Ex-Feuerwehrpräsident Ziebs: „Führen durch Vorbild“ (dpa)
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von Feride Tavus

2016 hatte der Ex-Feuerwehrpräsident Hartmut Ziebs die türkischstämmige Juristin Müjgan Perçin gegen den Widerstand der Vorstandsmitglieder des Deutschen Feuerwehrverbandes (DFV) als Geschäftsführerin eingestellt. Perçin wurde dort nach eigener Aussage als muslimisch-türkische Frau ausgegrenzt und diskriminiert. Die Juristin klagt nun vor Gericht. Ziebs war von 2016 bis 2019 Präsident des DFV in Berlin. In einem Exklusivinterview nimmt er Stellung zu den Ereignissen und erzählt von seinen Erfahrungen.

In Ihrer Amtszeit als Präsident des DFV gab es Kritik an ihrer Amtsführung. Sie wurden wegen Ihrer Haltung gegenüber „rechtsnationalen Tendenzen“ und der Einstellung von der türkischstämmigen Müjgan Perçin als Geschäftsführerin attackiert. Wie wurde die Kritik geäußert?

Hartmut Ziebs: Mir wurde mehrfach gesagt, ob es denn unbedingt eine Frau mit türkischen Wurzeln sein musste. Gleichzeitig gab es Äußerungen, die man nicht direkt als fremdenfeindlich einstufen konnte, die aber sehr hart an der Grenze waren.

Die gesamte Arbeit von Frau Dr. Percin wurde immer sehr kritisch geprüft. Selbst kleine Rechtschreibfehler, die man schonmal als Flüchtigkeitsfehler bezeichnet, führten ihr gegenüber zu heftiger Kritik.

Ist Ihr Rücktritt ein Kniefall gegenüber dem Verband?

Hartmut Ziebs: Nein! Es ist für mich nur die Feststellung, dass der Verband nicht innovativ und fortschrittlich geführt werden kann. Es ist sinnlos gegen Windmühlen zu kämpfen. Gleichzeitig muss ich feststellen, dass es sich hier nur um die Führungsriege des Verbandes handelt. Die Feuerwehr draußen sieht das anders.

Ihre Entscheidung begründeten Sie mit den Worten, es sei der einzige Weg, den DFV aus der schlimmsten Krise seiner Geschichte zu führen. Ist sie nun überwunden?

Hartmut Ziebs:Nein. Der Verband steht noch vor der Entscheidung, welchen Weg er gehen will. Entscheidet sich der Verband für eine Erneuerung, dann wird dies erst der Beginn eines schmerzlichen aber erfolgreichen Weges sein. Entscheidet man sich aber für die Beibehaltung der bisherigen Strukturen und Politik, dann wird dies zu einem langfristigen Prozess führen, deren Ausgang ich noch nicht beurteilen kann.

Sie haben Perçin trotz der Widerstände eingestellt. Bereuen Sie aus heutiger Sicht Ihre Wahl?

Hartmut Ziebs: Nein! Frau Dr. Percin war aus meiner Sicht die beste Wahl.

Perçin hat nach ihrer Einstellung beim Feuerwehrverband laut eigener Aussage Diskriminierung und Ablehnung erfahren. Die schweren Vorwürfe sind bekannt. Wieso konnte während Ihrer Amtszeit der Sachverhalt nicht aufgeklärt werden?

Hartmut Ziebs: Wir haben dies mehrfach versucht. Aber alle Vorwürfe, Hinweise oder auch Fakten wurden immer wieder mit den Bemerkungen abgetan: Das ist nicht so schlimm und nicht so gemeint. Nun stellt Euch mal nicht so an.

Was für ein Problem hat der DFV mit der Person Müjgan Perçin?

Hartmut Ziebs: Zunächst muss man feststellen, dass nicht der DFV, sondern die Führungsetage ein Problem mit Frau Dr. Percin hat. Sie ist die erste Frau in der Funktion der Bundesgeschäftsführerin. Zudem promovierte Juristin mit türkischen Wurzeln und hat sich in der Vergangenheit beim „Bündnis 90, die Grünen“ engagiert. Das war in der Summe vielleicht zu viel für einen konservativen Verband. Zudem hat sie in vielen Punkten die berechtigte Frage gestellt: Warum macht ihr das so? Also die Verbandsarbeit hinterfragt. Das ist unbequem.

Der DFV streitet alle Vorwürfe ab. Wie bewerten Sie den Fall?

Hartmut Ziebs: Sie hat in den mir bekannten Fällen Recht. Es gab diskriminierendes Verhalten von Führungskräften, es gab sehr früh Vorwürfe in Richtung Mobbing gegen Frau Dr. Percin. Leider ist es mir nicht gelungen, dieses Verhalten Einzelner zu verändern. Als Vorgesetzter und Arbeitgeber sind die Möglichkeiten eingeschränkt.

Gibt es eine Chance auf Aufklärung?

Hartmut Ziebs: Da bin ich mir nicht sicher. Wie bei der vorstehenden Frage gilt: Im Zweifel für den Angeklagten. Es wird in vielen Fällen dazu führen, dass Aussage gegen Aussage steht.

Was muss sich beim DFV alles ändern?

Hartmut Ziebs: Der Verband muss sich erneuern. Die Strukturen müssen zeitgemäß gestaltet werden. Und es darf nicht nur bei Lippenbekenntnissen bleiben. Hier gilt der alte Satz: Führen durch Vorbild. Der neue Präsident und das Präsidium müssen eine moderne Feuerwehr vorleben.

Vielen Dank für das Gespräch!

TRT Deutsch