Kritik an Asylpolitik: Migrationsforscher warnt vor mehr Gewalt gegen Geflüchtete / Foto: AFP (AFP)
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In der Debatte über eine Reform der europäischen Asylpolitik warnt der Migrationsexperte Maximilian Pichl vor einer Zunahme der Gewalt gegen Schutzsuchende. „Wenn der EU-Migrationspakt kommt, werden die Staaten an der Außengrenze noch schärfer versuchen, mit allen Mitteln zu verhindern, dass Menschen hier ankommen“, sagte der Rechts- und Politikwissenschaftler an der Universität Kassel dem Evangelischen Pressedienst (epd). So werde es wahrscheinlich „noch härtere Pushbacks“, also illegale Rückführungen an der Grenze geben.

Die EU-Kommission hatte 2020 einen Vorschlag für eine Reform des gemeinsamen europäischen Asylsystems (GEAS) vorgelegt. Die Bundesregierung, das EU-Parlament und die EU-Ratspräsidentschaft dringen darauf, die Reform noch vor den Europawahlen 2024 zu verabschieden. Im April erklärte Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD), Deutschland werde sich dafür einsetzen, Asylverfahren bereits an der Außengrenze durchzuführen.

Bei dem von Faeser genannten Vorhaben handele es sich um sogenannte Grenzverfahren, sagte Pichl, der derzeit eine Vertretungsprofessur an der Uni Kassel innehat. Diese seien dem eigentlichen Asylverfahren vorgelagert. Es finde keine inhaltliche Prüfung des Rechts auf Asyl statt. Stattdessen werde lediglich formal geprüft, ob Schutzsuchende direkt wieder abgeschoben werden könnten, etwa weil sie aus einem sicheren Drittstaat eingereist seien. „Das steht in großem Widerspruch zum Koalitionsvertrag, in dem die Ampel-Koalition festgelegt hat, dass jeder Asylantrag inhaltlich geprüft werden soll“, sagte Pichl.

Praktisch käme es bei den Grenzverfahren zu einer vorübergehenden Inhaftierung einer Vielzahl von Schutzsuchenden in den Staaten mit EU-Außengrenze, etwa Italien und Griechenland. Infolgedessen könnten auch Forderungen nach einer noch weiteren Auslagerung der EU-Grenzen lauter werden, befürchtet Pichl. „Einige Staaten wollen die Asylverfahren nicht mehr in Europa, sondern in Asylzentren in afrikanischen Ländern haben.“

Der Migrationsforscher kritisierte, dass bereits seit 2015 eine massive Asylrechtsverschärfung in der EU zu beobachten sei. Mit dem geplanten EU-Paket werde dies fortgesetzt. „Das ist ein Placebo-Paket, das Handlungsbereitschaft suggeriert, ohne die Probleme zu lösen“, sagte Pichl etwa mit Blick auf die fehlende Kompromissbereitschaft bei der Verteilung von Geflüchteten innerhalb der EU.

Kritik an Asylpolitik: Migrationsforscher warnt vor mehr Gewalt (DPA)

Auch an der Basis der Grünen wird die Kritik an den Plänen zu einer EU-Asylreform lauter. Einem Bericht des „Spiegel“ zufolge wurde am Montagabend ein von rund 730 Parteimitgliedern unterzeichnetes Schreiben unter anderem an Außenministerin Annalena Baerbock, Wirtschaftsminister Robert Habeck und Familienministerin Lisa Paus (alle Grüne) versandt, in dem die Parteibasis einen Kurs der „Abschreckung und Abschottung“ und Pläne zu einer „massiven Beschneidung des Asylrechts“ beklagt.

Zu den Unterzeichnern des Schreibens gehören dem „Spiegel“ zufolge die Hamburger Justizsenatorin Anna Gallina, der frühere Botschafter Deutschlands in Pakistan, Martin Kobler, und Grüne-Jugend-Co-Chef Timon Dzienus. Adressaten sind neben den grünen Bundesministern auch die Parteichefs Ricarda Lang und Omid Nouripour sowie die Grünen-Fraktionsvorsitzenden im Bundestag, Katharina Dröge und Britta Haßelmann.

Die Pläne der EU-Kommission zu einer Asylreform sind nach Ansicht der Unterzeichner nicht vom Koalitionsvertrag der „Ampel“-Koalition aus SPD, Grünen und FDP gedeckt. Die „deutsche Verhandlungsposition“ zu diesem Punkt sei „schwer nachvollziehbar“, heißt es in dem Schreiben. Die Unterzeichner ergänzten, sie erwarteten von Bundesministern, Partei- und Fraktionsspitze, dass diese dazu beitrügen, „dass Populismus nicht in Gesetzesform gegossen“ werde und die Grünen die „Hegemonie in der Debatte“ zurückgewännen.

Grüne-Jugend-Chef Dzenius sagte der „Neuen Osnabrücker Zeitung“, Faesers Pläne seien „unmenschlich und eine rechte Nebelkerze“. Er erwarte von den grünen Bundesministern, dass diese „sich klar gegen Außengrenzverfahren stellen“.

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