18.01.2021, Schweiz, St. Moritz: Ortsansicht des Wintersport- und Ferienorts St. Moritz. (dpa)
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Seit Jahrzehnten ziehen Superreiche aus aller Welt in die Schweiz: Banken, Diskretion, Sicherheit und atemberaubende Kulissen sind einige der Gründe dafür. Die Corona-Pandemie beflügelt nun den Run: „Die Pandemie löste einen Nachfrageboom nach Luxusimmobilien aus“, berichtet die Bank UBS. Die höchsten Quadratmeterpreise werden in der Gemeinde Cologny bei Genf erzielt. Dort kostet ein einziger Quadratmeter so viel wie in manchen deutschen Gemeinden eine ganze Wohnung: umgerechnet rund 33.000 Euro.

Sicherer Hafen mit hoher finanzieller Stabilität
Corona habe die Sehnsucht vieler nach einem sicheren Hafen verstärkt, glauben UBS-Analysten: „Das Risiko höherer Steuern für Top-Verdiener (ist) - anders als mancherorts im Ausland - dank stabiler fiskalischer Position überschaubar.“ In der Schweiz liegt die Schuldenquote bei 40 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Zum Vergleich: In Deutschland sind es rund 70 Prozent, in anderen Ländern, etwa Frankreich, sind es sogar mehr als 100 Prozent.

Viele Betuchte mit deutschen Wurzeln genießen bereits die Vorzüge der Schweiz: etwa der Unternehmer Klaus-Michael Kühne aus Hamburg vom Logistikkonzern Kühne + Nagel. Die Zeitschrift „Bilanz“ führt unter anderem ihn, aber auch die Erben der mit Kaffeehandel in Deutschland groß gewordenen Jacobs-Familie, die in Zürich eine Beteiligungsgesellschaft führen, mit zweistelligen Milliardenbeträgen auf der Liste der reichsten Deutschen.
Die Familie Liebherr des Baumaschinenherstellers gehört nach dieser Liste ebenso dazu wie die Industriellenfamilie von Finck, der Molkereiunternehmer Theo Müller und die Nachkommen von Franz Ströher, dem Gründer des Wella-Haarpflegeunternehmens.
Die Bank Credit Suisse schätzt, dass 2020 fast jeder sechste Einwohner (14,9 Prozent) zum Millionärsclub gehörte. Auch wenn das großzügig geschätzt ist: Die Gesamtzahl dürfte an der Millionengrenze liegen. Abgesehen von Kleinststaaten wie Monaco kommt kein anderes Land der Welt auf so eine Millionärsdichte. Auch die Milliardäre sind keine ganz kleine Truppe: 135 haben entsprechend viel Geld auf der hohen Kante, wie die Zeitschrift „Bilanz“ schätzt. Gerechnet wird in Dollar - ein Franken entspricht aktuell rund 1,09 Dollar oder 0,92 Euro.
Reger Zuwachs aus Deutschland
Nun kommen neue Millionäre ins Land. Rechtsanwalt Enzo Caputo, der ausländischen Kunden zum Leben in der Schweiz verhilft, spricht von 25 Prozent Nachfragesteigerung. „Ich habe auch aus Deutschland regen Zuwachs verzeichnet“, sagt er. Andere Anwälte sprechen sogar von bis zu 40 Prozent mehr Anfragen. Nachprüfen lässt sich das nicht, Diskretion ist oberstes Gebot.
„Ich mache eine Art Kuhhandel mit dem Kanton, ich handele Verträge aus über eine Pauschalbesteuerung“, sagt Caputo der Deutschen Presse-Agentur. Zugezogene müssen ihren Reichtum gar nicht deklarieren. Das Paket von Aufenthaltsbewilligung und Pauschalsteuer war im Kanton Jura nach Angaben des Senders RTS für einen ledigen Nichteuropäer für umgerechnet rund 135.000 Euro im Jahr zu haben. Auch ohne solche Deals: Die Einkommenssteuer ist je nach Kanton mit rund 22 Prozent teils nur halb so hoch wie in vielen anderen Ländern.
Den Umzug bahnten Superreiche langfristig an, sagt Caputo. „Erst wird das Vermögen bei einer Schweizer Bank mit gutem Vermögensverwalter untergebracht. Dann kommt die Familie, dann das Familienoberhaupt.“ Nach Analysen der Boston Consulting Group liegt in keinem Land der Welt so viel Vermögen von Ausländern, die nicht im Land wohnen: 2,4 Billionen Dollar (gut 2 Billionen Euro). Das ist ein Viertel sämtlicher Auslandsvermögen, mehr als in Hongkong und Singapur.
Hochpreisige Wohnungen „aus den Händen gerissen“
Einen Boom erleben auch Immobilienmakler: „Besonders im Luxusbereich ist die Nachfrage seit Sommer 2020 enorm gestiegen“, sagt Franko Giovanoli, der bei der Firma Ginesta für St. Moritz und Umgebung zuständig ist, der dpa. „Man hat uns die hochpreisigen Wohnungen aus den Händen gerissen.“ Die Menschen suchten sichere Anlagen für ihr Geld.
Reiche Chinesen, Inder oder Araber spielten keine große Rolle, eher Interessenten aus Deutschland, Italien und Großbritannien. „Hochpreisig“, das sind bei Giovanoli Anwesen für zweistellige Millionenbeträge. Deutsche seien eher im „mittleren Segment“ unterwegs. Bescheidenere Ferienwohnungen, etwa mit dreieinhalb Zimmern, gebe es auch schon für 1 bis 2 Millionen Franken (gut 900.000 bis 1,9 Mio. Euro).
Fazit der UBS-Ökonomin Katharina Hofer: „Wer auf globalen Luxusmärkten nach einem Ort mit stabilen Institutionen und etablierten Luxusstandorten sucht, dürfte die Schweiz vermehrt ins Auge fassen.“

dpa