US-Drohnenangriff in Kabul: Rakete schlägt in Auto voller Kinder ein (dpa)
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Als Esmarai Ahmadi am Sonntagabend von der Arbeit zurück nach Hause kommt, steigen zahlreiche freudige Kinder in sein Auto. Das Einparkmanöver in der Einfahrt - ein Abenteuer für die Kinder in der afghanischen Hauptstadt Kabul. Plötzlich eine gewaltige Explosion. „Die Rakete ist angeflogen und in das Auto voller Kinder eingeschlagen“, berichtet Ahmadis Bruder Aimal. „Sie hat alle getötet.“ Zehn seiner Verwandten seien bei einem US-Drohnenangriff ums Leben gekommen, darunter sechs Kinder. „Mein Bruder und seine vier Kinder wurden getötet“, sagt Aimal Ahmadi, als ein Journalist der Nachrichtenagentur AFP den Ort der Explosion im Kabuler Stadtteil Kwadscha Burga besucht. „Ich habe meine kleine Tochter verloren, Neffen und Nichten.“ Vor dem Haus sind ein vollkommen zerstörtes und ein schwer beschädigtes Auto zu sehen, AFP kann Ahmadis Angaben aber nicht unabhängig überprüfen.

US-Drohnenangriff auf ein mit Sprengstoff beladenes Fahrzeug

Die US-Streitkräfte sprechen von einem Drohnenangriff auf ein mit Sprengstoff beladenes Fahrzeug der Terrormiliz Daesh, das eine unmittelbare Bedrohung für den Flughafen von Kabul dargestellt habe. Am Donnerstag waren bei einem Selbstmordanschlag nahe des Flughafens inmitten der laufenden Evakuierungsmission rund hundert Menschen getötet worden, unter ihnen 13 US-Soldaten. Die US-Armee wollte nach eigenen Angaben einen neuen Anschlag verhindern. Das Militär prüfte nach dem Drohnenangriff Berichte über zivile Opfer - und erklärte, dass der Sprengstoff in dem zerstörten Fahrzeug für die Toten verantwortlich sein könnte. „Wir wissen, dass es als Ergebnis der Zerstörung des Fahrzeugs mächtige Folgeexplosionen gab“, erklärte Armeesprecher Bill Urban. „Das deutet auf eine große Menge von explosivem Material im Fahrzeuginneren hin, das zu zusätzlichen Opfern geführt haben könnte.“

Pentagon: „Transparenz“ bei der Untersuchung angekündigt

Pentagon-Sprecher John Kirby hat eingeräumt, dass zivile Opfer nicht ausgeschlossen werden könnten. „Wir sind nicht in einer Position, das zu bestreiten.“ Kirby hat „Transparenz“ bei der Untersuchung angekündigt und beteuert: „Keine Streitkräfte der Welt geben sich mehr Mühe, zivile Opfer zu vermeiden, als die Streitkräfte der USA.“ Allerdings werden bei US-Drohnenangriffen immer wieder auch Zivilisten getötet, In Kabul sagt Aimal Ahmadi, er könne nicht glauben, dass sein Bruder für einen Daesh-Sympathisanten oder gar für einen Attentäter gehalten worden sei. Esmarai arbeitete demnach als Ingenieur für eine Nichtregierungsorganisation.

„Glauben sie alle, dass unsere Kinder Terroristen sind?“

Empört zeigt sich auch Raschid Noori, der sich als Nachbar der Familie vorstellt. „Die Taliban töten uns, der Daesh tötet uns, die Amerikaner töten uns“, sagt er. „Glauben sie alle, dass unsere Kinder Terroristen sind?“ Die US-Streitkräfte haben inzwischen ihren Truppenabzug aus Afghanistan abgeschlossen: In der Nacht auf Dienstag verließen die letzten Soldaten an Bord einer Militärmaschine die Hauptstadt Kabul. Damit endete der knapp 20-jährige Militäreinsatz, der nach den Anschlägen vom 11. September 2001 in New York und Washington begonnen hatte.

AFP