UNHCR: Rund 370.000 Ukrainer auf der Flucht – Mehr als 200.000 in Polen (dpa)
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Wegen des russischen Angriffs auf die Ukraine sind nach Angaben des UN-Flüchtlingshilfswerks (UNHCR) etwa 368.000 Menschen auf der Flucht. Die Zahl basiere auf den Daten nationaler Behörden - und sie steige weiter, teilte das UNHCR am Sonntag über Twitter mit. Wie der polnische Grenzschutz mitteilte, kamen allein in Polen mehr als 200.000 Flüchtlinge seit Beginn des Ukraine-Kriegs an. Auch Deutschland stellt sich auf die Aufnahme einer größeren Zahl von Menschen ein. Erste Kriegsflüchtlinge trafen am Wochenende in der Bundesrepublik ein - ihre Zahl war aber zunächst noch relativ gering.

Berlin hat am Samstag rund 120 Flüchtlinge aufgenommen

Die Innenminister der 27 EU-Staaten wollten am Sonntagnachmittag zu einem Krisentreffen zusammenkommen. Der französische Innenminister Gérald Darmanin hatte am Freitag auf Twitter mitgeteilt, dass „über konkrete Antworten auf die Situation in der Ukraine“ gesprochen werden solle. Frankreich hat derzeit den Vorsitz der EU-Staaten inne. Russische Truppen waren am Donnerstag in die Ukraine einmarschiert und rücken seitdem unter anderem auf die Hauptstadt Kiew vor. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und die Ministerpräsidenten der Länder hatten am Freitag über die mögliche Aufnahme von Flüchtlingen beraten. Allein Brandenburg macht sich nach den Worten von Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) bereit für mindestens 10.000 Ukraine-Flüchtlinge in den nächsten Tagen. Brandenburg hat die längste Grenze der Bundesländer zu Polen - dort sprach die Bundespolizei zunächst aber von einer geringen Zahl an Geflüchteten. In Berlin wurden bis zum Samstagabend rund 120 Flüchtlinge aufgenommen. In Sachsen teilte die Bundespolizei am Sonntag mit, die Zahl der Flüchtlinge liege im mittleren zweistelligen Bereich. Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) versprach Hilfe. „Der Bund wird jede mögliche Unterstützung leisten. Wir sind vorbereitet und sehr aufmerksam hinsichtlich aller denkbaren Auswirkungen dieses Krieges“, sagte sie der „BamS“. Sie betonte: „Jetzt geht es darum, schnell, solidarisch und gemeinsam in Europa zu handeln.“

Polen die erste Anlaufstelle für Flüchtlinge

Die Deutsche Bahn ermöglicht Geflüchteten mit ukrainischem Pass oder Personalausweis, kostenlos alle Fernzüge aus Polen in Richtung Deutschland zu nutzen. „Damit soll Flüchtenden die Weiterreise ab der Grenze erleichtert werden“, teilte der Konzern am Sonntag mit. Die Bundesregierung geht nach Angaben vom Freitag davon aus, dass für viele Flüchtlinge Polen die erste Anlaufstelle sein wird. Polens Vize-Innenminister Pawel Szefernaker sagte, wegen der langen Staus auf der ukrainischen Seite der Grenze habe man sich entschieden, an allen Grenzpunkten auch einen Übergang für Fußgänger zu öffnen. Nach seinen Angaben handelt es sich bei den Flüchtlingen hauptsächlich um Frauen mit Kindern sowie Männer im nichtwehrfähigen Alter. Polens Ministerpräsident Mateusz Morawiecki sagte den Zeitungen der Funke Mediengruppe und der französischen Zeitung „Ouest-France“, sein Land sei „bereit, Zehntausende, Hunderttausende ukrainischer Flüchtlinge aufzunehmen“.

Etwa 860.000 Binnenflüchtlinge in der Ukraine unterwegs

UNHCR-Sprecher Chris Melzer sagte mit Blick auf die Ukraine: „Wir gehen davon aus, dass die größte Fluchtbewegung im Land stattfindet.“ Schätzungen zufolge waren bereits vor Beginn der russischen Invasion etwa 860.000 Binnenflüchtlinge in der Ukraine unterwegs, vor allem aus den ostukrainischen Separatistengebieten sowie der von Russland annektierten Schwarzmeer-Halbinsel Krim. Die Zahl sei nun natürlich gestiegen, sagte Melzer. Seriöse Schätzungen zur Zahl der Binnenflüchtlinge seit Kriegsbeginn seien aber bisher nicht möglich. Das UNHCR habe auf der ukrainischen Seite bereits vor Tagen seine Vorräte aufgestockt, sagte Melzer. Dazu zählten Zelte, Decken und Kanister ebenso wie Hygieneartikel, Windeln oder Seife. Der Notfallplan der polnischen Regierung funktioniere zudem bisher sehr gut. „Was unglaublich beeindruckend ist, ist die Solidarität der Menschen“, sagte Melzer. Er beklagte fehlende finanzielle Mittel. „Das erschwert unsere Hilfe, die dringend benötigt wird.“ In Ungarn trafen seit Beginn der russischen Invasion bis Sonntagfrüh rund 70.000 Menschen aus der Ukraine ein, wie die ungarische Polizei mitteilte. In Rumänien kamen bis Sonntag (0.00 Uhr Ortszeit) mehr als 47.000 Ukrainer an, wie ein rumänischer Regierungssprecher sagte. In Tschechien traf bereits am Samstag ein erster Sonderzug mit Flüchtlingen ein, wie die staatliche Eisenbahngesellschaft Ceske Drahy mitteilte. An Bord waren zunächst nur etwas mehr als ein Dutzend Frauen und Kinder. In der Slowakei waren nach dortigen Behördenangaben schon am ersten Tag nach dem russischen Angriff rund 7500 Menschen aus der Ukraine angekommen, am zweiten Tag waren es schon 10.526 Menschen innerhalb von 24 Stunden.

dpa