Archivbild: 22.02.2019, Nordrhein-Westfalen, Bonn: Ein Kameramann steht vor dem Logo der Linkspartei. (dpa)
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Auch wenn Umfragen wenige Wochen vor der Wahl sie schon ziemlich nahe an der Fünf-Prozent-Hürde sahen: Die Linkspartei wird auch dem künftigen Bundestag angehören.

Dafür spricht nicht nur, dass sie sich in den letzten Umfragen wieder etwas erholt hat, sondern auch der Umstand, dass der Einzug durch sichere Erststimmen-Wahlkreise für Parteiprominenz wie Gregor Gysi, Gesine Lötzsch oder Petra Pau abgesichert ist. Außerdem bestehen noch Chancen auf Direktmandate in mindestens drei weiteren Stimmkreisen Berlins sowie in Leipzig und möglicherweise sogar in Weimar, wo die neu gewählte Bundessprecherin Susanne Hennig-Wellsow antritt.

Überalterung und AfD haben Linkspartei im Osten geschrumpft

Viel mehr Grund zur Freude hat der Zusammenschluss aus der früheren westdeutschen Anti-Hartz-IV-Partei WASG und der ostdeutschen SED-Nachfolgepartei PDS im 16. Jahr des Bestehens unter seinem jetzigen Namen jedoch nicht. Die traditionelle Wählerschaft im Osten ist abgebröckelt – Landesergebnisse wie noch bis in die späten 2000er Jahre mit deutlich über 20 Prozent in den neuen Bundesländern gehören mit Ausnahme von Thüringen der Vergangenheit an.

Neben dem Faktor des Ablebens vieler Stammwähler aus den Reihen früherer DDR-Eliten hat auch das Aufkommen der AfD die Linkspartei im Osten unter Druck gesetzt. Hunderttausende Wähler in Ostdeutschland wechselten seit 2013 direkt von ganz links nach ganz rechts.

Offenbar bedient die AfD linksautoritäre Sehnsüchte in der DDR sozialisierter Bürger mindestens ebenso glaubwürdig wie die SED-Nachfolgepartei. Die Linke kombiniert seit der Wiedervereinigung Umverteilung und staatliche Interventionspolitik in die Wirtschaft mit programmatischen Zugeständnissen an urbane, „queere“ und alternative Lebensmodelle. Demgegenüber hat die AfD außenpolitisch viele Positionen der Linken adaptiert und gibt sich auch im Osten vielfach „antikapitalistisch“.

Allerdings verzichtet sie auf „bunte“ Bekenntnisse zu ethnischer, religiöser und kultureller Vielfalt, stattdessen setzt sie mehr als alle anderen Parteien auf einen rigorosen Anpassungskollektivismus, der Anderssein primär als Störfaktor wahrnimmt. Ein solcher bildete jedoch auch die „Leitkultur“ in der Gesellschaft der DDR. Viele DDR-sozialisierte Wähler empfinden das Gedankengut der AfD auch deshalb als vertraut.

Im Westen nicht „hip“ genug

Während die Linkspartei im Osten gegenüber der extremen Rechten an Boden verliert, weil sie ihren Wählern als zu wenig autoritär erscheint, schafft es die Partei demgegenüber im Westen nicht im gewünschten Maße, an neulinke Milieus anzudocken. In den 2000ern spielte der Unmut im SPD-Milieu über die Arbeitsmarktreformen der Regierung Schröder eine Rolle beim Aufstieg der Linken. Mittlerweile ist das „Arbeitslosengeld II“ kein Aufregerthema mehr. Statt Protest an der Wahlurne zu üben, haben sich viele frühere Linkswähler in die Enthaltung verabschiedet.

Zweistellige Ergebnisse sind für die Linke im Westen nur noch in den Stadtstaaten erreichbar. Der hessische Landesverband kann sich in der Fläche noch über der Fünf-Prozent-Hürde halten. In Niedersachsen hätte man eine Zitterpartie zu erwarten, und selbst im alten West-Brückenkopf Saarland ist der Lafontaine-Bonus vergangener Jahre verschwunden. Auch dort wollen nur noch sieben Prozent die Linkspartei wählen, in allen anderen West-Bundesländern würde sie deutlich an der Sperrhürde scheitern.

Das DDR- und Hartz-IV-Image lässt die Linke auch im Westen an kaum überwindbare Grenzen stoßen. Kapitalismuskritik, „queere“ Politik, „Antifaschismus“ oder Feminismus gibt es für urbane, progressive Westlinke in deutlich „hipperen“ Formen – etwa in jener der Grünen oder Bewegungen wie „Fridays for Future“.

Wagenknecht-Debatte illustriert innere Widersprüche

Anders als von klassischen marxistischen Theoretikern angenommen, akzeptiert die Arbeiterschaft die „kritische Intelligenz“ nicht als ihre „Avantgarde“: Im Gegenteil: Besonders in der deutschen Linken ist das Verhältnis zwischen Arbeitern und Intellektuellen häufig von wechselseitiger Verachtung gekennzeichnet.

Bei der Oberschichtpartei der Grünen ist es einfach, diesem Umstand Rechnung zu tragen: Dort ist man auf die Stimmen aus dem Arbeitermilieu und aus ärmeren Bevölkerungsschichten nicht angewiesen und braucht entsprechend auch keine Zugeständnisse zu machen.

Bei der Linkspartei hingegen drohen die „sich verschärfenden Widersprüche“, wie man es in der entsprechenden Terminologie nennen würde, zunehmend die Partei zu zerreißen. Die Berliner Linksabgeordnete Evrim Sommer klagt im „Neuen Deutschland“, die Debatten über „Großstadtpartei und urbane Milieus“ habe der Linken geschadet, weil die Linke „ihre Stammwähler aus dem Arbeitermilieu links liegen gelassen“ habe.

Diese Widersprüche öffentlich anzusprechen, hat zuletzt der früheren Bundestags-Fraktionsvorsitzende Sahra Wagenknecht sogar ein Parteiausschlussverfahren eingebracht. Sie hatte in ihrem Buch „Die Selbstgerechten“ identitätspolitische Debatten innerhalb der Linken als Luxusprobleme ökonomisch Privilegierter abgetan, die das Gemeinschaftsgefühl untergrüben.

Greifbare ökonomische Verteilungsfragen, wie sie die sozial Schwachen real berührten, so Wagenknecht, seien durch akademische Debatten ersetzt worden, in denen es nur um äußere Symbole für Anerkennung gehe – etwas durch Gendersterne oder Unisex-Toiletten.

Extremismus, Gewaltfantasien und PKK-Versteher

Dazu kommen wiederholte extremistische Ausritte von Funktionären an der Basis der Partei, die einer möglichen Koalitionsfähigkeit der Linken im Bund – abgesehen vom Fehlen einer rechnerischen Mehrheit – schaden.

Im Vorjahr geriet Ex-Parteichef Riexinger für seinen halbherzigen Umgang mit der Äußerung einer Teilnehmerin in die Kritik, die dort von einer „Erschießung der Reichen“ gesprochen hatte. Erst jüngst erregte auch ein Linksaktivist Aufsehen, der den Taliban nicht nur zur Machtübernahme in Afghanistan gratulierte, sondern auch zu „jedem einzelnen eliminierten Bundeswehrsoldaten“.

Das entspannte Verhältnis vieler Teile der Linkspartei zu linksextremer Gewalt zeigt sich zudem in zahlreichen politischen Signalen nach außen. So hat die Partei etwa in Niedersachsen an aussichtsreicher Stelle einen Kandidaten aufgestellt, der in einer Publikation, die dieser nahesteht, eine Aufhebung des Verbots der terroristischen PKK fordert. Bereits in der Vergangenheit hatten mehrere Politiker der Linken bis hinauf zu Bundestagsabgeordneten ein von Sympathie geprägtes Naheverhältnis zu der Terrororganisation erkennen lassen, die in der Türkei für mehr als 40.000 Tote verantwortlich ist.

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