Medien und Politik verbreiten islamfeindliche Vorurteile in Europa (AA)
Folgen

Islamfeindlichkeit hat sich in Europa vor allem in den sozialen Medien verbreitet. Zu diesem Ergebnis kommt der aktuelle „Europäische Islamophobie-Report“, der am Mittwoch veröffentlicht wurde. Für die diesjährige Ausgabe wurden 31 Länderberichte herangezogen und 37 lokale Wissenschaftler, Experten und Menschenrechtsaktivisten befragt. Der Bericht wird zudem von zahlreichen wissenschaftlichen Instituten unterstützt.

Der 886-seitige Bericht wurde herausgegeben von Enes Bayraklı, Dozent für Internationale Beziehungen an der Türkisch-Deutschen Universität in Istanbul, und Farid Hafez, Politikwissenschaftler an der Bridge Initiative der Georgetown University. Der Islamophobie-Report erscheint seit 2015 jährlich.

Laut der Studie sind staatliche Repressionen und Hass gegen Muslime im Netz in den vergangen sechs Jahren weiter angestiegen. Der Bericht prangert vor allem islamfeindliche Äußerungen hochrangiger Politiker in verschiedenen europäischen Ländern an. Zudem wird die mediale Berichterstattung in Zeitungen und im Netz kritisiert. Rassistische Äußerungen und Hassreden gegen Muslime seien an der Tagesordnung.


Politiker äußerten sich beleidigend gegenüber Muslime

Zahlreiche Politiker hatten sich im Jahr 2020 einer islamfeindlichen Rhetorik bedient und dabei Hass auf Muslime geschürt.

Aufgrund des Bevölkerungsrückgangs hatte Ralf Gjoni, ehemaliges Mitglied einer linken Partei in Albanien, eine Rede gehalten. Dabei richtete Gjoni seine Worte gegen muslimische Frauen mit Kopftuch: Die Flucht der Menschen aus dem Land zeige, dass nur ältere Menschen, Kinder von Kriminellen und verschleierte Frauen in Albanien bleiben würden.

Norbert Hofer (Archivbild) (Others)

„Corona ist nicht gefährlich. Der Koran ist viel gefährlicher.“ Diese islamfeindliche Äußerung stammte von Norbert Hofer, Ex-Präsident der rechtspopulistischen Österreichischen Volkspartei (ÖVP). Er hatte den Satz auf einer Parteiversammlung geäußert.
Der FPÖ-Politiker Harald Vilimsky hatte sogar ein „Wien ohne Mohammed“ gefordert.


In Bulgarien hatte Krystian Szkwarek den Propheten Mohammed mit rassistischen Worten beleidigt. Szkwarek ist Vertreter der Gruppe der Europäischen Konservativen und Reformisten, einer der führenden konservativen Bewegungen Europas.

Bildungsminister Jean-Michel Blanquer (AFP)

Frankreich verteidigte Kopftuchverbot für Mütter auf Schulausflügen

Auch der französische Bildungsminister Jean-Michel Blanquer hatte 2020 in einer Rede Stimmung gegen Muslime gemacht: Muslimische Schüler würden in Klassenzimmern mit roten Möbeln nicht lernen wollen, da sie Rot als „die Farbe des Teufels“ ansehen würden, behauptete der Minister. Im Islam gilt es jedoch als abergläubisch, einem Gegenstand Pech zuzuschreiben.

Außerdem behauptete Blanquer, dass muslimische Jungen in der Schule sich weigerten, Mädchen an den Händen zu halten. Auch die Mär, dass „kleine muslimische Mädchen im Alter von drei Jahren in Lager gebracht und einer Gehirnwäsche“ unterzogen würden, stammte vom französischen Bildungsminister. Zudem verteidigte er das Kopftuchverbot für Mütter auf Schulausflügen.

Präsident Emmanuel Macron (AA)

Bezüglich des sogenannten Separatismus-Gesetzentwurfs hatte der französische Präsident Emmanuel Macron 2020 erklärt, der Islam müsse reformiert werden, um ein Partner Frankreichs werden zu können. „Der Islam befindet sich auf der ganzen Welt in einer Krise“, behauptete Macron. Eine Ideologie, die „separatistische“ Ideen befürworte, sei problematisch. Macron zufolge würden die Muslime ihre eigenen Gesetze über die Gesetze in Frankreich stellen.


Griechenland: Frauen mit Kopftuch und Burka ein „Sicherheitsproblem“

Muslimische Frauen mit Burka und Schleier seien insbesondere in der Hauptstadt Athen „sehr besorgniserregend“, hatte Konstandinos Bogdanos behauptet. Er ist Abgeordneter der regierenden Partei Neue Demokratie in Griechenland. Verschleierungen verletzten nicht nur Rechte von Frauen, sie seien auch ein „Sicherheitsproblem“.

Matteo Salvini, der Vorsitzende der rechtsextremen Ligapartei in Italien, hatte fabuliert, Einwanderer aus muslimischen Ländern hätten zur Ausbreitung des Antisemitismus in Italien beigetragen.

Der Islam sei der polnischen Kultur fremd und dagegen müsse sich Polen wehren, hatte dagegen Zbigniew Ziobro, Justizminister in Polen, behauptet.

Schwere Vorwürfe gegen den Islam und Muslime hatte auch Santiago Abascal, der Vorsitzende der rechtsradikalen Vox-Partei in Spanien, erhoben. Der Islam soll laut Abascal zu einer Gefahr geworden sein.

Sogar in Schweden wurde contra Muslime Politik gemacht. Nyamko Sabuni, Präsidentin der Liberalen Partei, hatte sich für ein Verbot von religiösen Schulen eingesetzt. Sie argumentierte gegen eine multikulturelle Gesellschaft.

In England hatte Craig Whittaker, Abgeordneter der regierenden Konservativen Partei, Minderheiten für den plötzlichen Anstieg der Covid-19-Fälle verantwortlich gemacht. Dazu zählten schwarze, asiatische, ethnische Gruppen und insbesondere Muslime, so der britische Politiker.

Debatte um Islam-Landkarte in Österreich (AA)

Muslime im Visier der Medien

In Albanien hatte die Journalistin Arbana Xharrain auf ihrem Social-Media-Account das muslimische Kopftuch als „frauenfeindlich“ und „sexistisch“ bezeichnet.

Gudula Walterskirchen von der österreichischen Zeitung „Die Presse“ setzte sich in einem Artikel von Januar 2020 vehement für das Kopftuchverbot ein. Eric Frey von der österreichischen Zeitung „Der Standard“ behauptete sogar, dass muslimische Mädchen den Hijab nur unter Zwang von Eltern und vor allem unter Druck von muslimischen Männer tragen würden.

Medien stellen Moscheen als „radikalislamische Zentren“ dar

Während der Covid-19-Pandemie veröffentlichte die beliebte Webseite „Origo“ in Ungarn einen Artikel mit dem Titel: „Wir glauben nicht an das Virus, wir glauben an Gott. Betende Menschenmengen verbreiten die Infektion.“

Auch Mart Helme, der rechtsextreme Ex-Innenminister Estlands, thematisierte in einem Artikel die Moscheen. Es gebe angeblich ein enormes Interesse, die Moscheen in sogenannte „radikalislamische Zentren“ umzufunktionieren.

Blutbad in Hanau 2020 (AA)

Im Zusammenhang mit dem rassistisch motivierten Blutbad in Hanau stellte die „Bild“-Zeitung den Betreiber eines der Cafés, in denen sich der Vorfall ereignete, als „Kriminellen“ dar. Bei dem Terroranschlag am 19. Februar 2020 wurden neun Menschen getötet.

Im Oktober 2020 veröffentlichte eine Website in Montenegro einen Artikel mit dem Titel: „Alija Izetbegovic, ein Krimineller, der einen islamischen Staat in serbischen Ländern errichten will“.

Eine andere Schlagzeile auf derselben Website lautete: „Das Kalifat wurde im Kosovo geboren und nicht von „bösen“ Arabern des Fernen Ostens errichtet, sondern von unseren letzten Nachbarn, Albanern“.

Weil auf den meisten Fotografien Frauen mit Kopftüchern zu sehen waren, die nicht Teil der Gesellschaft seien, kam eine Studie zu dem Schluss: Die Foto-Datenbank von Muslimen solle einen eintönigen Eindruck von Muslimen vermitteln. Die Studie erschien in der niederländischen Nachrichtenagentur (ANP).

Stereotype und irreführende Schlagzeilen in Zeitungen

Ein Recherchebericht zu den Beziehungen zwischen Muslimen und Nicht-Muslimen in Frankreich verwendete eine irreführende Schlagzeile. Der Artikel mit dem Titel „Frankreich trägt Hijab: Macrons Republik islamisiert sich“ erschien in der rumänischen Zeitung EVZ.

Auch der Journalist Gregor Preac hatte sich islamfeindlich geäußert und heizte die islamophobe Stimmung an. 90 Prozent der Muslime hätten die Enthauptung eines französischen Lehrers unterstützt, behauptete der Journalist. Dabei verwendete Preac Ausdrücke, die den Islam mit Gewalt, Terror und Hass assoziierten.

Die einzige internationale und gleichzeitig größte schweizerische Zeitung „Blick“ veröffentlichte einen Artikel über Winterlager für Kinder. Darin titulierte der Autor das Lager als ein „islamistisches Lager“. Zudem wird in dem Artikel behauptet, „die Türkei unterziehe die Kinder in der Schweiz einer Gehirnwäsche“.

Die „Daily Mail“ aus Großbritannien benutzte im August 2020 in einem Social-Media-Beitrag zum islamischen Opferfest Fotos mit negativen, stereotypen und blutigen Inhalten.

Mehr zum Thema: Islamophobie-Bericht 2020: Staatliche Repressionen und Hassreden im Netz

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