Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hat Großbritannien vor einseitigen Änderungen am Nordirland-Protokoll gewarnt. „Niemand sollte die Regelung, die wir miteinander vereinbart haben, einseitig außer Kraft setzen, brechen oder auf irgendeine andere Weise damit umgehen“, sagte der Kanzler auf einer gemeinsamen Pressekonferenz mit dem belgischen Ministerpräsidenten Alexander de Croo am Dienstag in Berlin.
Die Regelungen, die Großbritannien und die EU im Rahmen des Post-Brexit-Abkommens für die britische Provinz Nordirland getroffen haben, seien „gut“, fügte Scholz hinzu. Zudem sei die EU-Kommission „immer mit größtem Pragmatismus“ bereit, mögliche Probleme bei der Umsetzung zu lösen.
Auch de Croo warnte London vor einseitigen Schritten: „Unsere Botschaft ist ganz klar: Rührt das nicht an. Das ist etwas, worauf wir uns geeinigt haben.“
Der britische Premierminister Boris Johnson hatte zuvor vor dem Hintergrund der schwierigen Regierungsbildung in Nordirland erklärt, die Handelsvereinbarungen seien nicht praktikabel und müssten dringend überarbeitet werden.
Die Lage sei „sehr ernst“, sagte Johnson nach Angaben seines Büros vom Dienstag in einem Telefonat mit dem irischen Regierungschef Micheal Martin. Die Regionalwahl in Nordirland habe „erneut gezeigt, dass das Protokoll in seiner jetzigen Form nicht tragfähig ist“, erklärte Downing Street.
Britische Außenministerin Truss plant Änderungen am Nordirland-Protokoll
Die britische Außenministerin Liz Truss plant laut einem Bericht der „Times“ vom Dienstag, große Teile des Nordirland-Protokolls zu streichen. Regierungsbeamte haben demnach einen Gesetzesentwurf erarbeitet, der alle Kontrollen für Waren aus Großbritannien aufhebt.
Die Regionalwahl in Nordirland vergangene Woche hatte die irisch-nationalistische Sinn Fein gewonnen. Die Regionalregierung muss gemäß dem Friedensabkommen von 1998 jedoch von katholischen Nationalisten und protestantischen Unionisten gemeinsam geführt werden.
Die pro-britische DUP fordert für die Bildung einer Regierung jedoch zunächst die Abschaffung der Zollvorschriften für die britische Provinz.
Das Nordirland-Protokoll im EU-Abkommen sieht Zollkontrollen im Warenaustausch zwischen der britischen Provinz und dem restlichen Vereinigten Königreich vor. London hatte dieser Regelung zugestimmt, um Kontrollen an der inner-irischen Grenze zu verhindern, da dies den Friedensprozess in der ehemaligen Unruheregion gefährden könnte.
AFP
Ähnliche Nachrichten

Corona-Krise spaltet Europa: Italien fordert mehr deutsche Solidarität
Die Corona-Krise setzt Südeuropa unter Druck. Insbesondere Italien fordert mehr Hilfe aus Deutschland und kritisiert Berlins ablehnende Haltung, „Corona-Bonds“ freizugeben. Die fehlende Solidarität stelle „eine tödliche Gefahr für die EU“ dar.
Selbe Kategorie

Boris Johnson übernimmt Verantwortung für „Partygate“ – aber kein Rücktritt
Der britische Premier Boris Johnson will aus seinen Fehlern gelernt haben. Es habe bereits Veränderungen gegeben. Das merkte auch die interne Ermittlerin Sue Gray in ihrem „Partygate“-Bericht an. Von Rücktritt sprach der Premier nicht.

Vergewaltigungsverdacht: Keine Ermittlungen gegen französischen Minister
Trotz der gegen ihn gerichteten Vergewaltigungsvorwürfe wird die französische Justiz vorläufig nicht gegen Solidaritätsminister Abad ermitteln. Mehrere Frauenrechts-Organisationen hatten gegen dessen Ernennung protestiert und den Rücktritt gefordert.
Worüber möchten Sie mehr erfahren?
Beliebt

Rekordzahl: Weltweit über 45 Millionen Binnenflüchtlinge
Eine Rekordzahl von Menschen ist wegen Konflikten und Katastrophen auf der Flucht im eigenen Land. Das Schicksal derer, die vertrieben aber nicht über Grenzen geflüchtet sind, werde international zu wenig beachtet, erklärt eine Hilfsorganisation.