Die Zahl der in Deutschland gezählten Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine hat die Marke von 200.000 überschritten. Bis Samstag registrierte die Bundespolizei 207.742 Geflüchtete. Da keine festen Grenzkontrollen stattfinden, dürfte die Zahl tatsächlich wesentlich höher sein, wie das Bundesinnenministerium mitteilte. Der Deutsche Städtetag forderte für die Flüchtlinge Zugang zum Sozialleistungssystem des Sozialgesetzbuchs II, das für Arbeitslose gilt. Rasche Hilfen für die Unterrichtung von Flüchtlingskindern verlangte der Deutsche Lehrerverband.
Städtetagspräsident Markus Lewe sagte den Funke-Zeitungen, perspektivisch müssten die Flüchtlinge auch ins Krankenversicherungssystem aufgenommen werden, derzeit hätten sie nur einen rudimentären Gesundheitsschutz. „Das liegt daran, dass sie Hilfen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz erhalten“, sagte der Oberbürgermeister von Münster.
Um bei den Corona-Impfungen der Ukrainerinnen und Ukrainer voranzukommen, müssten die Länder rasch Rahmenverträge mit den Kassenärztlichen Vereinigungen abschließen, sagte Lewe.
Frage nach der Verteilung der Flüchtlinge
Der Städtetagspräsident forderte erneut, die Verteilung der Flüchtlinge zu verbessern. Die Städte seien weiter zur Aufnahme bereit. „Die Verteilung der Menschen auf die Städte und Regionen muss allerdings besser werden“, sagte Lewe. „Außerdem muss eine kluge Verteilung in der Europäischen Union gelingen.“
Der saarländische Ministerpräsident Tobias Hans (CDU) sprach sich für ein dauerhaftes Bleiberecht aus. „Sollten viele Menschen aus der Ukraine bleiben, so wäre das für mein Bundesland eine gute Fügung“, sagte Hans der „Welt am Sonntag“. „Wir haben einen massiven Fachkräftemangel. Wir sind auf Zuwanderung angewiesen.“
Integration in Arbeitsmarkt: Handwerkspräsident zuversichtlich
Handwerkspräsident Hans Peter Wollseifer geht davon aus, dass viele Flüchtlinge schnell in den Arbeitsmarkt integriert werden können. „Aus der Ukraine kommen Menschen, die was draufhaben. Und die können wir gut gebrauchen“, sagte Wollseifer dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND). Nach den bisherigen Erfahrungen mit bereits in Deutschland tätigen Ukrainern sei das Ausbildungsniveau sehr gut. „Wo etwas fehlt, können wir in unseren 600 handwerklichen Bildungszentren nachqualifizieren.“
„Derzeit kommen vor allem Frauen, und auch die bekommen wir sehr schnell in den Arbeitsmarkt integriert, wenn die Kinder in Kitas und Schulen gehen“, sagte Wollseifer. „Ich denke an unsere Lebensmittelhandwerke, wo Verkäuferinnen in Bäckereien und Fleischereien händeringend gesucht werden.“ Auch in anderen Branchen fehle Personal.
Forderung nach Unterstützung im Bildungswesen
Lehrerpräsident Heinz-Peter Meidinger forderte rasche Hilfen für die Schulen. „Wenn wir einmal von 250.000 geflüchteten Kindern, die nach Deutschland kommen könnten, ausgehen, brauchen wir dafür 10.000 bis 15.000 Lehrer mehr“, sagte Meidinger den RND-Zeitungen. „Mal abgesehen davon, dass wir für die Schulen in schnellster Zeit zusätzliche Räume beschaffen müssen – im Zweifel auch durch Lösungen mit modern ausgestatteten Containern.“
Die Kultusminister müssten schnell handeln, „sonst droht großes Chaos“, warnte Meidinger. „Wenn die geflüchteten Kinder länger oder dauerhaft bleiben, dann geht es um Milliarden, die wir zusätzlich für das Schulsystem brauchen.“
Meidinger verwies auf das von der Bundesregierung angekündigte Sondervermögen von 100 Milliarden Euro für die Bundeswehr. „Auch für eine bessere Bildung, Digitalisierung und schulische Integration brauchen wir gigantische Summen, die dann auch wirklich auf viele Jahre sicher vorhanden sein müssen“, betonte der Präsident des Deutschen Lehrerverbandes. Nur lege der Staat leider kein Geld für die Bildung zurück. „Eigentlich brauchen wir auch ein Sondervermögen Bildung“, sagte Meidinger.
20 März 2022
Mehr als 200.000 ukrainische Flüchtlinge in Deutschland
Mehr als 200.000 Flüchtlinge aus der Ukraine sind bislang in Deutschland angekommen. Die tatsächliche Zahl dürfte jedoch laut Bundesinnenministerium wesentlich höher sein. Die Arbeitswelt zeigt sich erfreut. Das Bildungswesen fordert rasche Hilfen.
AFP
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