zurückhalten?“ „Pauschalen können keine Dauerlösung sein“ Fahimi sagte: „Natürlich setzen wir uns dafür ein, dass die Bundesregierung noch in diesem Jahr weitere Maßnahmen ergreift.“ Dies könne etwa eine weitere Energiepreispauschale sein, die dann auch für Rentnerinnen und Rentner und für Studierende gelten solle. Eine solche Pauschale könne aber keine Dauerlösung sein. „Deshalb ist unsere Forderung nach einem Energiepreisdeckel aktueller denn je“, sagte Fahimi. Die DGB-Chefin hatte einen solchen Deckel bereits vor dem Start der konzertierten Aktion vorgeschlagen, zu der Scholz die Spitzen von Arbeitgebern und Arbeitnehmern wegen der hohen Inflation ins Kanzleramt geladen hatte. Nun untermauerte Fahimi ihren Vorstoß. „Das ist nicht in ein, zwei Monaten umsetzbar, aber umso dringlicher müssten wir das Thema in diesem Jahr konzeptionell angehen“, forderte sie. „Wir brauchen mehr als einfach nur eine steuerpolitische Umverteilung.“ Spar-Anreize durch höheren Preis bei Mehrverbrauch Zentral an dem Modell sei der garantierte Preis für einen definierten Grundbedarf. „Für den Mehrverbrauch gibt es einen höheren Marktpreis“, so Fahimi weiter. Das setze Spar-Anreize. „Weil man sich dann vielleicht doch überlegt: Reicht mir das normale Gefrierfach meiner Kombi oder brauche ich wirklich die Gefriertruhe im Keller? Kann ich das Licht konsequenter ausschalten und die Heizung erst anmachen, wenn ich wirklich zu Hause bin?“ Fahimi wies auf die mittelfristige Perspektive hin. „Selbst wenn uns in den nächsten zwei Jahren eine ausreichende Beschaffung von Gas aus anderen Ländern als Russland gelingt, ist die Preislage erstmal hoch.“ Mit dem Ausbau der Erneuerbaren sei aber perspektivisch eine Absenkung der Energiepreise verbunden. „Warum strecken wir dann die Belastung nicht einfach? Wir sollten die Kosten über einen längeren Zeitraum verteilen.“ Fahimi erläuterte: „Unser Vorschlag ist: Wir deckeln jetzt den Energiepreis und sagen, die Verbraucherinnen und Verbraucher müssen das dann festgelegte Niveau nicht zwei Jahre, sondern zum Beispiel vier Jahre zahlen. Aber der Preisschock kommt dann nicht mit einem großen Knall und erschlägt uns alle.“ Auch für die Industrie wäre dies aus Sicht Fahimis interessant. „Denn die Energiepreise fordern nicht nur unsere Geldbeutel, sondern stellen auch ganze Produktionsbranchen in Frage.“ Fahimi kündigte an, ihre Vorschläge auch in der konzertierten Aktion weiter zu thematisieren.

DPA