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Joachim Löw begann seine Trainerkarriere in der Saison 1996/1997 beim VfB Stuttgart. Diese Position hielt er für 83 Partien inne und gewann mit den Schwaben dabei den DFB-Pokal. Anschließend, in der Saison 1998/1999, trainierte Löw Fenerbahçe und 1999/2000 den Karlsruher SC, bevor er bei Adanaspor seine zweite Station in der Türkei einlegte.

Löw, der in Adana seinen 41. Geburtstag feierte, leitete die Mannschaft von Adanaspor für zwei Spiele von der Tribüne und für 5 Spiele von der Bank aus. Wir befragten Spieler von Adanaspor, die damals unter Löw spielten, zu ihren Erfahrungen und Erinnerungen.

Evren Turhan: Der Wechsel von Löw zu Adanaspor war für die damaligen Verhältnisse eine große Sache. Auch ich war aufgeregt, weil ich ein Spielertyp war, der zu Löws Spielverständnis passte. Während seiner Zeit als Trainer bei Fenerbahce wollte Löw meinen Wechsel von Kocaelispor vollziehen. Löw hatte die Transfers von Erol Bulut, Mehmet Yozgatli und Thomas Berthold, der mit der deutschen Nationalmannschaft Weltmeister wurde, in die Wege leiten lassen. Damals wurde in der Türkei bei Trainingseinheiten kaum mit Fußbällen gearbeitet, aber unter Löw fand das gesamte Training mit Bällen statt. Er mochte die Türkei sehr. Seine freien Tage verbrachte er in Adana. Auch ich verbrachte mal auf seine Einladung hin einen freien Tag mit ihm. An diesem Tag verhielt er sich nicht wie mein Trainer, sondern wie ein Freund. Unter den damaligen Bedingungen waren solche Dialoge nicht üblich, aber die größte Eigenschaft von Löw war seine Art der Kommunikation, die er mit seinen Spielern pflegte. Letztlich konnte Löw mit einem Kader, den er nicht selbst zusammengestellt hatte, leider nicht erfolgreich werden. Wäre er am Anfang der Saison nach Adana gekommen, dann hätte sich alles ganz anders entwickeln können. So wie ich mich über das Kommen von Löw gefreut hatte, so traurig war ich bei seinem Weggang.

Altan Aksoy: Löw als neuer Trainer vorgestellt wurde, befanden wir uns in der türkischen Süper Lig auf einem Abstiegsplatz. Wir hatten einen Kader, der von der Physis her unzureichend war und dem es an Einheit fehlte. Es ist schwierig, Mannschaften, die sich im Abstiegskampf befinden, eine taktische Orientierung zu geben. Löw hatte mit dieser Schwierigkeit zu kämpfen. Vor dem Auswärtsspiel gegen Beşiktaş am 18. Februar 2001 befanden wir uns im Trainingslager in Antalya. Löw rief Hayati Köse und mich zu sich. Er meinte, dass wir nicht im Training auflaufen, sondern uns auskurieren sollten, woraufhin wir dachten, dass wir wohl nicht im Kader gegen Beşiktaş stehen würden. Bis zur letzten Trainingseinheit haben wir Fußballtennis gespielt. Aber Löw hielt ein, was er uns versprochen hatte, und ließ uns beide in der Startelf auflaufen. Ich erzielte ein Tor, und wir ernteten Beifall von den Tribünen von Beşiktaş. Wäre Löw eine Saison vorher, also 1999/2000, zu Adanaspor gekommen, hätte er vermutlich eine ganz andere Karriere bei Adanaspor vorzuweisen.

Cenk İşler: Trainer Hikmet Karaman verließ in der Saison 2000/2001 am 14. Spieltag nach dem Spiel gegen Erzurumspor die Mannschaft und einigte sich mit Kocaelispor. Als Karaman seinen Trainerposten bei Adanaspor räumte, befand sich die Mannschaft auf dem 15. Platz, ein Platz über den Abstiegsrängen. Die Präsentation von Joachim Löw als Nachfolger von Karaman löste Euphorie in Adana und bei der Mannschaft aus. Löw verfolgte das Heimspiel von Adanaspor am 17. Spieltag gegen Kocaelispor von der Tribüne aus. In dem Spiel, das 4:4 endete, erzielte ich zwei Tore. Daraufhin gingen wir ins Wintertrainingslager nach Antalya, wo ich mich in den ersten Tagen verletzte. Löw empfahl mir, für die Behandlung nach Deutschland zu fahren, um mich vom Clubarzt des VfB Stuttgart behandeln zu lassen. Einen Monat später hatte ich mein Comeback bei der Begegnung gegen Siirt Jetpaspor, bei der ich in der zweiten Hälfte eingewechselt wurde, verletzte mich aber gleich wieder. Aufgrund dieser Verletzung musste ich sechs Wochen lang pausieren. Da in dieser Zeit nacheinander negative Ergebnisse eingefahren wurden, gab Löw seinen Rücktritt bekannt und verließ die Mannschaft. Kurz vor seinem Rücktritt kam Löw zu mir und sagte mit einem Augenzwinkern: „Cenk, du hast mich fertiggemacht. Als hättest du nicht eine andere Zeit finden können, um dich zu verletzen! Wenn du dich nicht verletzt hättest, wäre uns das alles nicht passiert.“ Denn vor meiner Verletzungspause war ich im Rennen um die Torjäger-Kanone der türkischen Süper Lig mit dabei. Meine Verletzung wirkte sich auch negativ auf die Mannschaft aus. Ich beendete die Saison 2000/2001 mit 19 Treffern. Löw empfahl mich der Mannschaft von Hannover 96 unter dem Trainer Ralf Rangnick. Mein Wechsel zu Hannover scheiterte damals an der „Bosman-Regel“, die in der Türkei nicht gültig war.

Erbil Uzel: Im Wintertrainingslager in Antalya absolvierten wir Trainingseinheiten mit nicht so hoher Intensität. Auf diese Weise zu trainieren, empfanden wir zwar etwas komisch, aber es gefiel uns. Wir dachten, der Trainer wird schon wissen, was er da tut. Als dann die Rückrunde begann, stand eine Mannschaft auf dem Feld, die sich aufgrund dieser leichten Trainingseinheiten mit mangelhafter Kondition präsentierte und einen geringen Kampfgeist an den Tag legte. Im Wintertrainingslager lobte mich Löw noch und bot mir sogar an, mich in den kommenden Spielzeiten deutschen Mannschaften anzubieten. Doch an den ersten beiden Spieltagen der Rückrunde, bei den Partien gegen Genclerbirligi und Siirt Jetpaspor, bekam ich keine einzige Spielzeit. Wir hatten Spieler im Kader, die Deutsch sprechen konnten. Löw entschied sich meist für Spieler mit Deutschkenntnissen für die Startelf. Damals probierte Löw eine Variante der Abwehrkette aus, die nur aus Innenverteidigern bestand, er stellte keine Außenverteidiger auf.

Hayati Köse: Als Mannschaftskapitän unter Löw mochte ich am meisten seine technischen und taktischen Anweisungen und seine Fähigkeit, zu antizipieren. Nur seine Konditionstrainer fand ich unzureichend. Um die Kommunikation unter den Spielern zu fördern, forderte Löw, die Anzahl der Übersetzer, die das Türkische ins Deutsche übersetzten, zu erhöhen. Daraufhin erwiderte ich, dass wir lieber Übersetzer engagieren sollten, die das Deutsche ins Türkische übersetzen, da wir neben den neuen Transfers des Torwarts von Bayern München, Sven Scheuer, und Thomas Berthold vom VfB Stuttgart 9 weitere Spieler im Kader hatten, die Deutschtürken waren. Das sorgte für Erheiterung. Wäre Löw am Anfang der Saison gekommen, mit der Chance, seinen eigenen Kader zu planen, dann hätte alles so ganz anders laufen können.

Mehmet Ali Honca: Aufgrund seiner Erfahrungen bei Fenerbahçe waren die Erwartungen an Löw hoch. Doch die Trainingsmethoden, die er anwendete, waren auf Kreisliganiveau. Wir hatten zwar trotzdem einen guten Kader, aber wir waren keine Einheit. Nachdem Löw diesem Kader nicht seinen Stempel hatte aufdrücken können, erklärte er seinen Rücktritt.

Soner Keleş: In der Hinrunde der Saison 2000/2001 wechselte ich auf Leihbasis von Fenerbahçe zu Adanaspor. An dem Tag, an dem Adanaspor einen Vertrag mit Löw unterschrieb, hatten wir ein Pokalspiel gegen Galatasaray. Löw schaute sich dieses Pokalspiel im Ali Sami Yen Stadion an. Die Verpflichtung von Löw begeisterte uns und machte uns bezüglich des Klassenerhalts Hoffnung. Nach seinem Amtsantritt gingen wir, statt im Anschluss an den Spieltag den freien Tag zu genießen, auf den Trainingsplatz. Die Spieler, die am Wochenende auf dem Platz standen, machten nach dem Wachwerden Regenerationsübungen, wohingegen die Spieler, die nicht gespielt hatten, eine Trainingseinheit im Spieltempo absolvierten. Das hieß also, wenn wir am Sonntag gespielt hatten, war der freie Tag erst am Dienstag. Mittwochs waren zwei Trainingseinheiten angesetzt. Beim Wintertrainingslager in Antalya führte Löw Einzelgespräche mit jedem Spieler und gab seine Bewertungen auf Basis ihrer Leistungen ab, und ich machte mir Sorgen, weil er mit mir nicht sprach. Doch später rief er mich ebenfalls zu sich und sagte: „Du hast super Leistungen im Trainingslager geliefert. Da ich nichts zu bemängeln hatte, rief ich dich nicht zum Einzelgespräch.“ Unter Löw lief ich in jedem Punktspiel auf und erzielte sogar ein Tor.

Volkan Arslan: Da ich selbst in Deutschland auf die Welt kam, hat mich der Wechsel von Löw sehr gefreut. Außerdem war der Berater von Joachim Löw, Harun Arslan, gleichzeitig auch mein Berater. Es gab mehrere Spieler im Kader, die der deutschen Sprache mächtig waren. Wir übersetzten die Ansprachen von Löw für die türkischen Spieler ins Türkische. Nachdem Löw seinen Trainerposten angetreten hatte, führte er außergewöhnliche Trainingsmethoden ein. Wir arbeiteten während des gesamten Trainings, auch beim Aufwärmen, immer mit Fußbällen. Das Trainieren des einfachen Passspiels in Zweiergruppen während des Trainings führte innerhalb der Mannschaft zu Vorwürfen wie „Sind wir eine Juniorenmannschaft?“ Doch die Früchte dieser Übung konnten in der Erhöhung der Passquote und der Ballkontrolle während eines Spiels gesehen werden. Nur leider spiegelte sich das nicht in den Ergebnissen wider. Wir hatten einfach kein Glück. Außerdem war das Konditionsteam von Löw unzureichend.

Ali Asım Balkaya: Wir dachten anfangs, dass es von Vorteil wäre, Löw als Trainer zu haben, aber von seinen Trainingsmethoden und taktischen Anweisungen war ich enttäuscht. Löw hatte mich für die Partien gegen Gençlerbirliği und Siirt Jetpaspor nicht in den Kader nominiert. Ich fragte ihn: „Was hat denn gefehlt bei mir?“ Daraufhin antwortete er: „Du weißt, was dir noch fehlt.“ Ich erwiderte: „Was mir fehlt, ist, dass ich kein Deutsch spreche“, denn er hatte Akın Kılıç auflaufen lassen, der noch nie gespielt hatte, aber zumindest Deutsch konnte. Meiner Meinung nach war Löw nicht erfolgreich und verabschiedete sich schnell aus Adana, weil er damals noch nicht die nötige Erfahrung hatte.