Zum Abschluss seines Besuchs auf der Mittelmeer-Insel Zypern hat Papst Franziskus die Zustände in Flüchtlingslagern verurteilt und zum Abbau von Vorurteilen aufgerufen. Während eines Gebets mit Flüchtlingen in Nikosia prangerte Franziskus am Freitag „Folter“ und Sklaverei" in Aufnahmezentren an. „Es erinnert uns an die Geschichte des letzten Jahrhunderts, an die Nazis, an Stalin, und wir fragen uns, wie das passieren konnte“, sagte das Oberhaupt der Katholiken.
Papst kritisiert „Engstirnigkeit und Vorurteile“ im Umgang mit Flüchtlingen
Bei dem Gebetstreffen in einer Kirche nahe der Pufferzone zwischen dem griechischen Süd- und dem türkischen Nordteil der Mittelmeerinsel kritisierte der Papst „Engstirnigkeit und Vorurteile“ im Umgang mit Flüchtlingen. Er sprach vom Traum einer „Menschheit ohne trennende Wände, befreit von Feindschaft, in der es keine Fremde mehr gibt, sondern nur Mitbürger“.
An dem ökumenischen Gebet nahmen Christen aus dem Nahen Osten, Afrika und Asien teil. Einige von ihnen schilderten ihre Beweggründe für ihre Flucht aus der Heimat. Ein Migrant aus Südasien berichtete, er sei vor „Gewalt, Bomben, Hunger und Schmerz“ geflohen. Ein Flüchtling aus Kamerun sagte, er sei „durch Hass verwundet worden“.
„Eure Anwesenheit, liebe Brüder und Schwestern Migranten, ist für diese ökumenische Feier von großer Bedeutung“, sagte der Papst. „Eure Zeugnisse sind wie ein Spiegel für uns, die christlichen Gemeinschaften.“
Aufruf zu „Dialog“ und „Brüderlichkeit“
Am Freitagmorgen hatte das katholische Kirchenoberhaupt bereits in einem Fußball-Stadion in Nikosia eine Messe gefeiert, an der rund 7000 Menschen teilnahmen. Dabei rief er zum „Dialog“ und zur „Brüderlichkeit“ auf.
„Wenn wir nicht zusammenwirken, wenn wir nicht im Dialog stehen, wenn wir nicht gemeinsam vorangehen, werden wir unsere Verblendung nicht vollständig heilen können“, sagte der Papst in Begleitung des zyprischen Präsidenten Nikos Anastasiades. Die Gläubigen schwenkten Flaggen des Libanon, Argentiniens und der Philippinen. Ein Chor stimmte Lieder auf Arabisch, Englisch und Griechisch an. Viele der 25.000 Katholiken in Zypern sind Arbeitskräfte von den Philippinen oder aus anderen Ländern Südasiens.
Die Papst-Reise steht auch im Zeichen des Schismas, durch das die römisch-katholische und die orthodoxe Kirche von Istanbul seit 1054 getrennt sind. Die Geschichte habe eine „tiefe Spaltung“ hinterlassen, aber mit Hilfe des Heiligen Geistes, Demut und Respekt werde eine Wiederannäherung möglich sein, sagte der Papst vor orthodoxen Klerikern, zu denen auch Erzbischof Chrysostomos II. von Zypern zählte.
„Furchtbarer Riss“ in Zypern
Der Papst hatte am Donnerstag bereits den „furchtbaren Riss“ beklagt, durch den Zypern seit Ankaras Intervention 1974 zum Schutz der türkischen Bevölkerung geteilt ist. Er sagte, der „Weg des Friedens“ werde durch ein Wort aufgezeigt - das Wort „Dialog“.
Die Reise des 84-jährigen Kirchenoberhaupts aus Argentinien ist seine 35. seit Beginn des Pontifikats 2013. Er rief dazu auf, Flüchtlinge ohne Ansehen der Religion und des Status aufzunehmen. Nach Angaben des zyprischen Präsidenten will Franziskus 50 Migranten von Zypern nach Italien mitnehmen. Einzelheiten wurden dazu nicht bekannt, der Vatikan bestätigte dies zunächst nicht. Der Papst hatte aber bereits am Donnerstag die Europäer angesichts der Flüchtlingskrise vor „Mauern der Angst“ und „Nationalismus“ gewarnt.
Am Samstag reist der Papst nach Griechenland weiter. Während seiner dreitägigen Visite will er unter anderem ein Flüchtlingslager auf der Insel Lesbos besuchen.
4 Dez. 2021
AFP
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