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Quschdschi hat die Astronomie im 15. Jh. tiefgreifend beeinflusst – nicht nur in der islamischen Welt. Sein Wissen diente vielen Wissenschaftlern als Ausgangspunkt ihrer Forschung.

Von Ufuk Necat Tasci

Der muslimische Astronom Ali al-Quschdschi hat im 15. Jahrhundert wichtige Spuren in der Astronomie hinterlassen. Quschdschi, Sohn eines königlichen Falkners, der dem legendären Astronomen Ulugh Beg diente, bildete sich in Sprachwissenschaften, Mathematik, Astronomie und anderen von Beg und seinen Schützlingen gelehrten Wissenschaften.

1420 zog er heimlich nach Kirman, wo er Astronomie und Mathematik studierte. Als er 1428 nach Samarkand zurückkehrte, überreichte er seinem Meister Ulugh Beg eine Monographie mit dem Titel „Hall ishkal al-mu'addil li-l-masir", in der er die Probleme im Zusammenhang mit dem Planeten Merkur löste. Es beeindruckte Beg so sehr, dass er begann, seinen Schüler als Quschdschi (tugendhaften Sohn) zu bezeichnen.

Nach dem Tod von Beg, der auch als „Prinz der Sterne" bezeichnet wurde, verließ Quschdschi den timuridischen Palast und ging nach Täbris im heutigen Iran, wo er sich mit Uzun Hasan traf, dem König des Staates Aq Qoyunlu.

Uzun Hasan bewunderte Quschdschis Weisheit und sandte ihn als Botschafter zu Sultan Mehmed II. ins Osmanischen Reich. Er wurde beauftragt, einen Streit zwischen den beiden Herrschern beizulegen.

Als er sich Istanbul näherte, sandte Sultan Mehmed II. eine Gruppe von Gelehrten, um Quschdschi willkommen zu heißen. Laut einigen historischen Berichten kam es beim Überqueren des Bosporus zu einer Diskussion über die Ursachen des Auf und Ab der Meerenge. Als er im osmanischen Palast ankam, überreichte er Mehmed II. ein mathematisches Werk mit dem Titel „Al-Muḥammadiyya fi al-Isab“.

Nach dem Angebot von Sultan Mehmed II. entschied sich Ali Quschdschi, in Istanbul zu bleiben und wurde 1473 Dozent an der Madrasa der Hagia Sophia - in einem Jahr, das in Istanbul zu einem Wendepunkt der Astronomie und Mathematik wurde.

Während dieser Zeit kümmerte sich Quschdschi zusammen mit Mullah Husrev um die Madrasa-Kurse. Er korrigierte unter anderem den Wert der geografischen Länge Istanbuls von 60 Grad auf 59 Grad

Er verbrachte die letzten drei Jahre seines Lebens in Istanbul und unterrichtete zunächst in der vom Sultan gegründeten Sahn-i Thaman-Madrasa. Danach wurde er Leiter der Hagia-Sophia-Madrassa. In kurzer Zeit bildete er eine große Anzahl von Studenten und Gelehrten aus und beeinflusste sie. Diese hatten ihrerseits einen großen Einfluss auf die zukünftigen Generationen im Osmanischen Reich.

Als Universalgelehrter zeichnete er sich später in weiteren Disziplinen aus, darunter Sprache, Literatur, Philosophie und Theologie. Seine Kommentare wurden teilweise populärer als die Originaltexte und wurden selbst Gegenstand zahlreicher Kommentare. Tausende Exemplare von seinen Werken wurden in Medresen unterrichtet.

Quschdschi schrieb fünf Bücher über Mathematik: eines auf Persisch und vier auf Arabisch. Das auf Persisch geschriebene Werk „Risala dar" ilm al -hisab“ wurde zum Lehrbuch. Er versuchte gemäß den Prinzipien, die er im „Sharḥ al-Tajrīd“ aufgestellt hatte, die Mathematik von der hermetisch-pythagoreischen Mystik zu befreien. Infolgedessen nahm die osmanische Mathematik einen praktischen Charakter an.

Quschdschi erstellte originelle Studien zur beobachtenden und theoretischen Astronomie und trug zur Erstellung von Ulugh Begs anstronomischem Handbuch Zīj am Samarkand-Observatorium bei. Er bestand auf die Möglichkeit der Erdbewegung und forderte eine Reform der wissenschaftlichen Disziplinen von der aristotelischen Physik bis hin zur Metaphysik.

Quschdschis Wissenschaftsphilosophie, die einen wichtigen Beitrag zur Astronomie leistete, legte die Prinzipien von Konzepten wie Existenz, Natur, Wissen und Sprache fest.

Quschdschi versuchte, Objekte (Jisma) mathematisch zu definieren und argumentierte, dass die Essenz eines Objekts aus diskontinuierlicher (atomarer) Größe bestehe - und seine Form aus kontinuierlicher (geometrischer) Größe. Wenn ein Objekt ein Subjekt der Sinne ist, gewinnt er seine natürlichen Eigenschaften (Qualifikationen).

Eine Konsequenz von Quschdschis anti-aristotelischen Ansichten war seine bemerkenswerte Behauptung, dass es durchaus möglich sein könne, dass die Erde in Bewegung ist. Quschdschi folgte damit einer langen Reihe islamischer Astronomen. Das eröffnete die Möglichkeit für eine neue Richtung der Physik.

Seine Ansichten wurden auch noch Jahrhunderte nach seinem Tod diskutiert, und er übte einen tiefgreifenden Einfluss auf die osmanisch-türkische Denkweise und die wissenschaftliche Forschung aus. Sein Einfluss erstreckte sich auch auf Zentralasien und den Iran. Es wird angenommen, dass er entweder direkt oder indirekt einen Einfluss auf die frühneuzeitliche europäische Wissenschaft hatte, mit der seine Ideen auffallend ähnlich sind.

Auf dem Gebiet der Astronomie ist einer der wichtigsten Beiträge von Quschdschi das Beobachtungsprogramm für den Zīj-i von Ulugh Beg und seine Korrekturen an der Arbeit vor und nach der Veröffentlichung.

Darüber hinaus veröffentlichte er neun Werke zur Astronomie: zwei auf Persisch und sieben auf Arabisch. Einige von ihnen sind originelle Beiträge, während andere pädagogisch sind. In seiner theoretischen Monographie mit dem Titel „isall ishkal al-muʿaddil li-l-masir“ kritisiert und korrigiert er Meinungen und Ideen von Ptolemäus zum Merkur. Die Arbeit „Risala fī anna asl al-kharij yumkinu fī al-sufliyayn" befasst sich mit der Möglichkeit, ein exzentrisches Modell für Merkur und Venus zu verwenden.

Das Werk „Risala dar ʿilm al-hayʾa“, das 1458 in Samarkand auf Persisch geschrieben worden war, wurde allgemein als Lehrtext verwendet. In Bibliotheken auf der ganzen Welt existieren 80 Manuskriptkopien. Es wurde auch ins Türkische übersetzt. Zwei Kommentare wurden dazu geschrieben: einer von Muṣliḥ al-Din al-Lari, der andere von einem anonymen Autor.

Quschdschis „Risala“ wurde auch ins Sanskrit übersetzt und repräsentiert somit den Transfer der islamischen Astronomie zum indischen Subkontinent. Quschdschi schrieb auch eine erweiterte Version des Werkes auf Arabisch - unter dem Namen „al-Fatḥiyya fī ʿilm al-hayʾa“.

Ali Quschdschi wurde 1474 auf dem Friedhof der Eyüp-Sultan-Moschee in Istanbul beigesetzt.