Symbolbild (dpa)
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Die sogenannte Aufmerksamkeitsdefizit- und Hyperaktivitätsstörung, kurz ADHS, betrifft in Deutschland rund 5 Prozent der Kinder und Jugendlichen im Alter zwischen 3 du 17 Jahren, so die Schätzung von ADHS Deutschland e.V., dem Verband, der hierzulande über das Krankheitsbild aufklärt. Die Dunkelziffer soll noch höher sein: Weitere knapp 5 Prozent gelten als Verdachtsfälle. Doch wie erkennt man eine ADHS beim eigenen Kind?

Lebhaft oder schon hyperaktiv?

Das als psychische Störung klassifizierte Krankheitsbild beginnt in aller Regel bereits im frühen Kindesalter und dauert bei rund 40 bis 60 Prozent der Kinder sogar bis ins Erwachsenenleben hinein an.

Zu den Verhaltensauffälligkeiten, die sich bereits häufig im Vorschulalter beobachten lassen, gehören in erster Linie Aufmerksamkeits- und Konzentrationsschwierigkeiten. Die betroffenen Kinder sind sehr leicht abzulenken, häufig auch vergesslich. Da die Wahrnehmung der betroffenen Kinder kaum strukturiert ist und ihr Handeln typischerweise wenig Selbstorganisation aufweist, wechseln sie häufig ihre Aktivitäten.

Körperlich macht sich ADHS durch einen übermäßigen Bewegungsdrang, die Hyperaktivität, und motorische Unruhe bemerkbar. Auf psychisch-emotionaler Ebene lassen sich Ungeduld und Impulsivität wie z.B. plötzliche Wut sowie auch starke Gefühlsschwankungen feststellen, die sich je nach Veranlagung und Altersstufe auch in Richtung Depression, Angst- oder Aggressionsstörung entwickeln können. Insbesondere Mädchen, die an ADHS leiden, sind eher von der emotionalen Instabilität betroffen als von der körperlich-motorischen Unruhe.

Im schulischen Umfeld zeigt sich die Erkrankung meist in erster Linie durch die Konzentrationsschwäche, bisweilen auch durch eine Rechen-, Lese- oder Rechtschreibschwäche. Jedoch kann auch unabhängig vom Vorliegen einer Dyskalkulie, Dyslexie oder Legasthenie ein ständig störendes oder zappeliges Verhalten im Unterrichtsgeschehen auf die Hyperaktivität hindeuten. Sämtliche ADHS-Symptome können sich in der Pubertät noch einmal weiter verstärken.

Die Ursachen: erblich und neurobiologisch bedingt

Bis heute sind die Ursachen für das Auftreten von ADHS bzw. einer Hyperaktivität nicht abschließend geklärt – ebenso konnte die Forschung bislang keine Biomarker für das Krankheitsbild identifizieren. Dennoch ist sich die Forschung darin einig, dass die psychische Erkrankung ADHS hauptsächlich erblich veranlagt ist und nicht durch Erziehungsfehler zustande kommt.

Demnach sollen genetische und neurobiologische Faktoren für die fehlerhafte Informationsverarbeitung im Gehirn verantwortlich sein: Informationen, die im Gehirn der Betroffenen nicht adäquat verarbeitet und weitergeleitet werden, strömen so ungefiltert auf die Kinder ein. Messbar sind bei ADHS-Patienten u.a. reduzierte Dopaminwerte – der Nervenbotenstoff ist nicht nur für die Aussendung positiver Gefühlserlebnisse, sondern auch für die Weiterleitung von Bewegungsimpulsen zuständig.

Psychosoziale Faktoren spielen insofern eine Rolle, als sie sich positiv oder negativ auf das Auftreten und den Verlauf einer ADHS-Erkrankung auswirken können.

Die Herausforderung: ADHS diagnostizieren

Die klinische Diagnostik von Hyperaktivität gestaltet sich oft langwierig, da viele der Symptome auch bei gesunden Kindern in der normalen Entwicklung in Phasen immer wieder auftreten können. Das macht die präzise Abgrenzung durch einen erfahrenen Arzt umso wichtiger. Bei ADHS geschieht dies zumeist im Ausschlussverfahren. Es werden somit zunächst andere neurologische und psychiatrische Krankheitsbilder sowie Nebenwirkungen von Medikamenten ausgeschlossen.

Unterschiedliche Tests zur Entwicklung, Intelligenz und Leistung der Kinder sind möglich – von der Untersuchung am Kind über standardisierte Abfragen für Eltern, Lehrer und Bezugspersonen sowie auch experimentelle Beobachtungen des Kindes in unterschiedlichen Situationen. In allen Fällen vorgesehen ist jedoch eine umfassende körperliche Untersuchung, zu der auch ein Seh- und Hörtest sowie ein neurologischer Test gehören. Da die Störung nicht durch einen einzigen Messwert nachweisbar ist, erfolgt die finale Abklärung durch einen ADHS-erfahrenen Kinder- und Jugendpsychiater.

Die Unterschiede: Jungen versus Mädchen

Laut ADHS Deutschland e.V. wird die Aufmerksamkeitsdefizit- und Hyperaktivitätsstörung bei Jungen viermal so häufig diagnostiziert wie bei Mädchen. Statistisch gesehen betrifft ADHS somit mehr als 9 Prozent der Jungen und knapp 3 Prozent der Mädchen in Deutschland.

Bei Mädchen zeigt ADHS in aller Regel anders geartete Erscheinungsformen: Hier sind weniger die körperliche Aktivität und Aggression auffallend, als vielmehr die innere Ruhe, ein fortwährendes Redebedürfnis und stärkere Gefühlsschwankungen – vor allem im privat-familiären Kontext. Ihre Fähigkeit, sich sozial anzupassen und einzufügen, nimmt mit fortschreitender Pubertät ab.

Möglichkeiten der Behandlung

Zur medikamentösen Behandlung von Hyperaktivität eignen sich die beiden Stimulanzien Methylphenidat und Atomoxetin. Das zumeist verordnete Medikament Ritalin, welches Methylphenidat enthält, bringt das körpereigene Dopamin auf ein Normalniveau, was sich zumeist positiv auf die ADHS-Symptomatik auswirkt. Vor allem verbessert sich hierdurch die Fähigkeit, sich zu konzentrieren – die Leistungsfähigkeit der betroffenen Kinder steigt. Dennoch wird aktuellen Schätzungen zufolge nur bei rund einem Drittel der mit ADHS diagnostizierten Kinder überhaupt mit Medikamenten therapiert.

Obwohl nur wenige Nebenwirkungen auftreten, werden regelmäßige Begleituntersuchungen – besonders zum Wachstum, Gewicht und Blutdruck – nachdrücklich empfohlen. Ein Abhängigkeitsrisiko besteht nach ärztlicher Einschätzung nicht.

Für Eltern und Bezugspersonen empfiehlt sich die umfassende Information rund um das Krankheitsbild, um im Umgang mit dem Verhalten des Kindes angemessen zu reagieren.

Für das Kind selbst ist eine Psychotherapie vielfach ein hilfreicher Weg, um das eigene Verhalten zu verstehen und besser kontrollieren zu lernen. Spezielle Programme trainieren das Kind zusätzlich darin, die eigene Aufmerksamkeit besser zu kanalisieren und die eigene Konzentration zu steigern.

TRT Deutsch