05.04.2023, Bayern, Wunsiedel: Ein Einsatzwagen der Polizei sperrt die Straße zu einem Kinder- und Jugendhilfezentrum ab. / Photo: DPA (dpa)
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Die Polizei hat im Fall des getöteten zehnjährigen Mädchens in einer Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung im bayerischen Wunsiedel einen Elfjährigen als Verdächtigen ermittelt. Die Auswertung erster Spurenergebnisse vom Tatort „deuten auf die Tatbeteiligung eines elfjährigen Jungen aus der Einrichtung“ hin, erklärten Polizei und Staatsanwaltschaft am Freitag. Der noch nicht strafmündige Junge wurde demnach „in einer gesicherten Einrichtung präventiv untergebracht“.

Eine Angestellte der Facheinrichtung der Jugendhilfe in Wunsiedel hatte die Zehnjährige am Dienstagvormittag leblos in einem Zimmer gefunden. Eine rechtsmedizinische Untersuchung ergab Anzeichen für Fremdeinwirkung. In Medienberichten vom Mittwoch, welche die Behörden allerdings nicht bestätigten, war von einem möglichen Sexualdelikt und mehren minderjährigen Tatverdächtigen die Rede gewesen.

Zu eventuellen weiteren Tatbeteiligten machten Polizei und Staatsanwaltschaft keine Angaben. „Die weitere Auswertung der kriminaltechnischen Spuren, als auch die noch ausstehende Anhörung des elfjährigen Kindes werden einige Zeit in Anspruch nehmen“, erklärten sie.

Ermittlungen laufen weiter

Die Arbeit der Ermittler sei noch lange nicht abgeschlossen, erklärte Bayerns Innenminister Joachim Hermann (CSU). „Jetzt gilt es, die genauen Hintergründe dieser Schreckenstat aufzuklären.“ Er lobte die Arbeit der Sonderkommission bei diesen „sehr schwierigen und komplexen Ermittlungen".

Nach früheren Angaben der Behörden befand sich ein Großteil der in dem Hilfezentrum untergebrachten Kinder und Jugendlichen während der polizeilichen Maßnahmen auf einer organisierten Ski-Freizeit. Sie sollten am Freitag zurückkehren. Um die anwesenden Bewohner sowie das Personal kümmern sich demnach speziell geschulte Polizeikräfte sowie Notfallseelsorger und Psychologen.

06.04.2023, Bayern, Wunsiedel: Ulrike Scharf (M, CSU), Staatsministerin für Familie, Arbeit und Soziales, im Interview mit den Medienvertretern. (DPA)

Bayerns Sozialministerin Ulrike Scharf (CSU) sprach am Donnerstag von einer „dramatischen Situation“ für alle. Die Kinder kämen aus schwierigen Lebenssituationen in die Einrichtung, die einen „vorbildlichen Ruf“ habe. „Jetzt ist es wichtig, dass wir das aufarbeiten und die Kinder begleiten auf diesem Weg.“ Der Träger habe das Personal verstärkt, um Kinder, Jugendliche und Mitarbeiter zu unterstützen.

SPD plädiert für mehr Mittel für Jugendschutzeinrichtungen

Die familienpolitische Sprecherin der SPD-Bundestagsfraktion, Leni Breymaier, forderte mehr Mittel und Personal für die Betreuung in Jugendschutzeinrichtungen. „Die pädagogischen Mitarbeitenden leisten herausragende Arbeit, arbeiten allerdings zu häufig am Anschlag“, sagte sie dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND). Hinzu komme, dass die Anforderungen an das Personal durch Pandemie- und Fluchterfahrungen der Kinder und Jugendlichen eher noch steigen würden.

Auch Martin Adam, Präsident des Bundesverbands privater Träger der freien Kinder-, Jugend- und Sozialhilfe, betonte, dass die personelle Ausstattung der Gruppen besser sein könnte. „Aufsichtspflicht und gesetzliche Grundleistungen werden sicher überall gewährleistet, aber individuelle Betreuung und persönliche Begleitung sind häufig nicht möglich“, sagte er dem RND.

Der Fall in Wunsiedel könnte auch die Debatte über eine Herabsetzung der Strafmündigkeit erneut anfachen. Insbesondere die Union hatte dies zuletzt infolge der mutmaßlichen Tötung einer Zwölfjährigen im nordrhein-westfälischen Freudenberg durch zwei nahezu gleichaltrige Mädchen gefordert. Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) lehnte Gesetzesänderungen ab: Es gebe bereits rechtliche Mittel, „um auch auf schwere Gewalttaten von Kindern unter 14 Jahren zu reagieren“.

AFP