Symbolbild: Flaggen der NATO und einiger Mitgliedsländer (dpa)
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Angesichts des russischen Angriffs auf die Ukraine erwägen Finnland und Schweden, ihre jahrzehntelange militärische Neutralität aufzugeben. Die NATO werde sie mit „offenen Armen“ empfangen, kündigte der Generalsekretär des Bündnisses, Jens Stoltenberg, an.

Kernaspekte der schwedischen und finnischen Verteidigungspolitik im Überblick:

Jahrzehntelang lehnte eine Mehrheit der Schweden und Finnen einen Beitritt zur NATO ab. Doch der Einmarsch Russlands in die Ukraine am 24. Februar markiert eine historische Wende – vor allem in Finnland, das eine 1300 Kilometer lange Grenze mit Russland teilt. In den vergangenen 20 Jahren befürworteten in Umfragen nie mehr als 20 bis 30 Prozent der Finnen und Schweden eine Mitgliedschaft im transatlantischen Verteidigungsbündnis. Jetzt stieg der Anteil in Finnland auf über 75 Prozent, in Schweden auf 50 Prozent. Auch viele Parteien änderten unter dem Eindruck des Ukraine-Krieges ihre Position in dieser Frage. Während des Kalten Krieges blieb Finnland neutral. Auch nach dem Fall des Eisernen Vorhangs blieb Finnland militärisch bündnisfrei. Schweden verfolgte bereits nach dem Ende der Napoleonischen Kriege Anfang des 19. Jahrhunderts eine Neutralitätspolitik. Nach dem Kalten Krieg wurde diese Neutralitätspolitik zu einer Politik der militärischen Blockfreiheit. Enge NATO-Partner Auch ohne Mitgliedschaft entwickelten Schweden und Finnland jedoch immer engere Beziehungen zur NATO. Beide Länder traten 1994 dem Programm Partnerschaft für den Frieden und 1997 dem Euro-Atlantischen Partnerschaftsrat bei. Die NATO bezeichnet Stockholm und Helsinki als zwei der „aktivsten Partner“, die sich beispielsweise an den Einsätzen des Bündnisses auf dem Balkan, in Afghanistan und im Irak beteiligten. Die schwedischen und finnischen Streitkräfte nehmen regelmäßig an Manövern mit NATO-Ländern teil. Das schwedische Militär Lange Zeit war die schwedische Politik der Ansicht, dass das Land zum Schutz seiner Neutralität ein starkes Militär benötigte. Nach dem Kalten Krieg kürzte die Regierung die Verteidigungsausgaben jedoch drastisch und Einsätze bei Friedensmissionen auf der ganzen Welt wurden zur Hauptaufgabe. Flossen 1990 noch 2,6 Prozent des Bruttoinlandsproduktes in die Verteidigung, waren es 2020 nur noch 1,2 Prozent. Als Reaktion auf den Krieg in der Ukraine will die Regierung in Stockholm die Militärausgaben wieder auf zwei Prozent erhöhen. 2010 wurde die Wehrpflicht abgeschafft, 2017 infolge der russischen Annexion der Krim teilweise wieder eingeführt. Das schwedische Militär verfügt mit seinen verschiedenen Teilstreitkräften über rund 50.000 Soldaten. Das finnische Militär Finnland hat bei der Verteidigung zwar auch gekürzt, unterhält aber immer noch eine weit größere Armee als das bevölkerungsreichere Schweden. Das Land mit seinen 5,5 Millionen Einwohnern kann im Fall eines Krieges auf 280.000 Soldaten und weitere 600.000 Reservisten zurückgreifen. Anfang April kündigte Helsinki an, seine Militärausgaben in den nächsten vier Jahren um mehr als zwei Milliarden Euro zu erhöhen. Für 2022 ist ein Verteidigungshaushalt von 5,1 Milliarden Euro vorgesehen. Kriegsbeteiligungen Schweden entsandte zwar Streitkräfte zu internationalen Friedensmissionen, war aber seit über 200 Jahren nicht mehr an einem Krieg beteiligt – zuletzt im schwedisch-norwegischen Krieg 1814. In den beiden Weltkriegen blieb das Land neutral. Finnland hingegen wurde 1939 von der Sowjetunion überfallen. Die Finnen leisteten erbitterten Widerstand. Am Ende waren sie dennoch gezwungen, in einem Friedensvertrag mit Moskau einen großen Teil der östlichen Region Karelien abzutreten. In einem „Freundschaftsvertrag“ von 1948 sicherte Moskau zu, den Nachbarn nicht anzugreifen, solange sich dieser aus der westlichen Verteidigungszusammenarbeit heraushält. Die erzwungene Neutralität des Landes prägte den Begriff der „Finnlandisierung“. Mehr zum Thema: NATO-Chef Stoltenberg warnt Putin vor Atomwaffen-Einsatz

AFP