Wladimir Putin; Präsident der Russischen Föderation (AP)
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Nachdem Deutschland zwei russische Diplomaten zu Personae non gratae erklärt hatte, hat nun Russland seinerseits zwei deutsche Diplomaten ausgewiesen. Die deutsch-russischen Beziehungen befinden sich auf einem Tiefpunkt. Mit Blick auf die regionalen Entwicklungen in Osteuropa sollten sich beide Seiten jetzt vor allem auf diplomatisches Handeln fokussieren. Ansonsten könnte ein weiterer Konflikt ausbrechen, der nicht nur die Ukraine, sondern ganz Europa betreffen könnte.

Schröder-Regierung und ihre freundschaftliche Beziehung zu Russland

In der Geschichte der Bundesrepublik hatten die deutsch-russischen Beziehungen in der Schröder-Regierung zwischen 1998 und 2005 ihren Höhepunkt erreicht. Gerhard Schröder war bekannt für seine persönlich guten Beziehungen zur russischen Regierung und vor allem Wladimir Putin. Der Altkanzler nutzte diese guten Beziehungen, um vor allem für den Energiekonzern Gazprom in Deutschland Lobbyarbeit zu betreiben. Den Einfluss von Schröder in den deutsch-russischen Beziehungen kann man noch heute spüren. Er ist einer der hauptverantwortlichen Akteure für die Realisierung des Nord-Stream 2 Projekts.

Große Bedeutung hatten die deutsch-russischen Beziehungen in der Irak-Krise 2003. Deutschland entschied sich gemeinsam mit Frankreich und Russland gegen einen Irak-Einsatz. Schröder sorgte damit für ein Novum in den deutsch-amerikanischen Beziehungen, da sich Deutschland damit zum ersten Mal gegen die Entscheidung der USA stellte und auf einer Seite mit Russland stand. Während die deutsch-amerikanischen Beziehungen ihren Tiefpunkt erreichten, konzentrierte sich Deutschland verstärkt auf den europäischen Kontinent und nahm dafür die deutsch-russischen Beziehungen als wichtige Grundlage für diese Politik.

Merkels rationaler Ansatz

Als Merkel 2005 Bundeskanzlerin wurde, war es ihre höchste Priorität, die transatlantischen Beziehungen zu den USA wieder zu verbessern. Während ihrer Zeit in der Opposition hatte sich Merkel 2003 für den Irak-Einsatz ausgesprochen, weswegen die USA später ihre Wahl zur Bundeskanzlerin begrüßten. Die Bundeskanzlerin hatte ihre Sympathien für die USA schon früher deutlich gemacht und damit auch klargemacht, dass die Beziehungen zu Russland nicht mehr von freundschaftlicher Nähe geprägt sein würden. Stattdessen verfolgte Merkel gegenüber Russland eine Außenpolitikstrategie, die auf rationalem Fundament fußte.

Dieser rationale Ansatz führte jedoch dazu, dass Deutschland gemeinsam mit der EU außerhalb seines territorialen Bereichs handlungsunfähig blieb. Deutschland ist ein Handelsstaat und deswegen darauf bedacht, vor allem die Beziehungen mit anderen Drittstaaten wie Russland und China auf bestmöglichem Niveau zu halten. Zudem ist Deutschland ein energieabhängiges Land, weswegen insbesondere die Beziehung zu Russland, das als wichtigster Gaslieferant für Deutschland und Europa gilt, von hoher Bedeutung ist. Aufgrund Merkels rationalem Ansatz, der auf maximaler Ausschöpfung nationaler Interessen in der internationalen Politik basierte, konnten Deutschland und die EU Russlands Offensivaktionen in Georgien 2008 und in der Ukraine 2014 nichts entgegenstellen. Hier war die Devise klar: Moralische Werte müssen hintangestellt werden, falls nationale Interessen durchgesetzt werden müssen.

Neue Außenpolitikstrategie gewinnbringend?

Die im Dezember formierte Koalitionsregierung verfolgt eine andere, offensivere Außenpolitik als Merkel. Olaf Scholz hatte zuvor angedeutet, dass man die Merkel-Linie weiterverfolgen würde, gleichzeitig jedoch eine Aufbruchstimmung schaffen wolle. Bedeutet: Deutschland soll nun eine aktivere Rolle in der internationalen Politik übernehmen, ohne aber die Beziehungen zu anderen Staaten zu gefährden. Während die SPD eine ausgewogene Einstellung gegenüber Russland einnimmt, sind die Grünen, die auch das Auswärtige Amt vertreten, deutlich härter eingestellt.

Außenministerin Annalena Baerbock ist bekannt für ihre Nähe zu den USA und verfolgt dementsprechend eine Außenpolitikstrategie, die von transatlantischen Elementen geprägt ist. Sie hatte früh ihre Ablehnung gegenüber dem Nord-Stream 2 Projekt verdeutlicht und später, als sie Außenministerin wurde, Russland mit harten Konsequenzen gedroht, falls Russland grenzüberschreitend handeln würde. Mit der Erklärung von zwei russischen Diplomaten zu Personae non gratae seitens Deutschlands und der Ausweisung von zwei deutschen Diplomaten seitens Russlands haben die deutsch-russischen Beziehungen nun einen Tiefpunkt erreicht.

Diese offensive Außenpolitik könnte aber vor allem der Koalitionsregierung sehr schaden. Das Nord-Stream 2 Projekt beispielsweise ist ein großer Diskussionspunkt zwischen der SPD und den Grünen. Während die SPD um Olaf Scholz am Projekt festhalten möchte und es als rein privatwirtschaftliches Projekt ansieht, verweisen die Grünen auf den Koalitionsvertrag und behaupten, dass man dieses Projekt nur unter „normalen Umständen“ befürworten würde. Da diese „normalen Umstände“ nicht näher definiert wurden, wird dieser Streit womöglich noch länger dauern. Während Wirtschaftsminister Habeck zuletzt mit dem Stopp des Projekts drohte, lehnt sich die SPD dagegen auf. Die SPD begründet ihre Position damit, dass die Handlungen Moskaus von dem Unternehmen Gazprom, welches das Projekt leitet, strikt getrennt werden müssten. Die SPD-Ministerpräsidentin von Mecklenburg-Vorpommern, Manuela Schwesig, hatte letztes Jahr mit ihrer Regierung die „Stiftung Klima- und Umweltschutz MV“ gegründet. Diese Stiftung soll das Nord Stream 2 Projekt vor amerikanischen Sanktionen schützen und die Realisierung des Projekts garantieren.

Es wird sich zeigen, inwiefern sich die neue außenpolitische Strategie auf die deutsch-russischen Beziehungen und die Koalitionsregierung auswirken wird. Während sich die Krise zwischen Russland und Deutschland immer weiter zuspitzt, wird es auch in der Koalitionsregierung immer unruhiger. Man muss die Konsequenzen dieser Außenpolitikstrategie abwarten, um eine klare Prognose abgeben zu können, ob diese Entscheidungen für Deutschland gewinnbringend sind oder nicht. Die neue Regierung geht ein hohes Risiko ein und könnte mit dieser Strategie nicht nur die Beziehungen zu Russland auf ein neues Tief bringen, sondern damit auch die Stabilität des eigenen Landes, wenn nicht sogar Europas gefährden.

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