Angehörige der Opfer der rechtsterroristischen NSU-Gruppe haben am Freitag mehr als 150.000 Unterschriften an Abgeordnete des Deutschen Bundestages überreicht. Die Opferfamilien fordern, dass die verurteilte Terroristin Beate Zschäpe keine vorzeitige Haftentlassung erhält.
Vor dem Reichstagsgebäude in Berlin übergaben Semiya Şimşek, Gamze Kubaşık und Mandy Boulgarides – Töchter dreier NSU-Opfer – die Petition an Abgeordnete der SPD, der Grünen und der Linkspartei.
Şimşek, deren Vater Enver Şimşek im Jahr 2000 in Nürnberg von den NSU-Terroristen erschossen wurde, erklärte vor Journalisten, Zschäpe dürfe keine Strafmilderung erhalten. Die Mittäterin habe bis heute geschwiegen und keinerlei Reue gezeigt.
„Wenn ich an meinen Vater denke, leide ich bis heute. Dieser Schmerz vergeht nicht – im Gegenteil, er wächst mit jedem Tag. Ich vermisse ihn und frage mich immer noch, warum ihm das angetan wurde und warum die Helfer und Unterstützer der Täter weiterhin frei herumlaufen“, sagte Şimşek.
Sie dankte allen, die die Petition unterschrieben haben, und betonte, man werde weiter für Gerechtigkeit kämpfen und die Aufklärung des NSU-Komplexes und seines Unterstützernetzwerks einfordern.
Beate Zschäpe, zentrale Figur der rechtsextremen Terrorzelle „Nationalsozialistischer Untergrund“, war 2018 zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt worden. Während des gesamten Prozesses schwieg sie, zeigte keine Reue und verweigerte jede Aussage zur Struktur der Gruppe. Ihre Aufnahme in das Aussteigerprogramm „EXIT“ im Jahr 2025 könnte eine vorzeitige Haftentlassung in den kommenden Jahren ermöglichen.
Gamze Kubaşık, deren Vater Mehmet 2006 in Dortmund vom NSU ermordet wurde, übte scharfe Kritik an den deutschen Behörden. Diese hätten nie umfassend aufgeklärt und viele Fragen offen gelassen.
„Wir haben nicht nur unsere Väter verloren, sondern auch unser Vertrauen und unser Sicherheitsgefühl“, sagte sie. „Wir haben den Eindruck, dass der deutsche Staat unser Leid nicht ernst nimmt. Wie kann eine Täterin Unterstützung erhalten, während wir bis heute um Gerechtigkeit kämpfen müssen? Wir fordern keine Sonderbehandlung – wir fordern Gerechtigkeit.“
Rechtsterroristische Mordserie des NSU
Der „Nationalsozialistische Untergrund“ (NSU) wurde von den Neonazis Uwe Mundlos, Uwe Böhnhardt und Beate Zschäpe gegründet. Das Trio lebte ab 1998 im Untergrund und verwendete falsche Identitäten.
Erst am 4. November 2011 wurde das Ausmaß der NSU-Verbrechen bekannt, als Mundlos und Böhnhardt nach einem gescheiterten Banküberfall Suizid begingen. In ihrer Wohnung fand die Polizei Beweismaterial, das ihre Beteiligung an einer Serie von Morden belegte.
Bis dahin hatten deutsche Ermittlungsbehörden jegliches rassistisches Tatmotiv ausgeschlossen und die Angehörigen der Opfer jahrelang unter Verdacht gestellt – mit vermeintlichen Verbindungen zu organisierter Kriminalität oder Drogenhandel.
Spätere Enthüllungen zeigten, dass der Verfassungsschutz über zahlreiche V-Leute verfügte, die Kontakt zu NSU-Mitgliedern hatten. Dennoch behaupteten die Behörden, sie hätten keine Kenntnis von der Existenz der Terrorzelle gehabt.
Der NSU-Komplex löste in Deutschland eine bis heute andauernde Debatte über institutionellen Rassismus und die Missstände in Sicherheitsbehörden aus, die den rechtsextremen Terror lange unterschätzt hatten.




















