Prognose: Deutschland reißt europäische Defizitvorgaben deutlich (Symbolbild) (Others)
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Deutschland wird seine europäischen Defizitvorgaben auf absehbare Zeit nicht einhalten können. Das geht aus Prognosen des Stabilitätsrats hervor, die am Freitag in Berlin veröffentlicht wurden. Das Gremium nimmt zwei Mal im Jahr die Defizite genau unter die Lupe und betonte, die Herausforderungen seien in den vergangenen Monaten spürbar gestiegen. Nachdem 2020 und 2021 die Corona-Pandemie für Ausnahmezustände gesorgt hat, sind es nun die Folgen des russischen Angriffs auf die Ukraine und die dadurch ausgelöste Energiekrise. Bis einschließlich 2026 werden die Vorgaben nicht eingehalten. Experten kritisierten umfangreiche Nebenhaushalte und zu wenig Ambition beim Abbau der Defizitquoten. Die europäische Obergrenze für das strukturelle Defizit des Gesamtstaates liegt eigentlich bei maximal 0,5 Prozent im Verhältnis zur Wirtschaftsleistung. Dieser Wert wird aber seit Jahren gerissen. Für 2022 rechnet der Stabilitätsrat, der sich aus Vertretern der Bundesregierung und der Finanzministerien der Länder zusammensetzt, mit einem Minus von 2,5 Prozent. 2023 dürften es dann 3,25 Prozent werden. Auch bis 2026 wird die Vorgabe nicht eingehalten. Dies war Ende April zumindest für 2026 noch für möglich gehalten worden. Bund und Länder betonten, das Defizit werde im Zeitraum 2024 bis 2026 zumindest im Schnitt pro Jahr um 0,5 Prozentpunkte reduziert. „Dieser Pfad ist nicht ausreichend“, kritisierte der Vorsitzende des unabhängigen Expertenbeirats, Thiess Büttner von der Universität Erlangen-Nürnberg. Mittelfristig sei ein Plateau beim strukturellen Defizit von 1,5 Prozent zu erwarten. Die im Grundgesetz verankerte Schuldenbremse greife immer weniger, dafür gebe es mehr Sondertöpfe. Hier schlummerten für die nächsten Jahre rund 400 Milliarden Euro an kreditfinanzierten Defizitspielräumen. „Auch auf der Länderebene wird mitunter umfangreich auf Ausnahmeklauseln, Nebenhaushalte und Vorfinanzierung künftiger Ausgaben über Notlagenkredite gesetzt.“ Werden Hilfstöpfe voll ausgeschöpft? Trotz der Kritik bezeichnete der Expertenbeirat die Projektionen angesichts der politischen Herausforderungen als noch vertretbar. Ähnlich argumentierte Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP). Er verwies auf die milliardenschweren Hilfspakete zur Dämpfung der hohen Energiepreise und zur Modernisierung der Bundeswehr. Die Energiehilfen liefen 2024 aus, dann werde es auch eine Normalisierung der Finanzen geben. Außerdem sei noch nicht klar, wie stark die Programme am Ende in Anspruch genommen werden müssten. „Die Notwendigkeit des Abbaus von Defiziten und Schuldenquoten ist ganz offensichtlich.“ Wegen gestiegener Zinsen würden die Schulden immer teurer. Nach den europäischen Maastricht-Kriterien rechnet Lindner dieses Jahr mit einem Defizit des Gesamtstaates von 3,5 Prozent im Verhältnis zur Wirtschaftsleistung. 2023 könnten es dann 4,5 Prozent werden, abhängig vom Einsatz des 200 Milliarden Euro schweren Hilfsfonds in der Energiekrise. Die Vorschläge der EU-Kommission zur Reform der europäischen Schuldenregeln bezeichnete Lindner als noch nicht überzeugend. Es gebe viel Beratungsbedarf. Defizit-Abbaupfade individuell von Ländern aushandeln zu lassen, wie es die Brüsseler Behörde vorschlage, sei nicht gut. Auch bei den Zeitvorgaben zum Abbau von Defiziten müsse es höhere Ambitionen geben. Innerhalb der deutschen Bundesländer sind vor allem die Finanzen von Bremen kritisch. Hier drohe eine Haushaltsnotlage, so der Stabilitätsrat. Die Hansestadt solle deswegen zur Sitzung Ende 2023 Vorschläge für ein Sanierungsprogramm vorlegen. Im Umfeld des Bundesfinanzministeriums hieß es zudem, es müsse stärker auf eine ausgewogenere Verteilung der Lasten in der Krise geachtet werden. Während sich die Finanzlage der Länder insgesamt in diesem Jahr bis Ende Oktober verbessert habe und Überschüsse erzielt würden, weise der Bund ein hohes Defizit aus.

Reuters