Das 10. Gipfeltreffen der Organisation der Turkstaaten (OTS) / Photo: AA (AA)
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Das 10. Gipfeltreffen der Organisation der Turkstaaten (OTS) wurde in der Hauptstadt Kasachstans, Astana, unter dem Motto „Türkische Ära“ abgehalten. An dem Gipfel nahmen der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan, der kasachische Präsident Tokayev, der aserbaidschanische Präsident Ilham Aliyev, der usbekische Präsident Şevket Mirziyoyev und der kirgisische Präsident Sadır Japarov teil, ergänzt durch den Vorsitzenden des Volksrates von Turkmenistan, den ehemaligen turkmenischen Präsidenten Gurbanguly Berdimuhamedow, sowie den ungarischen Premierminister Viktor Orban als Beobachter. Dieser Gipfel hob sich von vorherigen durch die Themen um Gaza ab und durch die gemeinsame Position, die die Organisation in Bezug auf Gaza einnahm, wodurch sie ihre Haltung der Welt gegenüber deutlich machte.

Die internationale Konjunktur erfordert eine Vertiefung der Zusammenarbeit in der türkischen Welt

Nach der Pandemie begann der Einfluss des Russland-Ukraine-Krieges, der insbesondere Europa und Zentralasien sowohl aus politischer Sicht als auch in Bezug auf Wirtschaft und Energie stark betrifft. Während die Welt politisch auf das Ende dieses Krieges und die Herstellung von Stabilität wartete, brachte der neu aufflammende Israel-Palästina-Konflikt erneut den Bedarf der Region an Stabilität zum Vorschein. Internationale Organisationen wie die Vereinten Nationen (UN), von denen erwartet wird, dass sie in solchen Konfliktzeiten eine aktive Rolle übernehmen, blieben ineffektiv. Daher wurde einmal mehr deutlich, dass Strukturen benötigt werden, die in der Region aktiv Politik gestalten können.

In diesem Kontext werden eine Stärkung der Organisation der Turkstaaten als politische Union sowie die Diversifizierung und Vertiefung ihrer Aktivitäten bedeutende Beiträge zum regionalen Frieden leisten. Der türkische Präsident Erdoğan betonte dies auch in seiner Rede auf dem Gipfel und sagte: „Wenn wir als türkische Welt in Einheit und Solidarität handeln, wird dies den Weg zuerst zum Waffenstillstand und dann zu einem dauerhaften Frieden erleichtern. Die Haltung, die wir als Organisation der Turkstaaten zeigen werden, wird auch anderen Institutionen als Beispiel dienen.“

Ebenso betonte Erdoğan die Bedeutung der OTS für Afghanistan und die Herstellung eines nachhaltigen Friedens. Vor diesem Hintergrund besitzen regionale Institutionen wie die Organisation der Turkstaaten das Potenzial, entscheidende Impulse für Stabilität und Frieden zu setzen, insbesondere in einem globalen Kontext, in dem etablierte Organisationen wie die Vereinten Nationen (UN) bei der Lösung regionaler Konflikte an Grenzen stoßen.

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Astana-Erklärung: OTS fordert sofortige Waffenruhe in Palästina

Mit der Verabschiedung der Astana-Erklärung erweitert und intensiviert die Organisation der Turkstaaten ihre Kooperationsfelder. Diese Deklaration, welche die Angriffe auf Zivilisten im Gazastreifen scharf verurteilt und gleichzeitig einen unmittelbaren sowie unbeschränkten humanitären Zugang zur Unterstützung der Zivilbevölkerung fordert, markiert ein bedeutsames Ereignis im Hinblick auf die Artikulation der internationalen Stellung der OTS.

Die Initiative der Organisation der Turkstaaten, zu einem Waffenstillstand aufzurufen, unterstreicht ihr Potenzial, sich als politische Einheit kurzfristig zu einem bedeutenden Akteur zu entwickeln. In dieser Hinsicht hat die OTS demonstriert, dass sie fähig ist, gegenüber regionalen und internationalen Problemen eine dezidierte Position zu beziehen.

Geopolitische Relevanz der türkischen Welt im Aufschwung

Im geopolitischen Kontext erfährt die Region, die als Einflusssphäre der türkischen Welt gilt, eine progressiv steigende Relevanz. Im Zuge der Neuausrichtung der globalen Sicherheitspolitik, bedingt durch den Abzug der Vereinigten Staaten aus Afghanistan und die damit einhergehende Machtverschiebung, rückte Zentralasien verstärkt in den Fokus westlicher Sicherheitsinteressen. Die Eskalation des Konfliktes zwischen Russland und der Ukraine hat zusätzlich dazu beigetragen, die strategische Bedeutung der Region, insbesondere unter wirtschaftlichen und energiepolitischen Gesichtspunkten, zu akzentuieren.

Die verstärkten diplomatischen Aktivitäten zwischen Deutschland und den Turkstaaten in jüngerer Vergangenheit lassen eine neue Dimension der geopolitischen Dynamik erkennen. Diese Tendenz unterstreicht die wachsende globale Bedeutung der Region. Andererseits spiegelt sich das Potential der Organisation der Turkstaaten als zukünftiger globaler Wirtschaftsakteur in der beeindruckenden Größe ihres Territoriums von 3,5 Millionen Quadratkilometern, einer Gesamtbevölkerung von 300 Millionen und einer jugendlichen Bevölkerung von 160 Millionen sowie einem kumulierten Bruttoinlandsprodukt von vier Billionen Dollar wider. Türkiye kristallisiert sich dabei als ein zentraler Protagonist innerhalb der Organisation heraus, was seine Vorreiterrolle in der geopolitischen Entwicklung der türkischen Welt untermauert.

Das 10. Gipfeltreffen der Organisation der Turkstaaten (OTS) (AA)

Laut Dr. Selçuk Aydın, Dozent an der Boğaziçi-Universität, kann die Entwicklung der OTS auch als Teil der Großstrategie (Grand Strategy) von Türkiye betrachtet werden. „In der Großstrategie von Türkiye tritt die Diplomatie als strategischer Fokuspunkt hervor. Diese Strategie ist nicht nur im Hinblick auf den Schutz und die Weiterentwicklung der nationalen Interessen von Türkiye von kritischer Bedeutung, sondern auch im Hinblick auf den allgemeinen Stabilitäts- und Wohlstandsbeitrag für die türkische und islamische Welt. Türkiye kann als eine Machtzentrale angesehen werden, die dieses weite geographische Gebiet durch Diplomatie formt und ihren Einflussbereich erweitert. In diesem Rahmen gewinnt die Existenz der OTS an Bedeutung. In globalen Fragestellungen proklamiert Türkiye den Leitsatz ´die Welt ist größer als fünf´ und präsentiert eine alternative Politik gegenüber den hegemonialen Strukturen des Westens, dem Einflussbereich Russlands und Chinas“.

Der renommierte Experte Turan Gafarlı hebt die Bedeutung der OTS hervor, insbesondere im Kontext der Energiepolitik: „Die schon lange in Erwägung gezogene Route zur Überleitung turkmenischen Erdgases über das Kaspische Meer durch Aserbaidschan und Türkiye hin nach Europa nimmt dabei eine Schlüsselrolle ein und stößt speziell in Ungarn auf großes Interesse. Ebenso wird die von Präsident Erdoğan initiierte Bewegung hin zu einem gemeinsamen Alphabet als bedeutender Fortschritt betrachtet. Es wird prognostiziert, dass der türkische Investitionsfonds in naher Zukunft seine Aktivitäten steigern wird. Obschon die Themen Energie und Wirtschaft im Zentrum des Gipfeltreffens standen, ist gleichwohl eine signifikante Entwicklung der Mitgliedstaaten in Richtung einer politischen Union zu verzeichnen.“

TRT Deutsch