Archivbild - 06.03.2021, Syrien, Al Roj: Ein undatiertes Bild aus einem Video zeigt Zelte in dem von der Terrororganisation YPG/PKK kontrollierem Lager Roj. (Save The Children//AAP/dpa)
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In den Lagern der PKK/YPG-Terroristen in Syrien wächst aus Sicht von Experten die nächste Generation von Extremisten heran – so wie einst das Camp Bucca im Irak die Entstehung von Daesh befeuert habe. Zehntausende Menschen leben demnach in erbärmlichen Verhältnissen und in schlecht gesicherten Strukturen. In den Lagern wachse eine große Zahl an Kindern mit Hass auf, die keinen Zugang zu Bildung hätten. Die Hälfte der 62.000 Bewohner des PKK/YPG-Lagers in al-Hol im Nordosten Syriens sind Iraker. Die Stadt wird seit dem syrischen Bürgerkrieg von der Terrorgruppe besetzt. 90 Prozent der Lagerinsassen sind Frauen und Kinder von Daesh-Kämpfern. Am Samstag meldete die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte den Tod von drei Menschen in al-Hol, darunter zwei irakische Flüchtlinge. Diese seien zuvor bedroht und deshalb in einem besonders geschützten Bereich untergebracht worden. Menschenrechtsorganisationen und Centcom warnten bereits über Zustände Bereits im Februar hatte der Chef des US-Streitkräftekommandos für den Nahen Osten (Centcom), US-General Kenneth McKenzie, die Menschen im Lager al-Hol in Erinnerung gerufen, von denen zwei Drittel minderjährig und mehr als die Hälfte jünger als zwölf Jahre sind. „Das Langzeitrisiko ist die Indoktrinierung“, sagte McKenzie. Es handele sich um eine „alarmierende Entwicklung“, für die es keine militärische Lösung gebe. Im Juli hatte der Nahost-Regionaldirektor des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz (IKRK), Fabrizio Carboni, ebenfalls beklagt, dass hunderte Kinder im Nordosten Syriens in Gefängnissen festgehalten würden. In den Einrichtungen herrschten menschenrechtswidrige Bedingungen, unterstrich Carboni. Als Teil seiner Mission beim IKRK habe er viele Konfliktzonen auf der ganzen Welt besucht. Der Besuch des Lagers in der syrischen Stadt al-Hol sei jedoch jedes Mal eine besonders erschütternde Erfahrung für ihn gewesen, sagte Carboni.

„Westliche Länder kümmern sich nicht um eigene Bürger“ Die Hilfsorganisationen werfen den westlichen Ländern vor, sich nicht um ihre eigenen Bürger in den Lagern zu kümmern. Demnach gab es im Juli etwa 320 Kinder mit französischen Wurzeln in Gefängnissen in Roj und al-Hol. Davon seien nur 35 nach Frankreich geholt worden. Anfang Oktober hatte die Bundesregierung acht deutsche Frauen und deren 23 Kinder aus Lagern der Terrororganisation PKK/YPG zurückgeholt. Drei der Frauen waren nach ihrer Ankunft wegen des Verdachts auf eine Daesh-Mitgliedschaft festgenommen worden. Es leben aber viele weitere Deutsche in den Camps. „Was wir hier sehen, ist, dass die Regierungen die Kinder, die in erster Linie Opfer des Konflikts sind, einfach im Stich lassen“, sagte Sonia Khush, Leiterin der Syrienhilfe von Save the Children. PKK/YPG-Lager al-Hol eine Art „Gewächshaus“ für Extremisten Die Zeit für eine Lösung drängt. Experten zufolge will die PKK/YPG, die das Gebiet in ihrer Gewalt hat, die Flüchtlinge loswerden. Bisher nutzte die Terrororganisation unter anderem die Lager als eines ihre Argumente, um ihre Besetzung nicht aufzugeben. Der Terrorismusexperte Yoram Schweitzer vom Institut für Nationale Sicherheitsstudien (INSS) in Tel Aviv beschreibt das Umfeld, in dem die Kinder in al-Hol aufwachsen, als eine Art „Gewächshaus“ für Extremisten. Zwar sei es unmöglich abzuschätzen, wie viele davon tatsächlich zu Terroristen würden, es werde aber unausweichlich geschehen. Experten befürchten Zustände wie nach Camp Buccas In den 2000er Jahren hatten die USA zehntausende Menschen im Camp Bucca im Südirak inhaftiert. Darunter waren ehemalige Offiziere Saddam Husseins sowie Mitglieder seiner Baath-Partei. Der Extremismus-Experte Will McCants stellte bereits 2015 fest, dass auch wenn die Insassen vielleicht bei ihrer Ankunft keine Extremisten gewesen seien, „wurden es viele vor ihrem Abschied.“ Demnach zirkulierten im Lager „radikale Manifeste“ vor den Augen der Amerikaner. Zu den Insassen von Camp Bucca gehörten auch der spätere Daesh-Chef Abu Bakr al-Bagdadi sowie sein Nachfolger Amir Mohammed al-Mawli. Bei seiner Entlassung besaß al-Bagdadi laut McCants ein prall gefülltes Adressbuch. „Sie haben ihre jeweiligen Nummern in die Gummizüge ihrer Unterwäsche notiert.“ Experte Schweitzer fordert die Auflösung der Gefangenenlager in Syrien und ein Ende des „humanitären Desasters“. Wer unter solchen Bedingungen inhaftiert werde, habe das Potenzial, in die Kriminalität oder den Terrorismus abzurutschen, sagt Schweitzer. „Es ist wie stehendes Wasser, das faul wird. Es muss abfließen können. Nichts Gutes kann daraus entstehen.“

TRT Deutsch und Agenturen