(Reuters)
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Trotz siebenjähriger Planung durch die Stadt und die islamische Religionsgemeinschaft DITIB (Türkisch-Islamische Union der Anstalt für Religion) hat der Heilbronner Gemeinderat mit den Stimmen von CDU, Freien Wählern, FDP und AfD den Neubau einer Moschee im Stadtzentrum gekippt. So entsteht nicht nur für die Muslime in Heilbronn ein enormer Imageschaden. Daneben trifft die Entscheidung die islamische Gemeinschaft im Norden Baden-Württembergs auch in finanzieller Hinsicht hart. Denn nach Angaben der lokalen DITIB-Gemeinde hat die sieben Jahre währende Planung der Moschee bis jetzt schon rund eine Million Euro gekostet. Klar ist: Der Beschluss des Gemeinderats ist aus integrationspolitischer Perspektive eine Bankrotterklärung für die Stadt Heilbronn. Dies betont auch der Vorsitzende der Religionsgemeinschaft DITIB in Heilbronn, Erdinç Altuntaş: „Das ist ein Schlag ins Gesicht der muslimischen Mitbürger und ein fatales Signal in einer Stadt, die sich ihrer Integration rühmt.“ Geplant war, dass das bestehende Gebäude, in dem sich schon seit 30 Jahren eine Moschee befindet, durch ein Kulturzentrum mit einem 21 Meter hohen Minarett ersetzt werden sollte.

Politische Entscheidungen und skurrile Einschüchterungsmethoden

Das Projekt scheiterte nach Angaben der Grünen-Fraktion im Gemeinderat unter anderem an der Sorge, es könne wegen hoher Besucherzahlen und fehlender Stellplätze zu Verkehrsproblemen kommen. Außerdem soll die Größe des Baus eine Rolle gespielt haben ebenso wie die Nähe des Bauherrn DITIB zur Türkei. Über die bau- und verkehrsrechtlichen Unstimmigkeiten kann diskutiert werden. Dass aber die Nähe der Moscheegemeinde zur Türkei ein Problem darstellt und der eigentliche Grund für diese politische Entscheidung ist, hätte seitens der Verwaltung offener kommuniziert werden müssen. Im Übrigen ist dieses infantile Verhalten im Umgang mit DITIB nichts Neues. Auch der Bergneustädter Rat hatte vor nicht allzu langer Zeit der lokalen DITIB-Gemeinde einen „Vorschlag“ unterbreitet, der fast einem Erpressungsversuch glich: Die Gemeinde sollte sich von der DITIB-Zentrale lösen und der Türkei den Rücken kehren, um eine Baugenehmigung zu erhalten. Derartige Einschüchterungsversuche sind in den letzten Jahren keine Seltenheit mehr.

Deutschland ist ein multireligiöses Land

Deutschland rühmt sich seines multireligiösen Zusammenlebens. In der Tat befinden sich in dem Land Angehörige verschiedener Religionen. Neben den Katholiken und Protestanten, die 27 Prozent beziehungsweise 25 Prozent der Bevölkerung ausmachen, gibt es weitere christliche Minderheiten wie die Orthodoxen (zwei Prozent) und sonstige Christen (ein Prozent), zu denen verschiedene Freikirchen, die Neuapostolische Kirche, Zeugen Jehovas, Mennoniten etc. zählen. Die Anzahl der Buddhisten (0,2 Prozent), Jesiden (0,1 Prozent), Juden (0,1 Prozent), Hindus (0,1 Prozent), Sikhs (0,1 Prozent) und weitere Religionsangehörige (0,4 Prozent) illustrieren die religiöse Pluralität in Deutschland. Dass dagegen die Anzahl der Muslime in Deutschland nach neuesten Untersuchungen zur letzten Hochrechnung des Jahres 2015 um etwa 900.000 Personen auf derzeit 5,3 bis 5,6 Millionen angestiegen ist, überrascht nicht unbedingt. Mit der Einwanderung von Geflüchteten in den letzten Jahren hat sich der Anteil der Menschen muslimischen Glaubens in Deutschland von ca. fünf Prozent auf ungefähr 6,4 bis 6,7 Prozent erhöht. Nach Angaben des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (BAMF) ist die muslimische Bevölkerungsgruppe in Deutschland in den Jahren seit 2008 vielfältiger geworden, wobei Personen aus der Türkei weiterhin die größte Herkunftsgruppe unter muslimischen Personen bilden.

Fast 3.000 Moscheen in Deutschland

Ein Großteil der in Deutschland lebenden Muslime praktiziert seinen Glauben mitunter in muslimischen Gotteshäusern, den Moscheen. Laut Schätzungen existierten im Januar 2020 etwa 2.800 Moscheen und Gebetsstätten in Deutschland. Davon sind etwa 300 klassische, also städtebaulich als solche erkennbare Moscheen mit markanter Kuppel und Minarett. Die übrigen etwa 2.500 Gotteshäuser in Deutschland sind so genannte Hinterhofmoscheen, die äußerlich nicht unbedingt als Gebetsstätten zu erkennen sind. Es sind in der Regel Gebäudekomplexe, die zuvor als Wohnungen, Gewerberäume, Garagen oder Lager- und Fabrikhallen dienten.

Konflikte um Moscheebauten

So multireligiös Deutschland auch sein mag, so birgt der Bau von Moscheen hierzulande seit Jahren doch reichlich Konfliktpotential. Kontroversen entstehen oft dann, wenn es um den Neu- oder Umbau repräsentativer Moscheen mit Kuppel und Minarett geht oder wenn ein Gotteshaus einem bestimmten Verein angehört, der öffentlich kritisch, ja teilweise sogar feindselig betrachtet wird. Nicht wenige Kommunen verbieten Moscheegemeinden den Bau bzw. die Nutzung eines Gotteshauses. Ein Teil der Verwaltung, Politik und Gesellschaft sieht vor allem in den architektonisch markanten Moscheen mit Kuppel und Minarett ein Zeichen der Macht des Islam. Sie deuten die Wünsche und Bedürfnisse der Muslime als einen Angriff auf ihre altbekannte Umgebung. Die Sichtbarkeit von als fremd wahrgenommenen Veränderungen verursacht bei manchen große Sorgen und Ängste (Xenophobie/Islamophobie). Diese psychosomatischen Verhaltensauffälligkeiten lassen sich indessen relativ gut behandeln. Eine Verhaltenstherapie kann hierbei hilfreich sein. Auf der anderen Seite entgegnen viele Anwohner, dass eine Moschee nicht zum Orts- bzw. Stadtbild passe. Einige Moscheegegner verweisen auf die Immissionsschutzbestimmungen der Kommune, anderen bereiten mögliche Parkplatz- und Verkehrsprobleme Sorgen. Wieder andere stören sich an der Namensgebung der Moschee oder fürchten um ihre Lebensqualität im Viertel. Diese Einwände vernimmt man allerdings erkennbar selten, wenn es um den Bau von Einkaufszentren oder anderen Gebäuden geht. Jedenfalls steht eines fest: So kann der Islam nur ganz schwer eine einheimische Religion „in, aus und für Deutschland“ werden, so können Muslime sehr schwer „Deutschland als ihre Heimat verstehen“ und bleiben für lange, vielleicht gar für immer „Fremde im eigenen Land“. Da ein dauerhafter Aufenthalt der Muslime in Deutschland erwartet wird, muss ihnen auch die Möglichkeit eingeräumt werden, ihre grundlegenden Glaubensausübungen in eigenen Gebetshäusern problemlos zu verrichten. Es sei denn, ein Verbleib der Muslime in Deutschland ist nicht beabsichtigt. So wird es auch nichts mit einem „Euro-Islam“.

Einfluss des Vatikans wird ausgeblendet

Ein anderes Problem besteht darin, dass ein Teil der Politik und Öffentlichkeit den Moscheegemeinden unterstellt, die fünfte Kolonne von irgendwelchen ausländischen Staaten zu sein und sie als Sicherheitsrisiko für das Land definiert. Fragen sich diese Leute eigentlich auch, von wo die größte Religionsgemeinschaft Deutschlands, die römisch-katholische Kirche, regiert wird?

Falls er nicht gänzlich seinen Ruf verlieren möchte, täte der Heilbronner Gemeinderat gut daran, diese zutiefst politische Entscheidung baldmöglichst zu revidieren.

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