Benny Gantz, Verteidigungsminister von Israel, trifft in der israelischen Knesset (Parlament) vor der Abstimmung über ihre Auflösung ein. (dpa)
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Nicht einmal sieben Monate nach ihrer Billigung steuert die Regierung in Israel auf ihr Aus zu. Eine Mehrheit der Abgeordneten im Parlament stimmte am Mittwoch in Jerusalem in einer vorläufigen Abstimmung mit 61 zu 54 Stimmen für ein Gesetz zur Auflösung der Knesset. Vertreter des an der Regierung beteiligten Mitte-Bündnisses Blau-Weiß von Verteidigungsminister Benny Gantz votierten dabei mit der Opposition. Dies könnte das Ende der Koalition von Blau-Weiß mit dem rechtskonservativen Likud von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu einläuten und Neuwahlen nötig machen - inmitten der Corona-Krise und neuer Spannungen mit dem Iran.

Es handelte sich nur um eine vorläufige Abstimmung, für die endgültige Auflösung der Knesset wären drei weitere Lesungen des von der Opposition initiierten Gesetzes notwendig. Es bliebe also noch Zeit, koalitionsinterne Konflikte wie den Haushaltsstreit beizulegen. Gantz hat gesagt, dass nur die Billigung des Etats in drei Lesungen bis zum 23. Dezember eine Neuwahl verhindern kann. Bis zu dem Tag muss der Haushalt stehen, andernfalls löst sich die Knesset automatisch auf. Eine Neuwahl müsste dann 90 Tage später stattfinden.

Ein Scheitern der erst seit Mitte Mai bestehenden Koalition würde die vierte Parlamentswahl in zwei Jahren in Israel bedeuten. In der großen Koalition der früheren Rivalen Netanjahu und Gantz hat es von Anbeginn an stark gehakt, zuletzt verschärften sich die Spannungen.

Gantz:„Er hat euch alle angelogen“

Gantz hatte das Abstimmungsverhalten seines Bündnisses am Dienstag angekündigt. Er machte dem Regierungschef schwere Vorwürfe: „Netanjahu hat nicht nur mich angelogen“, sagte Gantz vor Journalisten. „Er hat euch alle angelogen.“ Netanjahu habe sein Versprechen gebrochen, den Haushalt wie vereinbart zu billigen. Netanjahus einziges Interesse sei sein eigenes politisches Überleben. Er versuche alles, um eine Verurteilung in seinem Korruptionsprozess zu verhindern, sagte Gantz. Netanjahu rief zuletzt zu nationaler Einheit in der Corona-Krise auf. Nach Medienberichten erwägt zwar auch er eine Neuwahl, aber zu einem späteren Zeitpunkt. Netanjahu stand im Laufe der Corona-Pandemie stark in der Kritik.

Oppositionsführer Jair Lapid warf der Koalition am Mittwoch in der Knesset ein totales Scheitern vor. „Die Regierung hat die Kontrolle über die Pandemie und das Land verloren.“ Die israelische Öffentlichkeit habe das Vertrauen in sie verloren.

Kein Vertrauen zwischen den Koalitionspartnern

Die Krise macht dem Land schwer zu schaffen. Die Arbeitslosigkeit lag zeitweise bei mehr als 20 Prozent. Vorgeworfen wurden der Regierung Fehler und Versäumnisse, die einen zweiten landesweiten Lockdown nötig machten. Netanjahu steht aber auch wegen des gegen ihn laufenden Korruptionsprozesses in der Kritik. Gantz lässt zudem U-Boot-Käufe prüfen, wegen der auch Netanjahu unter Druck geriet.

Zwischen den Koalitionären schwelt seit Monaten ein Streit um den Haushalt. Im Koalitionsvertrag ist festgelegt, dass die Regierung einen Etat für 2020 und 2021 verabschiedet. Netanjahu hatte diese Zusage aber zurückgezogen und wollte nur einen Haushalt für 2020. Der Regierungschef selbst nannte die außergewöhnlichen Umstände der Corona-Krise als Grund. Kritiker gingen jedoch davon aus, dass er damit unter anderem verhindern wollte, dass Gantz im Herbst 2021 vereinbarungsgemäß das Amt des Regierungschefs von ihm übernimmt.

Medienberichten zufolge soll der Ministerpräsident Gantz zunächst auch nicht über seine Bemühungen zur Annäherung mit arabischen Staaten informiert haben. Eine Reise nach Saudi-Arabien soll Netanjahu ebenfalls vor Gantz geheim gehalten haben.

dpa