10.10.2021, Israel, Jerusalem: Bundeskanzlerin Angela Merkel (l), und Naftali Bennett, Ministerpräsident von Israel, sprechen bei einer Pressekonferenz nach er wöchentlichen Sitzung des israelischen Kabinetts. Merkel war für zwei Tage zu Besuch in Israel. (dpa)
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Auf ihrer achten und wohl letzten offiziellen Reise nach Palästina/Israel beharrt die noch amtierende Bundeskanzlerin auf der sturen Haltung Deutschlands. Deutschland sei nicht neutral, wenn es um die Sicherheit Israels gehe, sagte die Kanzlerin und betonte nochmals, die „Sicherheit Israels“ sei Teil der deutschen Staatsräson. Dem rechtsextremen israelischen Premierminister Naftali Bennett sicherte Merkel zu, Israels „Sicherheit“ werde ein zentrales Thema für jede deutsche Regierung sein.

Deutsche Sabotage

Diese „Sicherheit“ basiert maßgeblich auf dem fortwährenden Leid der Palästinenser, für das Deutschland eine enorme Mitverantwortung trägt.

Während Merkels Amtszeit erweiterte Israel seine rassistische Politik der Unterdrückung. Die illegale Militärbesatzung der palästinensischen Gebiete befindet sich nun im 55. Jahr. Ob brutaler Angriff auf den Libanon im Sommer 2006, Kriege gegen das besetzte und belagerte Gaza, Ausweitung der Kolonien im Westjordanland, Verschärfung des Apartheidregimes, kontinuierliche Menschenrechtsverletzungen, Kollaboration mit despotischen Regimes und Verbreitung der tödlichen Spionage-Industrie – kein israelischer Angriff ging der Bundesregierung je zu weit.

Bei Israels letztem militärischen Angriff auf Gaza im Mai 2021 wurden mehr als 250 PalästinenserInnen getötet; mehr als 70.000 wurden erneut zu Flüchtlingen. Während Israel vor laufenden Kameras Zivilisten tötete, kam es weltweit zu Kundgebungen der Solidarität mit dem palästinensischen Volk. Doch Deutschland zeigte sich solidarisch mit israelischen Kampfflugzeugen.

Im Frühling 2021 wurden christliche und muslimische Palästinenser zunächst an Ostern und später an Eid vom israelischen Besatzungskräften terrorisiert. Die al-Aqsa-Moschee wurde mehrfach gestürmt. Gleichzeitig malträtierten bewaffnete Siedler palästinensische Einheimische im von Israel seit 1967 illegal besetzen Sheikh Jarrah in Ostjerusalem. Während Siedler mit Slogans wie „Tod den Arabern“ regelrecht zum Völkermord aufriefen, versuchte die israelische Besatzung, Palästinenser aus ihren Häusern zu vertreiben. Gleichzeitig wurde das besetzte und belagerte Gaza bombardiert.

Heiko Maas rechtfertigte Israels Gräueltaten erneut als „Selbstverteidigung“. Er verurteilte palästinensischen Widerstand und besuchte Israel/Palästina persönlich, um dem israelischen Regime Deutschlands Solidarität zuzusichern.

Als kurz darauf Naftali Bennett zum neuen israelischen Premierminister gewählt wurde, konnten weder Deutschland noch die EU ihren Enthusiasmus zurückhalten. Maas bestätigte begeistert, Deutschland werde immer an Israels Seite stehen. Auch Merkel wiederholte die übliche Rhetorik. Sie werde sich mit aller Kraft für die „Sicherheit Israels“ einsetzen und freue sich auf eine enge Zusammenarbeit und eine Vertiefung der Freundschaft.

Während Bennett in Berlin und Brüssel gepriesen wird, bleibt der Siedlungsfanatiker transparent. Bennett hat seine politische Karriere auf kolonialer Hetze und militärischer Gewalt aufgebaut. Damit stellt er im israelischen Regime aber keine Ausnahme dar. Er war maßgeblich am Massaker von Qana (1996, Libanon) und am israelischen Angriff auf den Libanon 2006 beteiligt, prahlte damit, wie viele Araber er getötet habe, und drohte erst kürzlich den Libanesen mit Völkermord.

Widerstand, Antisemitismus und Terrorismus

Kritik an Israels Völkerrechtsverletzungen fanden wenn dann eher oberflächlich statt, standen jedoch dem deutsch-israelischen Bündnis niemals im Weg. Im schlimmsten Fall zeigte sich Berlin, im Einklang mit der EU, in einigen wenigen Momenten „besorgt“ über Ereignisse in Palästina.

Der Staat Israel, der aus einer europäischen Siedlerbewegung entstanden ist, durch ethnische Säuberung gewaltsam proklamiert wurde und auf rassistischen Hierarchien basiert, ist in seiner derzeitigen Form ohne die kontinuierliche Unterdrückung der Palästinenser nicht denkbar. Brutale militärische Besatzung und Apartheidpraktiken sind vonnöten, um eine ganze Bevölkerung strukturell zu unterdrücken.

Die Implementierung von Menschenrechten und Völkerrecht würde sehr wahrscheinlich zum Zerfall des Staates Israel führen.

Palästinensische Selbstverteidigung und Widerstand gegen israelische Gewalt, egal ob friedlich oder bewaffnet, werden von Deutschland generell verurteilt – oftmals als „Terrorismus“. So hat Merkel persönlich auch den friedlichen Boykott Israels als antisemitisch denunziert. Dadurch werden palästinensische Freiheitsbestrebungen als anti-jüdischer Rassismus dargestellt.

Die von der palästinensischen Zivilgesellschaft ins Leben gerufene BDS (Boycott, Divestment, Sanctions) -Bewegung hat als Ziel die Implementierung des Völkerrechts in Palästina sowie die bereits 1948 von der UN garantierte Rückkehr der Flüchtlinge. Diese friedliche Form des Protests, die weltweit Unterstützer gefunden hat, ging dem deutschen Bundestag zu weit und wurde als antisemitisch verurteilt. Während es in anderen europäischen Staaten politische Parteien und Organisationen gibt, die palästinensische Menschenrechte unterstützen, erstreckt sich der anti-palästinensische Rassismus in Deutschland durch das gesamte politische Spektrum, von der Linken bis zur AfD.

Als PalästinenserInnen sich an den Internationalen Strafgerichtshof wandten, wurde auch dies von der Regierung Merkels vehement zurückgewiesen. Der Internationale Strafgerichtshof habe keine Zuständigkeit über Palästina, da Palästina kein Staat sei, behauptete auch Bundespräsident Steinmeier. Die mögliche Souveränität eines palästinensischen Staates wird aber aggressiv von Deutschland verhindert. Auf die Frage, an wen sich PalästinenserInnen denn wenden sollen, konnte die Bundesregierung keine Antwort geben.

Dies ist nicht überraschend, bedenkt man Deutschlands menschenrechtsverachtende Außenpolitik. So war Westdeutschland auch ein großer Unterstützer des rassistischen Apartheidregimes in Südafrika, unter dem auch die Nachkommen des von Deutschland begangenen Genozids an den Herero und Nama zu leiden hatten. Überhaupt kann man die rassistische Unterdrückung der Palästinenser nicht von der modernen Geschichte Deutschlands trennen.

Deutscher Fanatismus zwischen Mythen und Lügen

Während ihrer Amtszeit hat Merkel israelische Verbrechen schöngeredet und PalästinenserInnen weiter isoliert. Friedensprozess und Zweistaatenlösung existierten teilweise in Merkels Diskurs, jedoch nicht in der Realität. Für Israels Regierung kommen aus den bereits genannten Gründen diese Optionen nicht in Frage. In gewohnt rassistischer Rhetorik mahnte Bennett Merkel während ihres Besuchs, ein palästinensischer Staat würde wahrscheinlich ein „Terrorstaat“ sein.

Da Deutschlands „Staatsräson“ auf der „Sicherheit“ des Staates Israel basiert, ist anti-palästinensischer Rassismus inhärent in der deutschen politischen Identität verankert. Unabhängig davon, wer Merkels Nachfolger wird und wie die künftige Bundesregierung aussieht, werden PalästinenserInnen weiter Opfer des deutschen Nationalismus bleiben.

Merkel hat diese rassistische Kolonialpolitik 16 Jahre lang nicht nur normalisiert, sondern enthusiastisch aufrechterhalten. Palästinensische Menschenrechte passen nicht ins deutsche Selbstverständnis. Siedlerkolonialismus, ethnische Säuberung, Apartheid, militärische Besatzung und andere rassistische Praktiken bleiben Teil der deutschen „Staatsräson“.

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