23.06.2022, USA, Hempstead: Verkäufer John Licata zeigt ein Gewehr bei SP firearms. (dpa)
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Inmitten der Debatte über Schusswaffengewalt in den USA hat das Oberste Gericht des Landes das Recht auf das Tragen von Waffen in der Öffentlichkeit ausgeweitet. Der Supreme Court in Washington kippte am Donnerstag ein mehr als hundert Jahre altes Gesetz des Bundesstaats New York, wonach man einen triftigen Grund nachweisen muss, um eine Lizenz für das verdeckte Tragen einer Handfeuerwaffe außerhalb des Hauses zu erhalten.
Nach zwei Massakern mit Schusswaffen in den vergangenen Wochen ist in den USA ein neuer Streit um strengere Regelungen entbrannt. Eine überparteiliche Gruppe im US-Senat hat sich inzwischen auf einen Gesetzesentwurf zum besseren Schutz geeinigt. Umso größer ist nun für viele die Enttäuschung.
Das New Yorker Gesetz verlangte von denen, die eine verdeckte Waffe zur Selbstverteidigung tragen wollen, dass sie eine besondere Notwendigkeit nachweisen. Zwei Männer hatten dagegen geklagt. Ähnliche Gesetze gibt es in Bundesstaaten wie Kalifornien, New Jersey oder Massachusetts. In vielen anderen Teilen der USA gibt es dagegen kaum Einschränkungen.
Liberale Richter stimmten gegen Ausweitung
„Wir kennen kein anderes verfassungsmäßiges Recht, das der Einzelne nur ausüben darf, wenn er den Behörden ein besonderes Bedürfnis nachweisen kann“, hieß es nun in der Urteilsbegründung. Die Entscheidung des höchsten US-Gerichts fiel sechs zu drei aus - die drei als liberal geltenden Richter stimmten nicht zu.
Richter Stephen Breyer schrieb in einer abweichenden Meinung von „potenziell tödlichen Folgen“ der Entscheidung. Präsident Joe Biden kritisierte, dass sie sowohl „dem gesunden Menschenverstand als auch der Verfassung“ widerspreche. Es müsse mehr und nicht weniger zum Schutz der Menschen im Land getan werden. „Es stehen Menschenleben auf dem Spiel.“
New Yorks Gouverneurin Kathy Hochul nannte die Entscheidung „empörend“. Die dortige Generalstaatsanwältin Letitia James erklärte: „Seit mehr als einem Jahrhundert hat dieses Gesetz die New Yorker vor Schaden bewahrt, indem es dafür gesorgt hat, dass es vernünftige und angemessene Vorschriften für Schusswaffen im öffentlichen Raum gibt.“
50 Menschen pro Tag erschossen
In den USA sind tödliche Vorfälle mit Schusswaffen trauriger Alltag. Pistolen und Gewehre sind extrem leicht zu kaufen. Nach Angaben der Gesundheitsbehörde CDC wurden 2020 in den USA etwa 20.000 Menschen erschossen - mehr als 50 pro Tag. Eine übermächtige Waffenlobby macht sich für lockere Regelungen stark - mit Erfolg.
Entsetzen löste im Mai die Ermittlern zufolge rassistische Tat eines 18-Jährigen in der US-Stadt Buffalo aus. Er tötete in und vor einem Supermarkt zehn Menschen. Der Schock saß noch tief, als eine gute Woche später ein ebenfalls 18 Jahre alter Schütze an einer Grundschule in der Kleinstadt Uvalde im Bundesstaat Texas das Feuer eröffnete. Er tötete 19 Kinder und zwei Lehrerinnen.
Versuche, das Waffenrecht zu verschärfen, scheitern im Kongress regelmäßig an den Republikanern. Daran könnte sich nach den schrecklichen Taten erstmals seit Jahrzehnten etwas ändern: Republikaner und Demokraten einigten sich im Senat auf einen Gesetzesentwurf für besseren Schutz vor Schusswaffengewalt. Dieser nahm bei der Abstimmung am Dienstagabend mit überparteilicher Mehrheit eine erste Hürde und soll nun rasch beschlossen werden. Kritiker sprachen indes von einem Minimalkompromiss, der die laxen Waffengesetze nur sehr geringfügig verschärfe.

dpa