Institut: Politik muss gezielter gegen Arbeitslosigkeit vorgehen / Photo: DPA (dpa)
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Laut einer Analyse des arbeitgebernahen Instituts der deutschen Wirtschaft (IW Köln) erschweren verschiedene Faktoren die Senkung der Arbeitslosigkeit, auch wenn es viele offene Stellen gibt. So spielten etwa die Dauer der Arbeitsuche, ein Missverhältnis bei Qualifikation und Standort sowie persönliche und gesundheitliche Einschränkungen eine Rolle, heißt es in einem am Mittwoch in Köln veröffentlichten IW-Report. Die Zahl der Arbeitslosen sinke auch dann nicht automatisch auf null, wenn Betriebe Schwierigkeiten bei der Besetzung offener Stellen haben, hieß es.

Aktuell steigen den Angaben zufolge die Arbeitslosenzahlen, gleichzeitig gibt es ungewöhnlich viele unbesetzte Stellen. So habe die Zahl der Arbeitslosen im Juli 2023 mit insgesamt 2,6 Millionen um knapp 150.000 höher gelegen als im Juni. Hinzu kämen knapp 900.000 Personen in Unterbeschäftigung, die etwa arbeitsmarktpolitische Maßnahmen absolvieren. Auch die Zahl der unbesetzten Stellen sei hoch: Für das erste Quartal wurden laut Analyse rund 700.000 gemeldete sowie eine Million ungemeldete offene Stellen erfasst. Das sei der höchste, jemals für ein erstes Quartal gemessene Wert.

Experte: Bundesregierung Arbeitslosigkeit gezielter bekämpfen

Der IW-Arbeitsmarktexperte Holger Schäfer forderte, die Bundesregierung müsse mehr tun, um die Langzeitarbeitslosigkeit und damit auch Armut zu senken. „Armut in Deutschland hat in ganz starkem Maße mit der Arbeitslosigkeit zu tun: Mehr als 60 Prozent der Arbeitslosen sind armutsgefährdet und verfügen über weniger als 60 Prozent des mittleren Einkommens“, sagte er der Düsseldorfer „Rheinischen Post“. Bei den Erwerbstätigen seien dagegen weniger als zehn Prozent armutsgefährdet.

Bei der geplanten Kindergrundsicherung sei es wichtig, darauf zu achten, dass durch höhere Transferleistungen nicht der Anreiz zur Arbeitsaufnahme verringert werde. „Es wäre absurd, wenn durch die Kindergrundsicherung das wichtigste Mittel zur Armutsbekämpfung, nämlich das Erzielen eines eigenen Erwerbseinkommens, konterkariert werden würde“, warnte Schäfer.

Laut dem IW-Report, der sich unter anderem auf Daten der Bundesagentur für Arbeit beruft, ist die Qualifikation eines der Hauptprobleme bei der Arbeitssuche. Rund 60 Prozent der insgesamt 900.000 Langzeitarbeitslosen verfügten über keine abgeschlossene Berufsausbildung.

Ein Drittel der Langzeitarbeitslosen habe keinen deutschen Pass. Programme, die darauf abzielten, diese Menschen in dauerhafte und besser bezahlte Jobs zu bringen, seien daher ebenfalls wichtige Ansatzpunkte, sagte Schäfer der „Rheinischen Post“. Die meisten Maßnahmen für Zugewanderte, wie etwa Sprachtrainings und Weiterbildungen, brächten gute Fortschritte. Hier sollte nicht gespart werden, warnte der Wirtschaftswissenschaftler mit Blick auf die Kürzungspläne für den Bundeshaushalt 2024.

epd