Brasilien: Baerbock und Heil besprechen Wirtschaftsthemen in São Paulo / Photo: DPA (dpa)
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Mit einem Besuch in der Wirtschaftsmetropole São Paulo setzen Bundesaußenministerin Annalena Baerbock und Arbeitsminister Hubertus Heil an diesem Dienstag ihren gemeinsamen Besuch in Brasilien fort. Unter anderem wollen die Grünen-Politikerin und ihr SPD-Kollege ein brasilianisches Werk von Mercedes-Benz besuchen, in dem Busse mit Elektroantrieb gebaut werden. Dabei sollte es auch um Probleme bei der Fertigung der Batterien sowie um Abhängigkeiten von China gehen.

Brasilien ist das fünftgrößte Land der Erde, nimmt fast die Hälfte der Fläche des südamerikanischen Kontinents ein und ist mit seinen etwa 215 Millionen Einwohnern wichtigster Handelspartner Deutschlands in Südamerika. Es ist zudem das einzige Land in der Region, mit dem Deutschland seit 2008 per strategischer Partnerschaft verbunden ist. Brasilien verfügt über immense Rohstoffvorräte und ist deswegen auch für die deutsche Industrie wichtig. Dies gilt auch für spezielle Metalle und Mineralien, die in den Bereichen erneuerbare Energien, Elektromobilität und Leichtbau gebraucht werden.

Die Region São Paulo gilt mit etwa 1000 deutschen Unternehmen als einer der größten deutschen Industriestandorte im Ausland. Insbesondere Unternehmen aus der Fahrzeug- und Zuliefererindustrie, viele deutsche Konzerne, aber auch das Goethe-Institut, politische Stiftungen und deutsche Auslandsschulen sind dort vertreten.

Bundesarbeitsminister Heil und Außenministerin Baerbock sehen zudem gute Chancen, die Anwerbung qualifizierter Pflegekräfte aus Brasilien weiter anzukurbeln. „Brasilianische Pflegekräfte und kolumbianische Elektriker finden in Deutschland bereits offene Arme. Diese Partnerschaft wollen wir ausbauen“, sagte Baerbock über den am Montag. Heil erklärte, man wolle „in Brasilien für Deutschland als attraktiven Standort mit guten Arbeits- und Lebensbedingungen werben“.

Baerbock (Grüne) und Heil (SPD) waren am späten Sonntagabend (Ortszeit) nach einem mehr als elfstündigen und knapp 10.000 Kilometer langen Flug in dem mit etwa 215 Millionen Menschen einwohnerstärksten Land Lateinamerikas eingetroffen. Brasilien ist das einzige Land in der Region, mit dem Deutschland seit 2008 durch eine strategische Partnerschaft verbunden ist. Es ist zudem wichtigster Handelspartner Deutschlands in Südamerika.

Heil: Können Win-win-win-Situation schaffen

Besonders in qualifizierten Pflegeberufen sei der Bedarf an Fachkräften in Deutschland groß, während es in Brasilien einen Überhang an gut ausgebildeten Pflegekräften gebe, sagte Heil vor der Abreise. „Daraus können wir eine klassische Win-win-win-Situation schaffen, bei der alle profitieren.“ Deutschland bekomme qualifizierte Fachkräfte. Brasilien profitiere, „etwa indem wir uns in der Ausbildung vor Ort engagieren“. Die Arbeitslosenquote bei Pflegerinnen und Pflegern liege in Basilien bei zehn Prozent.

Der Arbeitsminister wollte am Montag bei einem Termin in einer Ausbildungsstätte für Pflegeberufe der Katholischen Universität Brasilia (UCB), einem Treffen mit seinem brasilianischen Kollegen Luis Marinho und einem Besuch bei der brasilianischen Pflegekammer Cofen über den Ausbau der Anwerbung von Pflegekräften sprechen. Nach Angaben Heils arbeiten derzeit bereits bis zu 200 brasilianische Pflegekräfte in Deutschland.

Die UCB ist die zweitgrößte Hochschule in der Hauptstadt. In einem vierjährigen Studiengang werden Pflegekräfte mit Bachelor-Abschluss ausgebildet. Mit Marinho war die Unterzeichnung einer gemeinsamen Erklärung zu Arbeitnehmerrechten, zur sozialen Verantwortung von Unternehmen und zu Lieferketten geplant.

Bundesagentur betreut mehr als 370 brasilianische Pflege-Bewerber

Die Bundesagentur für Arbeit (BA) hat mit der Pflegekammer Cofen im Juni 2022 eine Absprache zur Vermittlung von Pflegefachkräften unterzeichnet. Die Kammer hat rund 2,5 Millionen Mitglieder. In dem Abkommen stehen Regeln zur Bewerberauswahl, zum Vermittlungsprozess, zum Spracherwerb und zur Anerkennung beruflicher Qualifikationen.

Für Gesundheitsberufe bestehen bei der Anerkennung in Deutschland nach Angaben der Bundesregierung gute Aussichten. In der Regel seien aber Anpassungsqualifizierungen nötig. Für eine vollständige Anerkennung dauerten derartige Maßnahmen oft drei bis acht Monate.

Die BA rekrutiert seit 2018 brasilianische Fachkräfte für den deutschen Arbeitsmarkt. Derzeit betreut sie nach eigenen Angaben 374 Bewerber aus Pflegeberufen, 43 aus technischen und Handwerksberufen sowie 42 aus Ingenieur- und IT-Berufen. Laut Heil hält die BA die Anwerbung von bis zu 700 Pflegekräften pro Jahr für möglich.

Wie steht Baerbock zu Lulas „Friedensclub“-Plänen?

Für Baerbock dürften bei ihren Gesprächen das Verhältnis der Gastgeber zum russischen Präsidenten Wladimir Putin im Angriffskrieg auf die Ukraine sowie die Themen Klima und Umwelt im Mittelpunkt stehen. Neben einem Treffen mit dem außenpolitischen Berater von Präsident Luiz Inácio Lula da Silva, dem früheren Verteidigungs- und Außenminister Celso Amorim, stehen für sie Termine mit Vizepräsident und Industrieminister Geraldo Alckmin, der Vize-Außenministerin Maria Laura da Roche sowie Umweltministerin Marina Silva auf dem Programm. Außenminister Mauro Vieira ist aktuell nicht im Land.

Baerbock setzt trotz unterschiedlicher Akzente gegenüber Moskau auf brasilianische Unterstützung bei den Bemühungen um ein Ende des russischen Angriffs auf die Ukraine. Die Regierung unter Lula wolle „Brasiliens starke Stimme bei der Lösung der drängendsten globalen Herausforderungen einbringen“, sagte sie. „Dabei verbindet uns der feste Glaube, dass es Wohlstand nur geben kann, wenn Freiheit und Frieden herrschen - auch wenn wir, wie zuletzt beim russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine, unterschiedliche Blickwinkel haben.“

Lula hat sich angesichts der russischen Aggression bisher nicht klar an die Seite der Ukraine gestellt. Er macht sich für eine internationale Vermittlung durch einen „Friedensclub“ stark, zu dem neben Brasilien auch Indien, Indonesien und China gehören sollen. Bei einem China-Besuch im April hatte Lula mit Kritik an der Militärhilfe der Nato und anderer Länder für die Ukraine für erhebliche Irritationen in den USA und Europa gesorgt.

dpa