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Das sogenannte Anti-Terror-Paket der österreichischen Bundesregierung soll umfassende Änderungen mit sich bringen. Neben einem neuen Terror-Bekämpfungs-Gesetz sollen auch bestehende Gesetze wie etwa das Islamgesetz abgeändert werden.

Zweifelhafte Rahmenbedingungen

Im Dezember präsentierte die österreichische Regierung das Anti-Terror-Paket. Es dauerte nicht lange, bis insbesondere dem Terror-Bekämpfungs-Gesetz mannigfaltige Kritik von juristischer Seite entgegengesetzt wurde. Weniger Beachtung in der Diskussion fanden aber die Änderungsvorhaben bezüglich Islamgesetz und Bekenntnisgemeinschaften-Gesetz, zwei Gesetze, die neben dem Symbole- und Staatsbürgerschaftsgesetz ebenfalls abgeändert werden sollen.

Zwar ließ die Untersuchungskommission zum Terroranschlag vom 2. November 2020 in ihrem ersten Bericht verlautbaren, dass „keine Defizite im Terrorismusstrafrecht“ vorhanden seien. Dennoch meint die derzeitige Regierung, dass in der strafrechtlichen Materie nachgeschärft werden solle. Zugleich gehen die meisten Beobachter davon aus, dass viele der sich nicht mehr lange in Begutachtung befindenden Gesetze vor dem Hintergrund des 2. November formuliert wurden. Dies lässt sich insbesondere für die Änderungsvorschläge bei Islamgesetz und Bekenntnisgemeinschaften-Gesetz sagen. In den Erläuterungen beider Gesetze wird explizit Bezug auf den Islam genommen. Wenn Religionsgesetzgebung unter dem Eindruck sicherheitspolitischer Überlegungen gemacht wird, stimmt dies jedenfalls skeptisch. Interessant ist dabei aber vielmehr, dass von den neuen Ermächtigungen staatlicher Behörden potentiell alle Kirchen und Religionsgesellschaften betroffen sein können. Welches sind die wichtigsten Einschnitte?

Vom Koordinationsmodell zum Kontrollsystem?

Die österreichische Bundesverfassung sieht eine Trennung von Kirchen/Religionsgesellschaften und staatlichen Behörden vor. Beide sollen nicht in die Sphäre der jeweils anderen eindringen und haben eine innere Autonomie. Dieses kooperative Modell sieht einen religionsneutralen Staat vor, der Felder der Kooperation für beide Institutionen kennt, etwa den Religionsunterricht oder karitative Tätigkeiten.

Jedoch scheinen die neuen Regelungen dieses Modell zu verlassen und damit eigentlich gegen den Geist der Verfassung zu verstoßen. So wird im Hinblick auf Muslime vorgesehen, dass es eine Pflicht zur Bekanntgabe sämtlicher Seelsorger bzw. “religiöser Funktionsträger” geben soll. Das ist insofern hochbedenklich, weil dieser Schritt eine Rückkehr zu staatskirchen-hoheitlichen Grundsätzen darstellen würde, in denen der Staat weitgehende Eingriffsrechte in die Angelegenheiten von Kirchen und Religionsgemeinschaften hatte. Zudem soll eine Pflicht zur Vorlage von Finanzunterlagen eingeführt werden. Beide Regelungen sind mit dem Schutz der inneren Angelegenheiten anerkannter Kirchen und Religionsgesellschaften nach Art 15 StGG eigentlich nicht vereinbar. Interessant ist in diesem Zusammenhang ein historischer Hinweis. Denn zuletzt wurde eine solche Pflicht mit § 4 Kirchenbeitragsgesetz 1939 unter nationalsozialistischer Herrschaft eingeführt. In der Zweiten Republik entfernte man sich aber wieder von dieser staatskirchen-hoheitlichen Kontrolle von Kirchen und Religionsgesellschaften.

Zudem wird eine umfassende Datenverarbeitungs- und Belehrungsermächtigung im neuen Bekenntnisgemeinschaften-Gesetz sowie im Islamgesetz eingeführt. Mit den Abänderungen im Bekenntnisgemeinschaften-Gesetz werden dem Bundeskanzler und dem Kultusamt die Ermächtigung erteilt, alle gewünschten Daten, die einen Bezug zu Kultus und damit im Sinne der DSGVO zu Religion haben, anzufordern und zu verarbeiten, darunter personenbezogene Daten natürlicher sowie juristischer Personen. Umgekehrt gibt der neu eingefügte Paragraph dem Bundeskanzler auch die Ermächtigung, allen anderen Behörden schrankenlos Informationen über religionsbezogene Daten weiterzugeben. Dies würde einen höchst bedenklichen Eingriff in die Rechte des Individuums bedeuten.

Quo vadis, Kultusamt?

Es stellt sich vor diesem Hintergrund die Frage, ob das Kultusamt in seiner Funktion als Kontaktstelle zu den Kirchen, Religionsgesellschaften und Bekenntnisgemeinschaften nicht eher den Charakter einer Religionsbehörde der staatlichen Verwaltung von Religion anzunehmen beginnt. In diesem Sinne müsste man von einer Religionsbehörde sprechen, welcher spezifisch “religionspolizeiliche” Aufgaben und Ermächtigungen zukommen. Es ist aber zweifelhaft, ob eine solche Konstruktion den Grundsätzen eines bekenntnisneutralen Staates entspricht.

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