Kanzler Scholz und Israels Ministerpräsident Netanjahu / Photo: DPA (dpa)
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Deutschland hat im Kontext des aktuellen Israel-Palästina-Konflikts eine klare politische und militärische Unterstützung für Israel gezeigt. In einer kürzlich veröffentlichten Erklärung der Bundesregierung wurde bekannt gegeben, dass Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius beschlossen hat, Israel medizinische Ausrüstung bereitzustellen. Darüber hinaus wurden zwei von Israel an die Bundeswehr für Trainingszwecke vermietete Drohnen wieder an Israel zurückgegeben.

Regierungspolitik und öffentliche Meinung: Ein wachsender Graben

Diese Unterstützung der deutschen Regierung steht jedoch im Widerspruch zu den Ergebnissen der ARD-DeutschlandTrend-Umfrage von August 2024. Auf die Frage nach der Bewertung der militärischen Reaktion Israels in Palästina antworteten vier Prozent der Befragten, dass die Reaktion „nicht weit genug“ gehe, 21 % hielten sie für „angemessen“, während 57 Prozent „geht zu weit“ befanden. Im November 2023 waren die Antworten auf dieselbe Frage noch relativ ausgewogen gewesen, wobei die Meinungen bei etwa 40 Prozent für jede Seite lagen. Die August-Umfrage zeigt nun deutlich, dass die Mehrheit der deutschen Bevölkerung die israelischen Operationen für übertrieben hält und die Unterstützung für Israel in der deutschen Bevölkerung abnimmt.

Eine weitere Frage der Umfrage bezog sich auf die militärischen Aktionen, auch wenn diese die palästinensische Zivilbevölkerung betreffen. Hier gaben 18 Prozent der Befragten an, dass israelische Angriffe „gerechtfertigt“ seien, während 68 Prozent dies für „nicht richtig“ hielten.

Das bemerkenswerteste Ergebnis der Umfrage war jedoch die Meinung der Deutschen zur möglichen militärischen Unterstützung Israels durch Deutschland. Den Teilnehmern wurde folgende Frage gestellt: „Vor dem Hintergrund einer möglichen weiteren Eskalation im Nahen Osten wird aktuell darüber diskutiert, ob die Bundesregierung Israel militärischen Beistand anbieten sollte. Im Gespräch sind etwa die Betankung von Kampfjets befreundeter Nationen, aber auch der Einsatz von Eurofightern der Bundeswehr, zum Beispiel zur Abwehr von Drohnen. Fänden Sie es richtig, wenn Deutschland Israel bei der Verteidigung militärisch unterstützt, oder fänden Sie das nicht richtig?“ 68 Prozent der Befragten lehnten eine solche Unterstützung ab, während nur 19 Prozent diese befürworteten.

Volksmeinung vs. Parteipolitik: Überraschende Ergebnisse zur Israel-Hilfe

Interessanterweise wurde in allen politischen Lagern eine überwiegend ablehnende Haltung festgestellt. Besonders hoch war die Ablehnung unter den Anhängern der AfD, von denen 80 Prozent gegen eine militärische Unterstützung Deutschlands für Israel waren. Die größte Unterstützung für eine militärische Hilfe kam mit 27 Prozent von den Anhängern der Grünen, einer Partei, die traditionell für Menschenrechte und internationale Zusammenarbeit eintritt. Dies erscheint bemerkenswert, da die Grünen normalerweise für eine friedensorientierte Politik bekannt sind, in diesem Fall jedoch eine eher gegenteilige Haltung zeigen. Unter den Anhängern der Grünen sprachen sich 62 Prozent gegen eine militärische Unterstützung aus. Dass die Grünen trotz ihrer traditionell pazifistischen Haltung relativ hohe Zustimmungswerte für eine militärische Unterstützung erhalten, steht im Widerspruch zu den klassischen „friedlichen“ Grundsätzen der Partei. Die geringste Zustimmung zur militärischen Unterstützung Israels fand sich bei den Anhängern der AfD, von denen nur 12 Prozent eine solche Unterstützung befürworteten.

Die Antworten auf diese drei Fragen zeigen, dass die deutsche Bevölkerung Israel nicht in dem Maße unterstützt wie die Politiker. Die Ergebnisse der Umfrage deuten darauf hin, dass die Mehrheit der Deutschen eine militärische Unterstützung Israels ablehnt und dass in Deutschland das Bedürfnis nach einer friedensorientierteren Außenpolitik stärker ausgeprägt ist als in der Regierung.

Die Bedeutung der öffentlichen Meinung in demokratischen Systemen

Eine weitere interessante Frage in der Umfrage war: „Wie zufrieden sind Sie mit der Arbeit der Bundesregierung?“ Hier antworteten nur 18 Prozent der Befragten mit „zufrieden“, 42 Prozent mit „weniger zufrieden“ und 37 Prozent mit „gar nicht zufrieden“. Diese Ergebnisse zeigen eine Korrelation zwischen der Zufriedenheit mit der Regierung und der Zustimmung zur militärischen Unterstützung Israels, die fast identisch ist. Dies verdeutlicht die Unzufriedenheit der Bevölkerung mit der Regierung und die Diskrepanz zwischen der Unterstützung der Regierung für Israel und der Meinung der Bevölkerung.

Nach Angaben des palästinensischen Gesundheitsministeriums sind bisher etwa 40.000 Menschen in Palästina durch israelische Angriffe ums Leben gekommen. Abschließend lässt sich sagen, dass es eine deutliche Diskrepanz zwischen der deutschen Regierungspolitik gegenüber Israel und der Meinung der deutschen Bevölkerung gibt. Seit dem vergangenen November ist die Zahl der Kritiker an Israels Handlungen in Deutschland stetig gestiegen.

Natürlich trifft kein Land sicherheits- und militärbezogene Entscheidungen basierend auf Umfragen. Jedes Land hat seine roten Linien, und unabhängig von den Ergebnissen der Umfragen handeln Staaten entsprechend. Dies gilt nicht nur für Deutschland, sondern für alle Staaten weltweit. Auch wenn Deutschland Israel militärisch unterstützen möchte, wird es dies nicht auf Grundlage von Umfrageergebnissen entscheiden. Dennoch ist die Unterstützung der Bevölkerung in demokratischen Systemen wichtig und hat langfristig Auswirkungen. Dass die große Mehrheit der deutschen Bevölkerung im Gegensatz zur Regierung gegen eine militärische Unterstützung Israels ist, die israelischen Operationen in Palästina als „geht zu weit“ empfindet und die Angriffe auf palästinensische Zivilisten ablehnt, ist von großer Bedeutung. Diese Ergebnisse könnten auch als Beispiel für andere europäische Gesellschaften dienen und sie ermutigen.

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