Organspendeausweis - Archivbild (dpa)
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Die Bundesbürger sollen künftig stärker zu einer konkreten Entscheidung über Organspenden bewegt werden. Der Bundestag beschloss einen Entwurf einer Abgeordnetengruppe um Grünen-Chefin Annalena Baerbock, der dafür etwa regelmäßige Hinweise auf das Thema beim Ausweisabholen vorsieht. In der entscheidenden dritten Lesung votierten 432 Abgeordnete dafür, 200 Parlamentarier stimmten dagegen, 37 enthielten sich. Damit bleiben Organspenden in Deutschland auch nur mit ausdrücklich erklärter Zustimmung erlaubt.

Der nun beschlossene Gesetzentwurf der Gruppe um Baerbock und Linke-Chefin Katja Kipping lehnte einen derart tiefen Eingriff in die Selbstbestimmung ab. Stattdessen sollen alle Bürger mindestens alle zehn Jahre direkt angesprochen werden. Wer ab dem Alter von 16 Jahren einen Personalausweis beantragt, ihn verlängert oder sich einen Pass besorgt, soll auf dem Amt Informationsmaterial bekommen. Beim Abholen soll man sich dann vor Ort oder auch später zu Hause in ein neues Online-Register eintragen können - mit Ja oder Nein. Selbst beraten sollen Ämter ausdrücklich nicht.

Für eine regelmäßige Aufklärung sollen auch Hausärzte eine größere Rolle spielen. Sie sollen Patienten bei Bedarf alle zwei Jahre über Organspenden informieren und zum Eintragen ins Register ermuntern - aber ergebnisoffen und mit dem Hinweis, dass es weiter keine Pflicht zu einer solchen Erklärung gibt. Grundwissen über Organspenden soll auch Teil der Erste-Hilfe-Kurse vor einer Führerscheinprüfung werden. Im Online-Register sollen Entscheidungen jederzeit zu ändern sein.

Gemeinsames Ziel beider Initiativen ist es, angesichts von rund 9000 Patienten auf den Wartelisten zu mehr Organspenden zu kommen. Die Zahl der Spender ging im vergangenen Jahr wieder leicht auf 932 zurück, nachdem 2018 noch 955 Menschen nach ihrem Tod Organe für andere Patienten überlassen hatten. Es gab nun aber weiterhin mehr Spender als beim bisherigen Tiefstand von 797 im Jahr 2017. Im vergangenen Jahr wurden 2995 Organe an die Vermittlungsstelle Eurotransplant übergeben - vor allem Nieren, Lebern und Lungen.

Unabhängig von der Debatte über neue Regeln gilt seit vergangenem Jahr ein Gesetz, das die Bedingungen für Organspenden in Kliniken verbessern soll. Es sieht mehr Geld sowie mehr Kompetenzen und Freiräume für Transplantationsbeauftragte der Kliniken vor. Mobile Ärzteteams sollen kleineren Häusern ohne eigene Experten helfen, einen Hirntod als Voraussetzung für Organ-Entnahmen festzustellen.

Die CDU-Abgeordnete Claudia Schmidtke fragte im Plenum, „ob wir Schicksale wie das von Marius Schäfer weiterhin ertragen wollen“. Sie warb für eine Widerspruchslösung, nach der jeder als Organspender gilt, außer man widerspricht.

Schmidtke berichtete: „Marius ist heute hier, auf der Tribüne, mit seinem Vater. Er hat als Elfjähriger vor acht Jahren im Gegensatz zu den vielen Wartenden eine Spende erhalten. Allerdings war es die erste Lebendspende einer Lunge in Deutschland. Beide Eltern haben einen Teil von ihrer Lunge abgeben müssen, um ihm das Leben, bis heute jeden einzelnen kostbaren Tag, zu schenken.“ Solch ein Schritt sei bis dahin noch nie gewagt worden. „Er gefährdet nämlich drei Betroffene.“

Die Linke-Abgeordnete Kathrin Vogler ist Anhängerin des alternativen Antrags, mit dem mehr Menschen zur Entscheidung über eine Organspende bewegt werden sollen. Sie führte das Schicksal einer Freundin an, die seit etwa einem Jahr nach einem Nierenversagen auf eine Blutreinigung per Dialyse angewiesen sei. „Für die war das letzte Jahr wirklich das schlimmste in ihrem bisherigen Leben, und sie will unbedingt wieder arbeiten und auch politisch aktiv sein, aber all das ist im Augenblick nach mehreren gesundheitlichen Rückschlägen in weite Ferne gerückt“, sagte Vogler.

„Sie braucht in absehbarer Zeit eine Organtransplantation, um überhaupt weiterzuleben. (...) Sie sagte zu mir: Ich bin selbst seit vielen Jahrzehnten Organspenderin. Ich habe einen Ausweis, es ist für mich selbstverständlich. Aber es ist für mich auch wichtig, dass ich das freiwillig entscheide. Ich will nicht dazu genötigt werden, irgendwo hinzugehen, um zu sagen, was ich nicht will.“

dpa