Archivbild. 21.07.2021, Rheinland-Pfalz, Marienthal: Rettungskräfte sind nach dem Hochwasser in Marienthal im Einsatz. (dpa)
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Eine Studie internationaler Klimaforscher bestätigt den Zusammenhang zwischen der Erderwärmung und Hochwasserkatastrophen wie zuletzt an Ahr und Erft. Der Klimawandel habe die Wahrscheinlichkeit für solche extremen Überflutungen in Westeuropa um einen Faktor zwischen 1,2 und neun erhöht, heißt es in der am Dienstag veröffentlichten Studie der Forschungsinitiative World Weather Attribution. Außerdem habe die Intensität solcher Katastrophen durch den menschengemachten Klimawandel um drei bis 19 Prozent zugenommen.

Dies mache deutlich, „dass selbst Industrieländer nicht vor den schweren Auswirkungen solcher Extremwetterereignisse geschützt sind und dass sich dies mit dem weiteren Klimawandel noch verschärfen wird“, mahnte die deutsche Klimaforscherin Friederike Otto, die an der Universität Oxford lehrt und derzeit World Weather Attribution (WWA) leitet. „Das stellt für uns alle eine globale Gefahr dar, der wir dringend Einhalt gebieten müssen.“

Mitte Juli hatte Tief „Bernd“ in Teilen Westeuropas extreme Regenfälle mit sich gebracht. In der Gegend um die Ahr in Rheinland-Pfalz und die Erft in Nordrhein-Westfalen fielen an einem Tag mehr als 90 Millimeter Regen pro Quadratmeter. An der Maas in Belgien waren es binnen zwei Tagen 106 Millimeter.

„Deutliches Überschreiten an Rekorden“

Studien-Koautor Frank Kreienkamp, der das Regionale Klimabüro Potsdam vom Deutschen Wetterdienst (DWD) leitet, betonte, es habe ein „deutliches Überschreiten an Rekorden“ gegeben. Die folgenden Überflutungen waren die höchsten, die jemals in diesen Regionen gemessen wurden. Durch die Flutkatastrophen kamen in Deutschland und Belgien etwa 220 Menschen ums Leben.

Enno Nilson von der Bundesanstalt für Gewässerkunde betonte, auch wenn sich die Wirkung des Klimawandels auf Wahrscheinlichkeit und Intensität künftiger Flutkatastrophen nicht punktgenau beziffern lasse, sei der generelle Zusammenhang „klar und deutlich“.

Die WWA-Initiative gleicht statistische Wetterdaten und Klimadaten aus der Vergangenheit mit Klimamodellen ab, um schneller als herkömmliche wissenschaftliche Studien eine Einschätzung zu einem bestimmten Extremwetterereignis zu geben. In einer anderen Studie hatte WWA dieses Jahr bereits festgestellt, dass die extreme Hitzewelle in Nordamerika ohne den Klimawandel „praktisch unmöglich“ gewesen wäre.

Ähnliche Hochwasserkatastrophen nur alle 400 Jahre

Die 39 Autoren der nun veröffentlichten Untersuchung errechneten, dass derzeit zu erwarten ist, dass ein bestimmtes Gebiet in Westeuropa etwa einmal in 400 Jahren von einem Hochwasser wie diesen Sommer die Gebiete an Ahr und Erft heimgesucht wird. In der gesamten Region sind demnach gleich mehrere derartige Katastrophen innerhalb von 400 Jahren zu erwarten.

Ohne den menschengemachten Klimawandel wären solche Katastrophen hingegen nur etwa alle 2000 Jahre aufgetreten, legte Kreienkamp dar. Und die Gefahr nimmt demnach mit dem Fortschreiten des Klimawandels weiter zu. Bei Erreichen einer Erderwärmung um zwei Grad im Vergleich zum vorindustriellen Zeitalter seien Flutkatastrophen wie unlängst an Ahr und Erft in Westeuropa im Schnitt etwa alle 300 Jahre zu erwarten. Zudem werde auch ihre Intensität weiter zunehmen.

Auf mögliche künftige Extremwetterereignisse vorbereiten

Kreienkamp mahnte daher, die örtlichen und nationalen Behörden in Westeuropa müssten „sich dieser wachsenden Risiken durch Starkregen bewusst sein, um besser auf mögliche künftige Extremwetterereignisse vorbereitet zu sein“.

Deutsche Umweltschutzorganisationen forderten in Reaktion auf die Veröffentlichung der Studie mehr Klimaschutz und bessere Risikovorsorgemaßnahmen in bedrohten Regionen. Greenpeace rief am Dienstag in Hamburg zu einem vorgezogenen Kohleausstieg und einem Ende von Verbrennungsmotoren auf. Regierung und Konzerne müssten angesichts des Zusammenhangs von Extremwettern handeln, bevor die „gesellschaftlichen Kosten“ unbezahlbar hoch würden.

Germanwatch forderte einen Ausstieg aus der Nutzung von Kohle, Erdöl und Erdgas. Außerdem sprach sich die Organisation für ein „Turboprogramm“ für den Ausbau von erneuerbaren Energien und „Risikovorsorge“ in potenziell von Extremwettern betroffenen Gebieten aus. Die Deutsche Umwelthilfe verlangte zugleich Nachbesserungen am Wiederaufbaupaket für die Flutgebiete.

AFP