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Das Verhältnis zwischen Moskau und Berlin ist seit langem belastet. Die Vergiftung des Alexej Nawalny hat diese Beziehungen zwar weiter verschlechtert, es ist aber dennoch zu früh, um von einem gewollten Verzicht auf die Partnerschaft zu sprechen.

Am 17. Januar 2021 landete ein Flugzeug der russischen Fluggesellschaft „Pobeda“ mit dem Oppositionspolitiker Alexej Nawalny auf dem Moskauer Flughafen Scheremetjewo, wobei zuvor eine Landung auf dem Flughafen Moskau-Wnukowo geplant gewesen war. Nawalny wurde noch am Flughafen an der Passkontrolle festgenommen. Dies rief kritische Reaktionen aus Berlin hervor, wo sich der 44-jährige Politiker fünf Monate lang zur Genesung aufgehalten hatte.

Reaktion aus Berlin und Moskau

Die Bundesregierung, u. a. auch Kanzlerin Angela Merkel, forderte die sofortige Freilassung von Alexej Nawalny. Regierungssprecher Steffen Seibert gab am Montag eine Erklärung ab, in der er äußerte: „Die Bundesregierung ruft die russische Regierung nachdrücklich dazu auf, erstens Herrn Nawalny unverzüglich freizulassen und zweitens die Umstände des Chemiewaffenangriffs auf russischem Boden vollumfänglich aufzuklären.“

Auch der deutsche Außenminister Heiko Maas kommentierte auf seiner Twitter-Seite die Festnahme des russischen Oppositionspolitikers, wobei er in diesem Zuge zur „unverzüglichen“ Freilassung von Alexej Nawalny und zur Aufklärung „eines schweren Giftanschlags“ aufrief.

Der Sprecher des russischen Präsidenten, Dmitri Peskow, äußerte sich zur Frage der russischen Journalisten, ob der Kreml über die Festnahme von Nawalny informiert wäre, ziemlich unseriös und stellte stattdessen selbst eine rhetorische Frage: „Entschuldigen Sie: Wurde er in Deutschland inhaftiert? Ich weiß es nicht.“

Nawalny als „Gast der Kanzlerin“

Seit dem 22. August 2020 war Nawalny wegen eines Giftanschlags in der Charité – Universitätsmedizin Berlin untergebracht, wo er vier Monate lang behandelt wurde. Ein Speziallabor der Bundeswehr führte anhand der Proben des russischen Politikers Untersuchungen durch, bei denen festgestellt werden konnte, dass er mit einem chemischen Nervenkampfstoff der Nowitschok-Gruppe vergiftet worden war.Um die Sicherheit von Nawalny weiterhin auf hohem Niveau zu gewährleisten, wurde ihm sogar der Status als „Gast der Kanzlerin“, also Angela Merkel persönlich, erteilt, damit Mitarbeiter des BKA ihn schützen konnten. Die Beziehungen zwischen Berlin und Moskau waren ohnehin bereits vorbelastet, sodass die Aufnahme des Kremlkritikers sowie die Vorwürfe an Moskau in Bezug auf eine mutmaßliche Vergiftung diese Beziehungen noch brüchiger werden ließen. Auf dem Spiel steht dabei das Energieprojekt Nord Stream 2.

Lawrow empfing AfD-Delegation in Moskau

Als Gegenreaktion des Kremls fiel die Reise einer AfD-Delegation nach Moskau und deren Empfang durch den russischen Außenminister Sergej Lawrow ins Gewicht. Am 8. Dezember 2020 hieß Lawrow die AfD-Politiker offiziell willkommen und sprach dabei von einem „Neustart“ zwischen Berlin und Moskau. Während des Treffens betonte Lawrow, dass sich zwischen Moskau und Berlin „eine Menge ernsthafter Probleme angehäuft haben, die sich weiter vervielfachen“. DesWeiteren äußerte sich Lawrow erstaunt über die Hindernisse, die Berlin offiziell in Bewegung setzte, scheinbar um die Reise der AfD-Delegation nach Moskau zu behindern.

Der Parteivorsitzende der AfD, Tino Chrupalla, kritisierte die Sanktionen gegen Russland und sprach sich für das Bauprojekt Nord Stream 2 aus.

Dieses Treffen sollte Berlin wohl offiziell signalisieren, dass Moskau auch alternativ gerne die Politik der deutschen rechten Politiker unterstützen würde.

Nawalny: „Nummer 2“ nach Putin

Die Vergiftung Nawalnys und seine sofortige Verhaftung am Flughafen nach seinem fünfmonatigen Aufenthalt in Berlin machten ihn in den Reihen der russischen Bevölkerung sogar noch beliebter. Dass die Maschine der Fluggesellschaft „Pobeda“ kurz vor der Landung auf dem Flughafen Moskau-Wnukowo ihren Kurs noch nach Scheremetjewo änderte, geht wohl auf die große Ansammlung von Nawalny-Anhängern zurück. Ein Gericht in Chimki, das in einer Polizeistation tagte, beschloss am 18. Januar 2021 eine präventive Maßnahme gegen Alexej Nawalny in Höhe von 30 Tagen Haft. Nach der Verhaftung wandte sich Nawalny direkt an seine Anhänger und rief zu landesweiten Protesten auf: „Habt keine Angst, geht auf die Straße, geht nicht für mich auf die Straße, geht für euch selbst und eure Zukunft auf die Straße!“ Mittlerweile bereiten sich Nawalny-Anhänger im ganzen Land auf Proteste vor, wobei bekannt wurde, dass sie bereits am 23. Januar 2021 in mehreren Städten auf die Straße gehen wollen. Nach der Rückkehr Alexej Nawalnys nach Russland wurde er unbestritten zum zweitwichtigsten Politiker Russlands nach Vladimir Putin. Inwiefern dieser seinen Opponenten tolerieren wird, kann so früh nicht hinreichend eingeschätzt werden. Eines scheint jedoch sicher: Nawalny stellt nun eine reale Gefahr für die Macht Putins dar.

Die deutsch-russischen Beziehungen nach Nawalnys Heimkehr

Die angespannten Beziehungen zwischen Russland und Deutschland sollten sich bald verbessern, wobei die erneute Inhaftierung Alexej Nawalnys diese Annäherung wohl noch eine Weile hinausschieben wird. Berlin wird die Ereignisse um Nawalny jedoch aufmerksam verfolgen und kommentieren. Dies soll dennoch der wirtschaftlichen Partnerschaft nicht schaden, denn gerade in diesem Bereich sind beide Länder aufeinander angewiesen. Noch am 14. Dezember 2020 eröffneten der russische und der deutsche Außenminister gemeinsam das deutsch-russische Wirtschaftsjahr unter dem Leitsatz „Wirtschaft und nachhaltige Entwicklung 2020–2022“. Mehr als 4.200 deutsche Unternehmen sind derzeit in Russland tätig. Zugleich ist Deutschland der zweitgrößte Handelspartner Russlands. Beide Länder warten daher noch geduldig auf die Gelegenheit, die politischen Beziehungen zu verbessern.

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