Bundeswehrsoldaten im Gespräch mit einer Ortskraft in Afghanistan.  (Reuters)
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Die deutsche Entwicklungshilfeagentur GIZ zahlt afghanischen Ortskräften gegen die Zusage, das Land nicht zu verlassen, ein Jahresgehalt im Voraus. Einen entsprechenden „Spiegel“-Bericht bestätigte das Entwicklungsministerium am Sonntag. Die Einrichtung machte aber auch deutlich, dass die afghanischen Mitarbeiter damit nicht zum Bleiben gedrängt werden sollen.

Aus rechtlichen Gründen müssten diese zwar im Gegenzug versichern, sich nicht in das Programm für die Rückführung von Ortskräften aufnehmen zu lassen. „Sollten die Ortskräfte aber ihre Meinung ändern, insbesondere wenn sich die Gefährdungslage ändert, dann können sie sich immer noch auf die Ausreiseliste setzen lassen“, beteuerte ein Ministeriumssprecher der Deutschen Presse-Agentur.

„Unbürokratische Unterstützung“
Für die Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) waren bis zur Machtübernahme der Taliban noch rund 1100 afghanische Mitarbeiter tätig. Kurz nach dem Umsturz vor einer Woche setzte die Bundesregierung die Entwicklungshilfe komplett aus. Die afghanischen Mitarbeiter können sich nun entscheiden, ob sie auf einen der Evakuierungsflüge vom Flughafen Kabul wollen oder nicht. Diejenigen, die bleiben, bekommen das Jahresgehalt, obwohl sie faktisch keine Beschäftigung mehr haben.
Alle afghanischen Ortskräfte würden „unbürokratisch unterstützt - finanziell und nicht-finanziell“, erklärte das Ministerium. Dazu zählten „Hilfe bei Unterbringung, Ausreise sowie – wenn sie im Land bleiben wollen – eine finanzielle Unterstützung in Höhe eines Jahresgehalts zur Überbrückung der schwierigen Lage“. Letzteres sei von den afghanischen Beschäftigten begrüßt worden.
Es gibt allerdings auch scharfe Kritik an diesem Verfahren. Die FDP-Verteidigungspolitikern Marie-Agnes Strack-Zimmermann nannte es auf Twitter „abstoßend“ und fragte die GIZ: „Was läuft bei euch falsch?“ Der FDP-Entwicklungspolitiker Christoph Hoffmann sagte, es sei „verächtlich“, wie sich die GIZ aus der Verantwortung stehlen wolle.
Brugger: „Das ist so übel“
Die Parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen-Fraktion, Britta Haßelmann, nannte das Vorgehen „bitter“. „Ein weiterer Tiefpunkt im Handeln der Bundesregierung“, schrieb sie auf Twitter. Ähnlich äußerte sich die stellvertretende Grünen-Fraktionschefin Agnieszka Brugger: „Das ist so übel.“
Insgesamt sind nach Angaben des Entwicklungsministeriums 1800 afghanische Ortskräfte im deutschen Auftrag in der Entwicklungshilfe in Afghanistan tätig, 700 davon bei Nichtregierungsorganisationen. Diese Organisationen wollen überwiegend im Land bleiben und sehen die Aussetzung der staatlichen Entwicklungshilfe teils kritisch.
Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU) sagte der Funke Mediengruppe, bisher sei es erst für wenige Ortskräfte möglich gewesen, zum Flughafen in Kabul und auf eine der Evakuierungsmaschinen zu kommen. Dort herrschen seit Tagen chaotische Zustände. „Je schneller wir hier in den nächsten Tagen vorankommen, umso weiter können die Kriterien gefasst werden“, sagte Müller. Bis Sonntagnachmittag deutscher Zeit konnte die Bundeswehr etwas mehr als 2500 Menschen von Kabul in die usbekische Hauptstadt Taschkent ausfliegen.

dpa