Symbolbild: Flüchtlinge. (dpa)
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Immer mehr Ukrainer suchen wegen des russischen Angriffskriegs auf ihr Land Schutz in anderen Ländern. Auch in Deutschland steigt die Zahl der Kriegsflüchtlinge. Wie das Bundesinnenministerium am Samstag mitteilte, registrierte die Bundespolizei in Deutschland bislang 27.491 Kriegsvertriebene aus der Ukraine. Die tatsächliche Zahl der nach Deutschland eingereisten Ukrainer könne aber „wesentlich höher sein“, hieß es dazu. Da es keine Grenzkontrollen gebe, bilde die offizielle Zahl nur einen Teil der Geflüchteten ab. Nach Angaben des Ministeriums erfasst die Bundespolizei die Zahl der Kriegsvertriebenen aus der Ukraine seit dem Beginn der russischen Angriffe am 24. Februar.
EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen sagte am Samstag, schon jetzt seien mehr als 1,2 Millionen Menschen aus der Ukraine geflohen. „Und diese Zahl wird sich in den nächsten Tagen und Wochen wahrscheinlich noch vervielfachen.“ Nach Angaben der UN-Migrationsagentur IOM flüchteten bereits 1,45 Millionen Menschen in die Nachbarländer der Ukraine. Knapp 790.000 von diesen kamen demnach in Polen an, fast 230.000 in Moldau und 145.000 in Ungarn. Die polnischen Grenzbehörden sprachen am Samstagabend sogar von 830.000 Flüchtlingen aus dem Nachbarland.

Berlins Bürgermeisterin Giffey fordert Hilfe vom Bund
Berlins Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey forderte dringend Hilfe vom Bund. „Die Aufnahme der Menschen aus der Ukraine ist eine nationale Aufgabe“, sagte die SPD-Politikerin der Deutschen Presse-Agentur. Der Bund müsse auch über das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) dringend aktiv werden „und ein bundesweites Verteilsystem schaffen, da Berlin andernfalls an die Grenze seiner Aufnahmekapazität gerät“. Das gelte es unbedingt zu vermeiden.
Allein am Freitag kamen nach Angaben der Berliner Senatsverwaltung für Integration, Arbeit und Soziales mehr als 11.000 Kriegsflüchtlinge in der Stadt an. Es sei klar, dass in den nächsten Tagen weiterhin Tausende Menschen kämen, sagte Giffey. Das Land Berlin habe binnen zehn Tagen Tausende Plätze in verschiedensten Unterkünften geschaffen. Bald werde Berlin die angekündigte Schaffung von Unterkünften für 20.000 Menschen erreicht haben, sagte Giffey.

Prognose über die Zukunft schwer abzugeben

Das Bundesinnenministerium betont, dass es aktuell schwer sei, eine Prognose dazu abzugeben, wie viele Ukrainer im Zuge der russischen Angriffe ihr Land noch verlassen könnten. Mehrere Medien, darunter der „Spiegel“ und die „Welt am Sonntag“ hatten zuvor über eine IOM-Schätzung berichtet, wonach bis zu 225 000 Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine in Deutschland Schutz suchen könnten. Das Innenministerium bekräftigte auf Anfrage der dpa, dass es sich dabei um Schätzungen handele. Die aktuell vorliegenden Einschätzungen könnten „je nach Quelle variieren» und sich „aufgrund der dynamischen Lage“ kurzfristig ändern, hieß es.
Um den Ukrainern einen möglichst unbürokratischen Schutz zu bieten, hatte die EU hatte am Freitag erstmals eine Richtlinie für den Fall eines „massenhaften Zustroms“ von Vertriebenen in Kraft gesetzt. Der Schutz für die Menschen aus der Ukraine gilt demnach zunächst für ein Jahr, kann jedoch um insgesamt zwei weitere Jahre verlängert werden. Ein langwieriges Asylverfahren ist damit nicht nötig. Zudem haben die Schutzsuchenden unmittelbar unter anderem das Recht auf Sozialleistungen, Bildung, Unterkunft sowie auf eine Arbeitserlaubnis. Die Deutsche Polizeigewerkschaft (DPolG) forderte angesichts der vielen Schutzsuchenden reguläre Kontrollen an den deutschen Grenzen zu Polen und Tschechien.

Derzeit keine Kontrollen an Grenze zu Polen und Tschechien

Die gibt es laut Innenministerium derzeit nicht, auch wenn die Bundespolizei verstärkt „an den östlichen Binnengrenzen“ kontrolliere. Der DPolG-Bundesvorsitzende Rainer Wendt warnte vor den Risiken, die unkontrollierte Einreisen mit sich brächten. „Niemand denkt daran, Menschen abzuweisen, die über die Grenze jetzt nach Polen und dann weiter nach Deutschland einreisen. Nur nimmt die Hilfsbereitschaft Schaden, wenn wir nicht wissen, wer zu uns kommt“, schrieb Wendt in einer Erklärung, die auf der Webseite der Polizeigewerkschaft zu lesen ist. Zuvor hatte die „Passauer Neue Presse“ darüber berichtet.
Wendt sagte, dass die Bundespolizei an den Grenzen zu Polen und Tschechien „exakt dieselben Befugnisse“ brauche wie an der Grenze zu Österreich. Zwar stehe Deutschland durch den Zustrom aus der Ukraine nicht vor einem Kontrollverlust, übe sich aber in einem „Kontrollverzicht“. „Es besteht die Gefahr, dass wieder viele Menschen nach Deutschland kommen, ohne dass wir wissen, wer sie sind.“ Das dürfe nicht geschehen.

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dpa