Islamfeindlichkeit und Rassismus: Bundesweites Meldeportal gestartet (dpa)
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Ein milder Wahlkampf

Nach 16 Jahren endet bald die Ära von Bundeskanzlerin Angela Merkel. War Deutschland lange Zeit von der Dominanz der CDU geprägt, liegt die SPD nun eher überraschend laut Umfragen zum ersten Mal seit 15 Jahren leicht vor der Union. Die Sozialdemokraten profitieren damit von der Schwäche der Konkurrenz. Nach Jahren der großen Koalition haben sich CDU und SPD inhaltlich deutlich angenähert. Doch beide großen Parteien haben erheblich an Signifikanz verloren. Es ist wahrscheinlich, dass eine Regierung aus mindestens drei Parteien gebildet werden muss.

Welche potentiellen Koalitionen denkbar seien, ist derzeit eines der Hauptthemen in den deutschen Medien. Es wird auch viel über die einzelnen KanzlerkandidatInnen diskutiert, denen teilweise mehr mediale Aufmerksamkeit zukommt als den Inhalten und Programmen der Parteien.

Die bunten Wahlplakate, die von sozialer Gerechtigkeit und einem modernen Deutschland sprechen oder damit werben, Menschen zu schützen, zeigen, wie abstrakt dieser Wahlkampf ist. Es wird mit Metaphern und Sprichworten über den Umgang mit der Pandemie und dem Klimawandel gesprochen. Die Rente sowie Steuern werden auch erwähnt. Ein Thema kommt in den mit moralischer Signifikanz gefüllten Schlagworten jedoch weniger vor: Rassismus.

Rassismus in Deutschland

Rassismus und Rechtsextremismus werden weniger thematisiert. Trotz des anhaltenden Rassismus im Land scheint die Bekämpfung rassistischer Strukturen kaum ein dringliches Anliegen darzustellen.

Die letzte Amtszeit Merkels war von einem weiteren Anstieg der rechtsextremen Gefahr geprägt. Rechtsextremistische Straftaten in Deutschland haben in diesem Jahr ihren Höchststand erreicht. Skandale über rechtsextreme Netzwerke in der Bundeswehr und Polizei gab es einige. Der Terroranschlag von Hanau machte deutlich, welch tragisches Ausmaß rechte Gewalt in Deutschland auch im einundzwanzigsten Jahrhundert annehmen kann. Hanau war kein isolierter Einzelfall.

Diese Ereignisse, die Schlagzeilen machten, sind dabei nur die Spitze des Eisbergs. Es ist gesellschaftlich verankerter Rassismus, der solche Verbrechen ermöglicht und sie dann einfach weniger beachtet, wenn sie aus den Hauptnachrichten verschwinden.

Das rassistische Klima vielerorts in Deutschland, dem nicht-ethnisch Deutsche tagtäglich ausgesetzt sind, ist auch kein Thema. Dies ist aber nicht überraschend. Wer würde von Baerbock, Laschet oder Scholz erwarten, sich mit dem Phänomen des Alltagsrassismus auseinanderzusetzen, wenn sie es selbst nicht erlebt haben? Die KanzlerkandidatInnen sind weiße Deutsche, hauptsächlich Männer. In einem Einwanderungsland, in dem die Städte multikulturell geprägt sind, findet sich recht wenig Diversität in der politischen Elite.

Mit dem Aufstieg der AfD war in dieser Legislaturperiode offen rassistische Rhetorik im Bundestag präsenter als zuvor. Gleichzeitig scheint dies jedoch die Definition der rechten Gefahr eingeschränkt zu haben.

Einerseits wurde die AfD teilweise als fester Bestandteil des politischen Spektrums und Oppositionsführerin normalisiert. Andererseits dient sie den anderen Parteien als rhetorischer Gegensatz. Man distanziert sich von der AfD und ihren fremdenfeindlichen Aussagen und gilt dadurch selbst nicht als rassistisch. Doch reicht dies bei Weitem nicht aus. Tatsächlich ist die AfD für viele zum Sinnbild des Gefährlichen geworden. Doch lenkt dies leicht von der Tatsache ab, dass die AfD nur ein Teil des Problems ist.

So ist doch eine signifikante Periode der modernen deutschen Geschichte von Rassismus in Form von Genoziden, Kolonialismus und Kriegen geprägt.

Rassistische Außenpolitik

Auch die rassistische Außenpolitik ist kein Thema.

Eines der Trielle zwischen Baerbock, Laschet und Scholz begann direkt mit einem Gespräch darüber, wie man Deutschlands militärische Einsätze im Ausland optimieren kann. Trotz des Desasters in Afghanistan werden Militäreinsätze als solche nicht hinterfragt. Mangelndes Material der Bundeswehr ist laut Baerbock ein „riesenfettes Problem“. Innere Sicherheit setzte sie mit Militärausgaben gleich. Man diskutierte, wie Deutschland am besten um die Gunst der USA werben und was man dem US-Präsidenten anbieten könne.

Imperialistische Arroganz ist seit Langem zur Selbstverständlichkeit geworden. Die Opfer direkter und indirekter deutscher Kriegsführung im Ausland werden in den Gesprächen darüber, wie man Deutschlands Rolle in der Welt weiter stärken kann, nicht erwähnt.

Wäre es nicht endlich an der Zeit, sich kritisch mit der eigenen Position in der Welt auseinanderzusetzen? Die deutschen Völkermorde in Afrika sind ein dringendes Thema, das weiterhin größtenteils ignoriert wird. Die Bundesregierung hat sich zwar erst kürzlich bereit erklärt, den Völkermord an den Herero und Nama als solchen anzuerkennen. Die Nachfahren der Opfer warten jedoch weiterhin auf Gerechtigkeit. Genauso wenig wird Deutschlands arrogante Politik im Nahen Osten und Mitschuld an Israels Menschenrechtsverletzungen und täglichen Verstößen gegen das Völkerrecht erwähnt.

Die zum Teil menschenverachtende Außenpolitik wird auch nach der Wahl weitergeführt werden, unabhängig davon, welche Koalition zustande kommt. Doch sind dies Probleme struktureller Natur und auch Fragen der Identität des Landes, die weiterhin ungelöst bleiben.

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